Ziemlich praktisch, wenn nun auch das eigene Smartphone in der Lage ist, medizinische Diagnosen über das eigene Gesundheitsbild herzustellen: „Telemedizin“ nennt sich die mobile Krankheitsvorsorge. Die Zukunft des Gesundheitswesens?
„Telemedizin ermöglicht unter Einsatz audiovisueller Kommunikationstechnologien und einer Überbrückung von Zeit und Raum, Diagnostik, Konsultation und medizinische Notfalldienste bereitzustellen“, erklärt Claudia Riepe, Expertin für Telematik im Bundesministerium für Gesundheit. Spezielle Sensoren werden beim Patienten zur Messung des Gewichtes, des Blutzuckers oder des Blutdrucks am eigenen Körper platziert. Auch zur Erstellung eines EKGs werden diese genutzt. Der behandelnde Arzt kann nun zu jeder Zeit die aktuellen Werte des Patienten überprüfen und bei Bedarf schnellstmöglich notwendige Schritte einleiten. Vor allem plötzliche Notfallsituationen bei Risikopatienten sollen somit künftig reduziert werden.
Im Einsatz: Moderne Telekommunikationstechnik
„Die erfassten Daten des Patienten werden mit Hilfe von Funktechnologien drahtlos an ein Endgerät übertragen, das sowohl ein Medizingerät, als auch ein Handy, Tablet oder PC sein kann. In diesen Geräten werden zum Beispiel Bewegungs- oder Vitaldaten zwischengespeichert und dann verschlüsselt an den behandelnden Arzt gesendet“, erklärt Michael John, Stellvertretender Leiter des Kompetenzzentrums E-HEALTH am „Fraunhofer FOKUS“. Hat ein Arzt so die Vitalwerte eines Patienten bereits vorliegen, bringt das eine große Zeitersparnis.
„Vorteilhaft ist, dass der Arzt regelmäßig die Werte des Patienten erhält und zwar nicht nur dann, wenn dieser zum Arztbesuch in die Praxis kommt“, erläutert Hubertus Kischkewitz, Pressesprecher der Telekom. Gerade älteren Menschen kann diese Technik den oft beschwerlichen Gang zum Arzt mitunter auch ersparen. „Rund 80 Prozent der älteren Menschen wollen möglichst lang selbstständig zu Hause leben und sich dennoch sicher fühlen können. Hier kann die Telemedizin mit ihren Möglichkeiten hervorragend unterstützen“, bestätigt Kischkewitz. Denn der demografische Wandel in Deutschland macht den vermehrten Einsatz solcher vernetzter Lösungen immer stärker notwendig.
Geringe Akzeptanz bei Patienten
Trotz vieler Vorteile wird das System der Telemedizin in großen Teilen der Bevölkerung für eine Behandlung noch nicht vollständig oder gar nicht akzeptiert. „Bei der Anbringung von Sensorik am Körper muss man aufpassen. Patienten können sich deswegen auch eingeschränkt oder kontrolliert fühlen“, erklärt John.
Um potentiellen Datenmissbrauch künftig auszuschließen, hat die Bundesärztekammer in einem Dossier über die „Voraussetzungen für gute Telemedizin“ die Grundlagen für einen erfolgreichen und vor allem sicheren Einsatz des neuen Behandlungssystems festgelegt. Auch die IT- und Telekommunikationsindustrie stellt für die Experten eine Hürde dar: „Es besteht die Gefahr, dass die qualitative Verbesserung der Patientenversorgung gegenüber anderen Zielsetzungen in den Hintergrund tritt“, heißt es laut Skript der Bundesärztekammer. Solche „andere Zielsetzungen“ können zum Beispiel kommerzielle Interessen sein.
Ziel: Telemedizinische Vernetzung
Obwohl die Telemedizin noch anfällig für Manipulationen ist, soll ihr in der Zukunft ein hoher Stellenwert für die Bevölkerung zukommen. „In Zukunft soll Telemedizin vor allem für den ländlichen Raum ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung werden“, meint Claudia Riepe vom Bundesministerium für Gesundheit. Aber auch im Alltag kann die Telemedizin die Erstversorgung unterstützen und sozusagen „erste Hilfe“ bis zum Eintreffen eines Arztes leisten. Michael John vom Fraunhofer-Institut entgegnet darauf: „Schon jetzt wird besonders im Notfallbereich intensiv mit Telemedizin gearbeitet. So werden zum Beispiel bei einer Schlaganfallversorgung live ‚Videokonferenzen‘ im Rettungswagen geführt oder Risikopatienten fernmündlich betreut“.
Die Deutsche Telekom arbeitet bereits heute mit der Berliner Feuerwehr und Charité an einem solchen Projekt. Sie ist dabei für die Live-Verbindung zwischen Krankenhaus und Rettungswagen zuständig. In diesem sogenannten „Stroke-Einsatz-Mobil“ kann während der Fahrt der Kontakt zu behandelnden Ärzten aufgenommen werden. Wichtige Daten des Schlaganfallpatienten können so verschlüsselt und mit höchster Priorität vor Eintreffen des Rettungswagens an die Klinik übermittelt und ausgewertet werden. Die Weiterversorgung erfolgt schnell und ohne großen Zeitverlust. „Die Behandlung kann bis zu 30 Minuten früher beginnen“, freut sich Kischkewitz. „Vor allem bei einem Schlaganfall kann schnelles Handeln Leben retten.“
Telemedizin als Trend im Gesundheitswesen?
Die Rolle der Telemedizin im Gesundheitswesen spielte auch auf der diesjährigen „MEDICA“ eine besondere Rolle. Vom 20. bis 23. November 2013 lud die medizinische Fachmesse unter dem Trendthema „Telemedizin“ Experten, Fachleute und Interessierte zum regen Meinungsaustausch nach Düsseldorf ein. Dort nutzte die Telekom ihre Vorreiterrolle und stellte die songenannte „Online-Kindersprechstunde“ vor, die ratsuchende Eltern in der Nacht und am Wochenende beraten soll. Die Telekom setzt dabei auf die Erfahrungen von Dr. Yossi Bahagon. Der Arzt und E-Health-Experte hat bereits für Israels größte Gesundheitsorganisation „Clalit Health Services“ einen ähnlichen Dienst aufgebaut. „So konnte dort bereits vielen tausenden Eltern ein unnötiger oder voreilig nächtlicher Weg zum Krankenhaus erspart werden“, erklärt Kischkewitz.
Trotz alledem kann und wird Telemedizin in naher Zukunft einen Arzt und dessen medizinische Kenntnisse nicht ersetzen. Denn eine persönliche Betreuung der Patienten wird nach wie vor notwendig sein. „In der Telemedizin können nicht immer alle Daten erfasst werden. Die Ärzte brauchen für eine komplette Diagnose oftmals noch weitere Labordaten“, erklärt Michael John vom „Fraunhofer FOKUS“. Die Telemedizin kann den behandelnden Arzt lediglich unterstützen und so die medizinische Versorgung um hilfreiche Aspekte erweitern. „Ich bin mir aber sicher, dass immer mehr Menschen den Nutzen der Telemedizin erkennen werden und sie somit noch eine große Rolle im Gesundheitswesen einnehmen wird”, ist Kischkewitz von der Telekom überzeugt.
Text: Josefine Elze. Bild: www.fotopedia.com, Bearbeitung: Philipp List