Das Weltecho steht unter Druck und kämpft wie viele andere Clubs in Chemnitz ums Überleben. Trotz des bevorstehenden Kulturhauptstadt-Jahres stellt sich die Frage, ob es bald seine Türen schließen muss. Im Interview mit medienMITTWEIDA erläutert Nane Neukirchner die Ursachen der Existenzkrise der subkulturellen Szene.
Das Weltecho in Chemnitz ist ein Kulturzentrum, das künstlerische und musikalische Aktivitäten miteinander verbindet. Es bietet eine Zahl von Veranstaltungen, darunter Konzerte, Partys, Filmvorführungen und Ausstellungen. Die Einrichtung fungiert als Treffpunkt für Kunst- und Kulturinteressierte und bietet eine Plattform für kreative Ausdrucksformen. Das Weltecho setzt sich zusammen aus dem Das Ufer e.V, der den Club, das Studio, die Hofbar und das Kino stellt, sowie dem Oscar e.V., welcher das Café und die Galerie leitet.
Nane Neukirchner ist 21 Jahre alt und absolviert seit August 2023 ihren Bundesfreiwilligendienst im Kulturzentrum Weltecho. Dabei erhält sie Einblicke hinter die Kulissen des Veranstaltungsortes und erklärt uns, weshalb das Weltecho um seine Existenz kämpfen muss.
Nane Neukirchner im Hof des Weltecho-Gebäudes. Foto: Emma-Leonie Kmoch
Wie finanziert sich das Weltecho?
„Das Weltecho hat eine Kulturförderung von der Stadt, aber das bekommt nicht das Weltecho direkt, sondern der Ufer-Verein. Also in dem Haus, wo auch das Weltecho ist, sind insgesamt acht Vereine – einer davon ist der Ufer-Verein und der bekommt eine Kulturförderung. Es ist so, dass eigentlich alles finanziert wird – auch die Gelder der Festangestellten, die Löhne und wie unser Barpersonal bezahlt wird. Ansonsten sind die Bareinnahmen unsere Haupteinnahmequelle – die kommen also on top zur Kulturförderung. Der Oscar e.V., der für das Café und die Galerie verantwortlich ist, bekommt nochmal eine eigene Kulturförderung.“
Wie geht der Weltecho-Club mit den steigenden Preisen um, die noch der Corona-Pandemie beziehungsweise der Inflation zuschulden sind?
„Wir wollen eigentlich zeigen, dass man Preise hat, die eben nicht hoch sind – dass es eine Veranstaltung für alle Personen sein kann und für alle Menschen, die vielleicht auch kulturell ausgeschlossen sind und sich das sonst nicht leisten können. Das Ding ist aber, dass wir natürlich auch finanzielle Schwierigkeiten haben durch Inflation und vor allem hohe Mieten, für die auch ein großer Teil der Kulturförderung draufgeht. Aus diesem Grund haben wir uns auch schon oft mit der GGG (Grundstücks- und Gebäudewirtschafts-Gesellschaft m.b.H.) getroffen, dass wir niedrigere Mieten bekommen, damit wir unsere niedrigeren Preise behalten können. Aber das können wir sowohl an der Bar, als auch bei den Eintrittspreisen leider nicht mehr garantieren. Die Preiserhöhung war ein schleichender Prozess. Erst waren es nur ein paar Cent, die wir höher gehen mussten und mittlerweile ist es dann schon so offensichtlich, dass man mitbekommt, dass nicht mehr so viel gekauft wird. Hier und da kommt dann auch mal ein Kommentar. Das ist dann für Barpersonal und Festangestellte irgendwie auch nicht so cool, weil wir uns sehr viel Mühe geben, dass es ein Platz für alle ist. Wir haben auch einmal im Monat eine kostenlose Party, was eigentlich auch gar nicht mehr finanziell möglich wäre, aber wir machen es eben trotzdem. Das Weltecho ist das größte Kulturzentrum in Chemnitz und eine riesige Anlaufstelle für Menschen. Da hätten wir uns von der Stadt einfach mehr Zuspruch und einen Schritt auf uns zu gewünscht.“
Was hat sich für den Veranstaltungsort geändert, seitdem feststeht, dass Chemnitz nächstes Jahr Kulturhauptstadt wird?
„Gar nicht so viel. Also man erlebt schon mehr Nachfrage, so wie ich das immer mitbekomme. Zum Beispiel ältere Herrschaften, die dann tagsüber mal so in den Hof reinspaziert kommen. Diese Leute fragen dann natürlich ein bisschen was nach. Aber das, was wir geplant haben, findet dann wirklich erst nächstes Jahr statt. Also wir haben Gelder, die wir dann nächstes Jahr ausgeben können, aber nichts, was uns jetzt bereits unterstützen würde. Soweit ich weiß, merken auch andere Kulturvereine davon noch nichts.“
Kulturhauptstadt 2025
Der Titel „Kulturhauptstadt Europas“ wird seit 1985 jedes Jahr an zwei Städte verliehen. Deutschland und Slowenien tragen 2025 diesen Titel mit Chemnitz und Nova Gorica. Die Auswahl erfolgt durch einen mehrstufigen Bewerbungsprozess, begleitet von der Europäischen Kommission. In Deutschland trugen zuletzt West-Berlin (1988), Weimar (1999) und Essen/Ruhr (2010) den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“.
