„Sie haben also zwei Persönlichkeiten in sich?” Diese Frage wurde dem an Schizophrenie erkrankten Klaus Gauger von einem Arzt gestellt, wie er in einem Interview mit der GESUNDNAH berichtet. Er fügte hinzu, dass es einer der häufigsten Irrtümer hinsichtlich der Krankheit sei, anzunehmen, die Betroffenen hätten eine “gespaltene Persönlichkeit”. Die Tatsache, dass in diesem Falle nicht einmal ein Arzt wusste, worum es sich bei einer Schizophrenie handelt, blieb ihm besonders in Erinnerung.
Rund ein Prozent der Bevölkerung erleidet in seinem Leben mindestens einmal eine schizophrene Episode. In Deutschland sind circa 400.000 Menschen davon betroffen. Dennoch sind psychische Krankheiten häufig noch ein Tabuthema, was zur Folge hat, dass viele Leute mit dem Begriff Schizophrenie nichts anfangen können. Dadurch begegnen sie Betroffenen oft mit Vorurteilen und eine Ausgrenzung findet statt. So kommt es, dass laut einer Studie Menschen abgeneigt wären, eine Person mit Schizophrenie in ihrem näheren Umfeld zu haben. Die Stigmatisierung und fehlende Aufklärung führt dazu, dass sich Betroffene oft erst spät Hilfe suchen oder sich von ihrem Umfeld distanzieren und isolieren.
Die Facetten der Schizophrenie
Auch Chefarzt Ulrich Seidl bestätigt der Saarbrücker Zeitung gegenüber, dass es ein typisches Klischee sei, Schizophrenie mit einer dissoziativen Identitätsstörung, auch bekannt als multiple Persönlichkeitsstörung, gleichzusetzen. Hierbei handelt sich jedoch um verschiedene Teilpersönlichkeiten in einem Körper, die abwechselnd das Verhalten der betroffenen Person bestimmen. Schizophrenie hingegen ist eine psychische Krankheit, die sich durch verändertes Denken und veränderte emotionale Wahrnehmungen äußert. Sie geht oft einher mit Sinnestäuschungen. Mehrere Persönlichkeiten sind kein Symptom einer Schizophrenie. Der Name „Schizophrenie“ leitet sich aus dem altgriechischen ab und bedeutet so viel wie „gespaltenes Zwerchfell“, da man früher davon ausging, dass die Seele eines Menschen im Zwerchfell sitzt. Die, auf Deutsch, gespaltene Seele, hat aber mit einer multiplen Persönlichkeit nichts zu tun.
Symptome, die hingegen typisch für diese Krankheit sind und häufig bei Patienten auftreten, sind Halluzinationen und das Hören von Stimmen.
Dr. Till Glauner, Psychiater des Sana-Klinikums Offenbach, klärt medienMITTWEIDA gegenüber auf, wie Patienten diese Stimmen wahrnehmen: „Sie kommentieren das Handeln, während gehandelt wird, oder sie geben Befehle. Diese sind fast immer muttersprachlich und können von den Betroffenen nicht als Trugwahrnehmungen identifiziert werden.“ Menschen mit Schizophrenie können die akustischen Halluzinationen also nicht von der Realität unterscheiden. Des Weiteren zählen auch eine fehlerhafte Wahrnehmung der eigenen Person und der Umgebung als häufig auftretende Symptome. Die Krankheit kann in jedem Alter auftreten. Laut Dr. Glauner sind die meisten seiner Patienten bei der Diagnose zwischen dem zwanzigsten und fünfundzwanzigsten Lebensjahr. Er sagt, ein erstes Anzeichen sei das Gefühl, irgendetwas stimme nicht. Ein Gefühl der Bedrohung überkommt die Betroffenen. Auch andere Beschwerden wie Schlafstörungen, Ruhe- und Freudlosigkeit oder ein Gefühl der Anspannung können auftreten. Da dies sehr unspezifische Symptome sind und auch auf andere Krankheitsbilder zutreffen, erschwert es das frühzeitige Diagnostizieren einer Schizophrenie.
„Interessanterweise suchen Betroffene oft nicht direkt einen Arzt auf, da sie nicht ahnen, dass es eine Krankheit sein könnte. Manche Patienten gehen erst zum Anwalt oder wenden sich an einen Geistlichen, da sie möglicherweise eine spirituelle Krise dahinter vermuten.“
“Ich fühlte mich von mehreren Gruppen in der Stadt beobachtet und verfolgt.” berichtet Klaus Gauger von seinen ersten Anzeichen der Krankheit. Das frühzeitige Erkennen einer Schizophrenie ist entscheidend. „Je später die Diagnose, desto schlechter die Prognose“, so Dr. Glauner. Bei noch nicht vollständig ausgeprägten Krankheitssymptomen ist psychotherapeutisch noch vieles möglich. Eine medikamentöse Behandlung ist dann nicht die erste Behandlungsoption.
