Interview

Karriere? aber gesund

von | 5. Juli 2024

Fit für den Job. So gelingt die perfekte Balance zwischen Studium, Arbeit und Freizeit.

Stell dir vor, du könntest deine Karriere von Anfang an so gestalten, dass sie nicht nur erfolgreich, sondern auch gesund und erfüllend ist. Im Interview mit medienMITTWEIDA teilt Annett Dreßler, Diplom-Psychologin und selbstständige Karriereberaterin, ihre Erfahrungen und gibt praktische Tipps.

Warum brauche ich jemanden wie Sie für meine Karriere?

Für den (hoffentlich) professionellen und unverstellten Blick von außen. Manchmal hat man Punkte, wo man festhängt und den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Da ist jemand, der von außen einen Blick darauf wirft, manchmal sehr hilfreich. Außerdem bedeutet ein besser passender, gesundheitsförderlicher Job mehr Motivation und Leistungsfähigkeit im Beruf, sowie einen Zuwachs an Produktivität und Leistung.

Wie finde ich eigentlich heraus, welche Karriere am besten zu meinen Fähigkeiten und Interessen passt?

Viele Wege führen nach Rom. Ich denke, in der neunten oder zehnten Klasse stellen sich oft schon die Weichen für eine bestimmte Richtung. Das ist vielleicht auch der Zeitpunkt, wo man sowas schonmal ins Auge fassen sollte, auch wenn viele da noch mit den Augen kullern. Da mal eine Beratung vom Arbeitsamt zu machen, oder einen Berufs-Interessen-Test, aber auch einen Persönlichkeitstest ist schon sehr hilfreich. Das wäre dann der theoretische Ansatz.
Die Berufsorientierung, das Schülerpraktikum oder auch der Ferienjob bieten die Möglichkeit, sich auszuprobieren und bereits im Kleinen erste Erfahrungen zu sammeln. Oft kann man dadurch schon mal eine Negativ-Auslese machen, in welche Richtungen man denn gar nicht gehen will.

Also ist es erstmal besser zu schauen, was man nicht möchte, anstatt krampfhaft danach zu suchen, was man möchte?

Nicht ausschließlich, das Meiste stellt sich tatsächlich erst beim Ausprobieren heraus.
Du willst beispielsweise in den medizinischen Bereich, stellst dann aber fest, du kannst kein Blut sehen. Vieles weiß man von sich selbst, aber manches erfährt man erst durch Ausprobieren. Je eher man damit anfängt, desto mehr kann man auch testen. Ich halte es für sehr bedeutend, sowohl Praktika zu absolvieren als auch Nebenjobs auszuüben, um Erfahrungen zu sammeln. Die Tests sind das Eine, das Ausprobieren das Wichtigere.
Nur so lernt man sich selbst kennen –  aber auch andere Personen und kann schon netzwerken im kleinen Sinne. Dadurch entstehen oft coole und hilfreiche Kontakte, die manchmal auch erst Jahre später wirken. Das darf man nicht unterschätzen.

Wie haben Sie Ihre Berufung entdeckt und den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt?

Also, ich plane viel und gerne – genauso wie ich gerne organisiere. Mit 18 Jahren habe ich Abitur gemacht und bin dann in den Wendezeiten nach Berlin gezogen. Dort habe ich dann Bankkauffrau gelernt, weil alle meinten, dass es cool sei. Nach zehn Jahren habe ich beschlossen, dass ich es nicht mehr cool finde, und mich entschieden, nochmal ein Studium in Vollzeit zu beginnen. Dann habe ich Psychologie studiert, richtig auf Old School: Diplom.
Als Schwerpunkte hatte ich auch Klinische Psychologie, obwohl ich wusste, dass Klinische Psychologie nicht meine Richtung war.


Ich habe mich noch nie als Therapeut gesehen, sondern immer schon als Berater. Ich habe immer gesagt, ich will Leuten helfen und sie unterstützen, aber jetzt nicht im Sinne eines helfenden Berufs, sondern eher in einer beratenden Tätigkeit. Das hat dann bei der Bank nicht mehr funktioniert.
Ich habe dann mein Studium fertig gemacht und danach erstmal als Angestellte im Personalbereich in diversen Firmen gearbeitet.


Nach ein paar Jahren habe ich mich dann selbstständig gemacht. In meiner Selbstständigkeit war ich einerseits als Beraterin für Unternehmen tätig, andererseits versorgte ich mit meinem Know-how als Personalerin auch die Gegenseite. Seit 10 Jahren bin ich jetzt schon Selbstständig und dieses „selbst und ständig“ trifft auch zu. Auf der einen Seite hat man viele Freiheiten, auf der anderen Seite ist man für alles selbst verantwortlich.

