Plastikrecycling

In Sekunden produziert, in Jahren vergangen

von | 3. Januar 2020

Recycling soll die Plastikflut stoppen. Wie gut funktioniert das in Deutschland?

Eingepackt, gekauft, ausgepackt, weggeworfen – ganz vereinfacht ist das der Weg von Verpackungsmaterialien, deren Verbrauch seit Jahren stetig steigt. Deutschland belegte im Jahr 2017 unrühmlich den ersten Platz bei der Erzeugung von Verpackungsmüll in Europa. Mit insgesamt 18,7 Millionen Tonnen nahmen die Deutschen den Spitzenplatz ein. Das entspricht einem Gewicht von etwa 1.850 Eiffeltürmen. Die Gelbe Tonne und das Recycling sollen Lösungsmöglichkeiten darstellen, um die Wiederverwertung von Kunststoffen zu schaffen. Doch wie gut funktioniert das in Deutschland?

Das unkontrollierbare Wunder

Die Entstehung des uns heute bekannten Kunststoffes fand bereits vor über 100 Jahren statt, als der Chemiker Leo Baekeland im Jahr 1907 das Bakelit entwickelte und damit den ersten vollsynthetischen Kunststoff erschuf. Ein Stoff also, der keine aus der Natur bekannten Moleküle mehr enthielt. Die Menschheit begann zu lernen, wie man aus einer dickflüssigen, zähen und braunen Flüssigkeit, dem Erdöl, einen komplett neuen Stoff herstellen konnte. Durch die chemische Veränderung von Molekülketten gewann man synthetische Polymere, die besondere Eigenschaften wie ein geringes Gewicht, Flexibilität und Widerstandsfähigkeit aufweisen. Der Kunststoff – auch bekannt als Plastik – war somit geboren.

Um zu verstehen, wie es ein chemisches Produkt aus dem Labor zu Millionen von Tonnen auf dem ganzen Planeten geschafft hat, muss man die Entwicklung des Plastiks im Ganzen betrachten. Während zuvor Materialien aus natürlichen Ursprüngen gewonnen wurden, basierte der Kunststoff als erstes Material auf einer Synthese, die durch Menschenhand vollzogen wurde. Was im letzten Jahrhundert als einzigartiges Wunder galt, begegnet der Menschheit heute alltäglich und gilt als selbstverständlich. Bevor es in den 1950er Jahren zu einem weltweiten Massenkonsum kam, wurden Kunststoffe zwar bereits als Verpackungsmaterial eingesetzt, aber mit nötiger Vorsicht gehandelt und wiederverwendet. Im Jahr 1978 läutete der Großkonzern Coca Cola eine neue Ära ein, indem die bekannte Marke ihre klassischen Glasflaschen durch PET-Flaschen ersetzte. 40 Jahre später sprechen die Zahlen für sich: weltweit wird heute in etwa 200 mal so viel Plastik produziert wie in den 50er-Jahren. Im Jahr 2015 stehen 322 Millionen Tonnen den 1,5 Millionen Tonnen aus dem Jahr 1950 gegenüber. Den Prognosen einer Studie des Informationsdienstes IHS Markit zufolge soll sich diese Zahl bis 2030 noch einmal verdoppeln.

Deutschland, das Recyclingland?

Beobachtungen von Experten zufolge steigt der Kunststoffverbrauch mit dem Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre. Wie das Umweltbundesamt vermerkt, gibt es einen Trend zum „Außer-Haus-Essen” sowie immer kleineren Portionen. Zudem boomt der Online-Handel wie nie zuvor. Damit dabei die bestellten Waren unbeschädigt beim Kunden ankommen, werden sie aufwendiger verpackt als früher. Durch diese Faktoren ist es kaum verwunderlich, dass heutzutage der größte Anteil der verwendeten Kunststoffe aus Verpackungsmüll besteht. Laut dem Umweltbundesamt fielen im Jahr 2017 rechnerisch 226,5 Kilogramm Plastikmüll auf jeden Einwohner Deutschlands. Die privaten Verbraucher hatten daran einen Anteil von 47 Prozent, was in etwa 107 Kilogramm entspricht. Können wir so hohe Plastikmengen durch Recycling wiederverwerten? Den offiziellen Zahlen zufolge liegt Deutschland mit einer Recyclingquote von 45 Prozent unter den Top-Drei in Europa. Sind wir mit unserer Strategie also gut aufgestellt?

Hochkomplex statt leicht sortiert

Den hohen Prozentsatz und die damit einhergehende Bronzemedaille verdankt Deutschland allerdings der kreativen Auslegung des Begriffs „Recycling“. Hierbei fällt zur Berechnung die Gesamtmenge an Plastik an, die bei Recycling- oder Kompostieranlagen angeliefert wird, nicht aber der wirklich wiederverwertete Anteil davon. Stofflich verwertet, also zur Herstellung neuer Produkte verwendet, werden 16 Prozent des Kunststoffabfalls. Einer der Gründe für die niedrige Recyclingquote sind die unterschiedlichen Kunststoffe und sonstigen Materialien, die in Verpackungen von Lebensmittel verwendet werden. Während ein handelsüblicher Joghurtbecher aus Polypropylen gut recycelbar ist, stellt der Aluminiumdeckel des Bechers eine Hürde dar, sofern die beiden Materialien vor dem Wegwerfen vom Verbraucher nicht getrennt werden.