Um ausgewählt zu werden, müssen die Städte ein Konzept vorlegen, wie sie Kultur als Motor für die Entwicklung der Stadt nutzen können. Es geht um die Schaffung eines kreativen Klimas für das urbane Leben der Zukunft und darum, sich als Teil Europas zu positionieren. Jedes Jahr demonstrieren zwei europäische Städte, wie sie lokale Besonderheiten und Herausforderungen in eine nachhaltige Strategie umwandeln.
Wie schätzt du denn persönlich die Zukunft der Chemnitzer Clubszene ein? Denkst du, es wird aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten dazu kommen, dass Clubs schließen müssen?
„Das streut schon Salz in die Wunde, weil das wirklich die Angst vom Weltecho ist. Es ist einfach super, super schwer. Die Leute gehen seit Corona nicht mehr wirklich feiern. Es ist dann eher cooler, Freitagabend zu Hause zu chillen und seine Ruhe zu haben und nicht mehr so lange wach zu sein. Da wird einfach nicht mehr so viel Geld investiert und das merkst du als Club auch voll. Früher hatten wir Partykonzepte, die eigentlich immer funktioniert haben, aber mittlerweile kann man sich darauf nicht mehr verlassen. Zum Beispiel bei ‚Cheers Queers‘ hast du nur noch so 50 Leute da, wenn überhaupt. Früher waren circa 150 immer da. Es hat sich total reduziert.
Mein Gefühl ist tatsächlich schon so, dass Clubs in Chemnitz schließen könnten beziehungsweise, dass da auf jeden Fall eine große Gefahr besteht, wenn da nicht mehr von der Stadt kommt, wenn nicht mehr kooperiert wird. Weil es einfach überhaupt nicht möglich ist, das selbst zu finanzieren. Das ist tatsächlich schon eine ziemliche Angst von mir. Wir bekommen das ja auch aus dem Atomino mit. Das hat ein ähnliches Publikum und ähnliche Veranstaltungen wie wir – Pop, Rap, Indie. Da hofft man einfach auf gegenseitige Unterstützung, dass es nicht zu einem Sterben kommt. Gerade beim Weltecho wäre das unfassbar schade, wenn das für die Stadt wegfallen würde.“
Denkst du, das steht irgendwie im Kontrast zu dem Titel „Kulturhauptstadt 2025“?
„Ja, ich hätte schon gedacht, dass wir Unterstützung von der Stadt bekommen – wir sind das Kulturzentrum in Chemnitz. Warum merkt man denn jetzt noch nichts? Das Nachtleben wird da irgendwie ausgeklammert, was ich überhaupt nicht verstehe. Das ist irgendwie komplett paradox, dass wir Kulturhauptstadt werden und man eigentlich überhaupt nichts davon mitbekommt. Man erhofft sich dann ja natürlich schon irgendeine geldliche Unterstützung oder dass sich Politiker*innen für die subkulturelle Szene in Chemnitz einsetzen. Wir hatten vor kurzem zum Beispiel eine öffentliche Talkrunde mit Politiker*innen in Bezug auf die Wahlen, wo man auch als Bürger*in zuhören konnte. Da hat man schon ein bisschen Frust gemerkt, dass diese Kultur vernachlässigt wird, obwohl Chemnitz eigentlich für Kultur steht.
Das Nachtleben in Chemnitz wird ab nächstem Jahr nochmal was anderes werden. Darauf sind wir alle und auch die Infrastruktur in Chemnitz nicht vorbereitet, denke ich. Es wird spannend, ich freue mich natürlich auch darauf, weil ich glaube, dass viele Menschen kommen werden – zumindest hoffe ich auf sehr viele Menschen, auf sehr viel Austausch. Wir haben auch schon ab und zu internationales Publikum im Weltecho, aber ich hoffe, dass es nächstes Jahr noch mehr zunimmt und dass man merkt, dass Chemnitz einfach Potenzial hat und offene Menschen und der Ruf, den die Stadt hat, gar nicht der ist, der er zu sein scheint.“
Bevor das Kulturhauptstadt-Jahr für Chemnitz startet, stehen noch die Kommunalwahlen an. Wie würde sich denn zum Beispiel ein Wahlerfolg der AfD auf die Clubkultur auswirken?
„Ich glaube, das würde nach hinten losgehen, dann würde die Stadt einfach einschlafen. Das ist genau das, was wir jetzt nicht gebrauchen können – vor allem nicht vor 2025. Da würden uns einfach super viele Möglichkeiten und Perspektiven genommen werden. Es könnte noch viel Potenzial ausgeschöpft werden, was aktuell noch im Untergrund schlummert. Aber wenn die AfD wirklich gewählt werden sollte, dann verschreckt es auch vor allem die jungen Leute, bei denen man eigentlich froh sein kann, dass die noch da sind.