Ab in die Geschlossene?
Zu einer Einweisung in eine Psychiatrie rät Dr. Glauner dann, wenn eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt, zum Beispiel wenn der Betroffene meint, sich gegen imaginäre Bedrohungen wehren zu müssen oder eine Gefährdung des eigenen Lebens durch Suizid oder psychosebedingte Fehlhandlungen besteht. „Statistisch gesehen ist ein Mensch mit Schizophrenie ungefähr so gefährlich für Außenstehende, wie ein angetrunkener Jugendlicher“ fährt Dr. Glauner fort und fügt hinzu: „Man kann eine gewisse Gefährdung für Dritte nicht komplett ausschließen, aber diese ist moderat. Die überwiegende Mehrheit der Patienten stellt solch eine Bedrohung nicht dar.“
Laut des Schweizer Psychiaters Eugen Bleuler, welcher Anfang des 20. Jahrhunderts tätig war, sind circa zwei Drittel der Erkrankten durch den Verlauf der Psychose im Stande, ein normales und selbstständiges Leben zu führen. Hierbei ist es entscheidend, dass die Betroffenen lernen, mit der Krankheit umzugehen, darüber aufgeklärt sind und eine professionelle Behandlung in Anspruch nehmen.
Eugen Bleuler
Eugen Bleuler war ein Schweizer Psychiater, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele Erkenntnisse über das innere Erleben seiner Patienten mit Schizophrenie dokumentierte. Er war es auch, der den Begriff Schizophrenie für die Psychose mit ähnlichen Symptom-Konstellationen prägte.
Dahingegen ist die Suizidrate bei Menschen mit Schizophrenie, besonders nach dem ersten Krankheitsschub, deutlich erhöht. Dr. Glauner erklärt, dies sei darauf zurückzuführen, dass die Betroffenen mit dem Erlebten nicht umgehen können. Oft spielen auch Scham und Schuldgefühle dabei eine Rolle. Insbesondere nach der Entlassung einer stationären Behandlung weisen Patienten ein hohes Risiko der Suizidalität auf.
„Die Frage“ von FUNK hat eine Reportage zu Schizophrenie veröffentlicht.
Woher kommt eine Schizophrenie?
Bis heute ist nicht abschließend geklärt, wie eine Schizophrenie zustande kommt. Zu den Risikofaktoren und möglichen Ursachen zählt die Genetik, das ergab eine Studie. Menschen, die mit einer Person mit Schizophrenie verwandt sind, haben erwiesenermaßen ein höheres Risiko, selbst zu erkranken. Dies ist aber keine ausschließliche Ursache. Eine veränderte Gehirnstruktur, beispielsweise durch Hirnschädigungen, die bereits bei der Geburt entstehen können, kann ebenso eine Ursache sein. Dabei treten Störungen der Stoffwechselprozesse zwischen den Nervenzellen auf, welche eine fehlerhafte Informationsverarbeitung mit sich bringen und Symptome einer Schizophrenie hervorrufen können.
Zusätzlich kann der Konsum von Cannabis durch das darin enthaltene THC den Weg für den Ausbruch der psychischen Krankheit ebnen. Laut Experten lässt sich Schizophrenie nicht endgültig heilen, die Symptome können jedoch durch eine Behandlung gemindert werden. Dass es sich hierbei um eine medikamentöse Behandlung handelt, ist in so gut wie allen Fällen unumgehbar.
Inklusion statt Exklusion
Der Betroffene Klaus Gauger betont noch einmal, dass es keine Lösung sein kann, Betroffene auszugrenzen, zu stigmatisieren und sozial zu benachteiligen. „Menschen mit Schizophrenie sind oft weder dumm noch faul und können, wie gesunde Menschen auch, erfolgreich arbeiten und sozial partizipieren.”
Abschließend empfiehlt Dr. Glauner den Film „Das weiße Rauschen“.
„Der Film zeigt eine nüchterne und klare Darstellung, wie eine erste Krankheitsphase der Psychose verlaufen kann.“ Durch soziale Plattformen wie TikTok oder Instagram werden immer häufiger Themen wie psychische Krankheiten enttabuisiert und den Nutzern näher gebracht. Auch Dr. Glauner hofft, dass sich durch die steigende Auseinandersetzung von nicht Betroffenen, die Vorurteile und Stigmatisierung in Zukunft eingrenzen werden.
Text: Max Eichler Titelbild: Max Eichler, Clara Stein