In der Recyclinganlage wird der Deckel samt Becher durch einen Magneten erfasst und als Aluminium heraussortiert. In dieser Kombination ist der Joghurtbecher nicht recycelbar. Ähnlich verhält es sich bei Frischhaltepackungen von Fleisch- und anderen Kühlwaren, deren Folien aus mehreren Schichten verschiedener Kunststoffe verklebt und so nicht recycelbar sind. Die Komplexität bei der Sortierung der Kunststoffe zeigt sich auch in scheinbar nebensächlichen Eigenschaften: benutzte Farbstoffe und Weichmacher entscheiden über den möglichen Weg der Wiederverwertung bei Verpackungen. Schwarze Plastikverpackungen, wie zum Beispiel eine Duschgelflasche, können von den modernen Infrarot-Scannern der Recyclingbetriebe nicht erkannt und dadurch nicht gefiltert werden.

Der weitaus größere Teil der Kunststoffabfälle wird thermisch verwertet, also in Müllverbrennungsanlagen zur Erzeugung von Strom und Fernwärme genutzt. Im Jahr 2017 waren dies 3,24 Millionen Tonnen was in etwa 52,7 Prozent entspricht. Übrig bleibt dabei giftiger Sondermüll. Ein anderer Teil wird auf Mülldeponien endgelagert. „Zwischengelagert“ wäre hierfür der passendere Begriff, denn eine endgültige Lösung bietet die Mülllagerung nicht. Bis zu 600 Jahre dauert es, um Plastikmaterial durch natürliche Prozesse abzubauen. Eine Zeitspanne, die es erlaubt, dass eine bereits hergestellte PET-Flasche von Kindern in einem Wald gefunden werden kann, in welchem sie im Jahr 2576 „Verstecken“ spielen.

Eine schwarze Duschgelflasche kann aufgrund ihrer Farbe nicht recycelt werden, obwohl der verwendete Kunststoff dafür geeignet wäre. Foto: Anton Baranenko

Der Gelbe Sack als Lösung?

Mithilfe des Gelben Sacks, einer weiteren Option für Mülltrennung, sollen Verbraucher dazu animiert werden, Verpackungen ordnungsgemäß vom Haus- und Restmüll zu trennen. So soll eine Grundlage für rentables Recycling geschaffen werden. Was in der Theorie simpel klingt, scheint in der Praxis auf Probleme zu stoßen: Laut dem Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) liegt die Quote der Fehlwürfe, also der falschen Zuordnung von Kunststoffabfällen, bei 40 bis 60 Prozent. Ob aus Bequemlichkeit oder Unkenntnis, diese Zahlen erschweren stets höhere Prozentsätze beim eigentlichen Recycling.

Auch wenn die deutschen Recycling-Unternehmen seit dem 1. Januar 2019 strengeren Maßnahmen für höhere Zahlen bei der Kunststoffwiederverwertung unterliegen, sind sie auch auf die Verbraucher angewiesen. „Mülltrennung in den privaten Haushalten ist eine wichtige Stellschraube. Je besser sie funktioniert, desto besser kann man den Verpackungsabfall recyceln“, erklärt Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des BVSE. Gleichzeitig sehen die Recyclingverbände auch die Unternehmen in der Pflicht. Der Blick ins Supermarkt-Regal zeigt, dass Produktverpackungen selten auf optimales Recycling ausgelegt werden. „Wir müssen beim Design von Verpackungen zum Beispiel mehr darauf achten, dass wir größere vergleichbare Kunststoffmengen haben, die dann auch wirklich in den Wiederverwendungsprozess gehen“, sagt der Europaabgeordnete der CDU, Karl-Heinz Florenz, im Interview mit Deutschlandfunk. Auch die Bundesregierung setzt sich mit dem Problem auseinander und will zukünftig die Verwendung von nicht recycelbaren Kunststoffen einschränken. Ein neues Verpackungsgesetz soll die Unternehmen zum Umdenken anregen.

Der Gelbe Sack dient zur besseren Trennung von Verpackungsmüll und soll so das Recycling erleichtern.
Foto: geralt, Pixabay-Lizenz

Es müssen noch zahlreiche weitere Lösungsmöglichkeiten für ein höheres Recyclingaufkommen gefunden werden, um das Verfahren der Wiederverwertung zu optimieren. Denn entgegen der Vorstellung, dass der Plastikmüll verschwindet, sobald er in der Tonne liegt, geht die Reise der Verpackungen dort gerade erst los.

Text: Anton Baranenko, Titel- und Beitragsbilder: Anton Baranenko, geralt Pixabay-Lizenz

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Meine medienMITTWEIDA-Kollegin Susan hat sich mit der Möglichkeit des verpackungslosen Einkaufs befasst und einen Unverpackt-Laden in Chemnitz besucht. 

<h3>Anton Baranenko</h3>

Anton Baranenko

ist 22 Jahre alt, studiert Medienmanagement und liebt es, etwas tiefer in spannende Themen einzutauchen und zu recherchieren. Durch seine Leidenschaft zur Fotografie unterstützt er dazu die Bildredaktion von medienMITTWEIDA.