Welche Fähigkeiten oder Kenntnisse haben sich als besonders entscheidend für Ihren beruflichen Erfolg erwiesen?

Mir war schon vor dem Studium klar, wohin ich möchte – und das habe ich dann auch durchgezogen. Mein Vorteil war, dass ich vorher schon ein paar Jahre gearbeitet habe, und das hatten viele andere nicht. Dadurch habe ich Erfahrung gesammelt und wusste auch, dass ich bestimmte Dinge gut kann und machen möchte. Das kann man nur durch praktische Erfahrung herausfinden. Du kannst auch tolle Tests machen, Interessentests und solche Geschichten, aber die praktische Erfahrung kann dir keiner nehmen.

Wie wichtig finden Sie es, während des Studiums zu arbeiten?

Ich kenne es aus Unternehmen beispielsweise so, wenn man als Werkstudent einen guten Job gemacht hat, haben viele ein Übernahmeangebot bekommen. Viele von den Studenten haben aber auch in der Firma einen Mehrwert geschaffen. Deshalb ist das auch ein ganz wichtiger Punkt für den Einstieg. Man sollte sich etwas suchen, das zu dem passt, was man studiert – und was einen letztendlich auch beruflich weiterbringt. Und dann am besten auch den Job gut machen. Das kann ich nur empfehlen. Klar, wenn man auf das Geld angewiesen ist und erstmal eine andere Tätigkeit macht, ist das völlig in Ordnung, man muss ja von irgendwas leben. Aber wenn man die Möglichkeit hat und an einen Job kommt, der zum Studium passt, ist das schon mal eine gute Grundlage. Was daraus wird, kann niemand voraussagen – vor allem in Branchen, die sehr schnelllebig sind. Aber ich weiß, dass ganz viele Studenten auch übernommen werden.

Ist es schon wichtig für Studenten, ein professionelles Netzwerk aufzubauen?

Definitiv ja. Ich habe durch die Kontakte aus dem Studium mein Praktikum und Diplomarbeit bekommen. Klar, man sollte auch entsprechende Leistungen zeigen, aber man muss wirklich schon schauen, wer einem unter Umständen behilflich sein kann. Klingt etwas egoistisch, aber letztendlich geht’s ja um die eigene Karriere, ohne das jetzt in einem wertenden Kontext zu sehen. Netzwerken zeichnet sich letztendlich durch ein Geben und Nehmen aus.

Flache Hierarchien sind im Trend. Denken Sie, dass darauf ausgerichtete Unternehmen den optimalen Einstieg für Berufseinsteiger bieten können?

Ja, definitiv, es kann allerdings auch zu einer erhöhten Sichtbarkeit gegenüber der Chefetage führen. Kleine Firmen können spannend sein, flache Hierarchien können spannend sein. Familiäre Firmen können auch gut sein, können aber auch nach hinten losgehen, weil man trotzdem bedenken sollte, dass es immer noch Kollegen sind und nicht deine Best-Buddies. Das Arbeiten sollte immer in gewisser Weise auf einer professionellen Ebene bleiben. Auch wenn man mit seinen Kollegen natürlich in der Mittagspause mal Tischkicker spielen kann, ist es trotzdem noch die Arbeit.

Genauso wie flache Hierarchien ist auch Homeoffice ein Trend. Wie stehen Sie dazu?

Homeoffice hat viele Vorteile, keine Frage, aber ausschließlich würde ich es nicht empfehlen. Tatsächlich habe ich schon 2010 Homeoffice gemacht, da kannten das viele noch gar nicht. Es kann auch zu Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Arbeits- und Freizeit kommen. Sich da zu organisieren und für sich eine Abgrenzung zu finden, das halte ich für unglaublich wichtig. Man hat zwar virtuelle Kontakte, aber der persönliche Austausch fehlt.
Homeoffice ist ein guter Baustein und kann auch zur Entlastung führen. Man hat zum Beispiel keinen weiten Arbeitsweg, kann mal schnell die Katzen versorgen, eine Wäsche anmachen, etc. Wenn man aber ausschließlich im Homeoffice ist, kann es schnell ins Negative kippen. Eine ausgewogene Work-Life-Balance hängt entscheidend davon ab, wie ich meine Zeit zwischen Arbeit im Homeoffice und Treffen mit Kunden oder Kollegen im Büro verteile. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.

Wie finde ich denn eine gute Work-Life-Balance?

Es gibt dafür keine einfache, ausschließliche Antwort. Work ist ein Bestandteil von Life.
Bei aller Wissenschaft, die man in diesem Gebiet einsetzen kann, sind eigene Erfahrungen und Erfahrungsaustausch genauso wichtig. Einerseits habe ich meinen Job, aber auch das Drumherum spielt eine entscheidende Rolle.
Rahmenbedingungen wie Arbeitszeiten, Sprachen etc. sollten dabei auch nicht unterschätzt werden. Möchte ich wirklich Karriere machen, während ich mich an eine 40-Stunden-Woche halte, oder möchte ich mir Zeit nehmen für Hobbys, Familie usw., und vielleicht sogar ein zweites Standbein aufbauen? Manche gründen schon zeitig eine Familie oder haben Eltern, die sie versorgen müssen.
Auch sollte man sich fragen, was ist gut für mich? Für jemanden, der am Schreibtisch arbeitet, ist am Abend vielleicht das Fitnessstudio der Ausgleich. Wenn man aber in einem körperlich anstrengenden Beruf arbeitet, sucht man sich wahrscheinlich lieber einen anderen Ausgleich wie z.B. kochen.
Wichtig ist, dass du das tust, was dir Spaß macht und was gleichzeitig gesundheits- und persönlichkeitsfördernd ist. Finde einen Job, der dich nicht nur nicht krank macht, sondern dich wachsen lässt. Deswegen heißt es nicht „gute Karriere“, sondern „gesunde Karriere.“

Was ist eine gute Karriere?

Ich tue mich schwer mit dem Wort. Was heißt das überhaupt, „Karriere“?
Möchte ich in einer Firma aufsteigen, in der Führungsetage mitwirken und viel Geld verdienen? Sehe ich mich eher als Spezialist, der ebenfalls gut verdient, im Hintergrund arbeitet, aber dennoch eine wichtige Rolle für das Unternehmen spielt? Mit der Zeit merkt man, was einem guttut, was nicht und welches Arbeitsumfeld einem gefällt. Bin ich lieber in einer großen Firma oder in einer kleinen? Will ich international und global unterwegs sein oder familiär und klein? Bin ich gern in einem Start-up oder in einem Unternehmen, welches etablierte Strukturen hat. Das sind ganz viele Faktoren, die hereinspielen. Zu einer guten Karriere gehört dann natürlich auch eine gute Work-Life-Balance.

Gibt es bei der Karriereplanung nur einen guten Weg?

Es gibt nicht immer nur den einen Weg geradeaus. Schön, wenn man den hat, aber es ist nicht notwendig. Die Lebensläufe werden heutzutage immer bunter. Das ist auch eine Erfahrung, die ich in der Personalauswahl gemacht habe. Kommt aber auch auf die Stelle an, in bestimmten Bereichen braucht man Spezialisten, z.B. Ingenieure. Für solche Stellen ist jemand geeignet, der vor allem tiefgründiges Wissen hat. Wenn es aber zum Beispiel um Stellen im Marketing geht, ist es hilfreich, wenn der Bewerber auch ein breites Erfahrungsfeld und somit einen weiten Überblick hat. Auch da gibt es keine klare Antwort. Typisch Psychologe: es kommt darauf an. In diesem Fall auf die Rahmenbedingungen.

Welchen Rat hätten Sie sich zu Beginn Ihrer Karriere gewünscht?

Generell eine anständige Berufsberatung, welche die eigenen Interessen und Persönlichkeitsmerkmale berücksichtigt. Das gab es zu meiner Zeit leider nicht. Da wurde oft das gemacht, was für Familienmitglieder als gut oder sicher betrachtet wurde. Und deshalb geht man zum Beispiel zur Bank. Da hat man was, da ist man was, und verdient auch was. Das war leider meine Berufsberatung.

Wenn Sie die Arbeitskultur eines Unternehmens komplett verändern könnten, was wäre die erste Regel, die Sie einführen würden?

Dass Hunde mit auf die Arbeit dürfen. Es gibt bereits erste Untersuchungen, die zeigen, dass Bürohunde nachweislich das Arbeitsklima und das allgemeine Miteinander erheblich verbessern. Sie halten nicht in dem Umfang von der Arbeit ab, wie viele immer denken.
Klar, es wird begrüßt, geknuddelt, gemacht und getan, aber Hunde sorgen auch für Ruhe, auch wenn es nur eine Kurz-Entspannungsphase ist. Das sollte sich noch mehr durchsetzen, zumindest dort, wo es möglich ist. Nicht gerade im OP-Saal, aber gerade im Büroumfeld oder in kreativen Berufen ist es neben dem Tischkicker auf jeden Fall eine gute Pausen-Alternative.

Text: Emma Walther/ Titelbild Foto: www.freepik.com 

<h3>Emma Walther</h3>

Emma Walther

ist 22 Jahre alt und studiert derzeit im 4. Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA engagiert sie sich als Teil des Social Media Teams.