Auch bei unserem Wählerforum haben wir die AfD nicht eingeladen, die haben keinen Platz bei uns bekommen, genauso wie die Freien Sachsen. Danach gab es sofort auf Telegram einen großen Aufruf der Freien Sachsen, das Weltecho zu stürmen. Das Weltecho stand dann tatsächlich unter Polizeischutz. Die Freien Sachsen waren nämlich an dem Tag auch da, haben vor unserem Tor gewartet und gefilmt, was einen dann natürlich schon beängstigt.
Wir positionieren uns sehr klar gegen rechts. Das Weltecho ist ein linker Verein und würde dann natürlich mit als erstes unter den Folgen leiden. Wir haben jetzt schon viele Hürden, die wir irgendwie überwinden müssen und ein Wahlerfolg einer rechten Partei wäre dann einfach das i-Tüpfelchen obendrauf. Ich will eigentlich gar nicht daran denken, weil damit so ein Frust einhergeht. Das macht einem schon Angst, weil du weißt, dass die Gelder dann natürlich nicht in die Clubs investiert werden würden. Aber ich glaube nicht, dass, wenn wirklich die AfD gewählt werden würde, wir als Weltecho uns da so schnell unterbuttern lassen. Ich glaube, dann würde einfach nur noch mehr gekämpft werden.“
Gibt es Lösungsansätze, wie die genannten Schwierigkeiten gelöst werden könnten, sodass die Clubkultur in Chemnitz aufrechterhalten wird?
„Stark bleiben, durchbeißen, sich nicht unterkriegen lassen und für das einstehen, für das man kämpfen möchte. Was man als Privatperson auf jeden Fall machen kann, ist sich für Kultur zu interessieren oder dem Verein vom Weltecho beizutragen oder eine kleine Spende dazulassen. Auch wenn man das nötige Kleingeld nicht hat, kann man trotzdem vorbeikommen. Wir haben fast dauerhaft geöffnet und da kann man sich einfach mit uns in den Austausch begeben. Manchmal ist es auch einfach ein Lob oder ein toller Kommentar zu Veranstaltungen oder zu dem Haus – einfach etwas, was uns als Veranstalter*innen Motivation geben könnte, dass man sieht, dass es wertgeschätzt wird, was man hier leistet. Klar sehen wir auf Instagram oder Tiktok die ganzen Zahlen, aber wenn am Ende niemand zur Veranstaltung kommt oder der Hof leer ist, dann fragt man sich schon ‚War das jetzt irgendwie ein falsches Konzept?‘ oder ‚Hätte man es anders promoten können?‘ Aber wenn man Feedback von außen bekommt, dann ist es richtig motivierend, das bringt einfach positive Energie und Motivation weiterzumachen.“
Kurzkommentar der Autorin
Rettet das Herzstück der urbanen Kultur!
Chemnitz wird 2025 Kulturhauptstadt Europas sein, eine Auszeichnung, die große Chancen für die Stadt bringt – internationale Aufmerksamkeit, Verbesserung der Infrastruktur und wirtschaftliche Entwicklung. Doch trotz des kulturellen Aufschwungs sind die Clubs in Chemnitz vom Aussterben bedroht. Dadurch, dass ich mich selber bei Clubveranstaltungen engagiere, habe ich schon vor längerer Zeit mitbekommen, dass es den Clubs immer schwieriger fällt, ihre Tanzflächen zu füllen. Als Veranstalter*in versucht man jedes Mal, sich neu zu erfinden und neue Partykonzepte auszuklügeln. Abnehmendes Interesse des Publikums, aber auch die erhöhten Preise machen es den Betreiber*innen schwer, ihre Clubs am Leben zu erhalten. Diese sind jedoch essentiell für das kulturelle Leben der Stadt und bieten Raum für kreative Entfaltung und soziale Begegnungen. Das Nachtleben spielt für mich persönlich eine große Rolle – Menschen kennenlernen, den Alltag vergessen und einfach die Musik erleben. Besonders junge Menschen würden wichtige Orte der Begegnung und auch des Ausdrucks verlieren. Daher ist es dringend notwendig, Unterstützung und Förderungen für diese Clubs bereitzustellen.
Ich möchte gar nicht schlecht reden, dass Chemnitz Kulturhauptstadt wird. Ich finde es sogar toll, dass eine Stadt aus Sachsen dafür gewählt wurde – eine Stadt, über die größtenteils negativ berichtet wird, in der man aber anscheinend doch Potenzial sieht. Ich erinnere mich noch an den Livestream, in dem das Ergebnis der Jury bekannt gegeben wurde – unmittelbar nach der Verkündung erleuchtete ganz Chemnitz im Glanz der Vorfreude und Motivation. Das ist nun vier Jahre her und 2025 rückt immer näher. Ich bin der Meinung, dass Initiativen und Programme, die den Erhalt des Nachtlebens sichern, gefördert werden müssen. Nur so kann Chemnitz seiner Rolle als Kulturhauptstadt gerecht werden. Die Clubs sind nun mal das Herzstück der urbanen Kultur und müssen bewahrt werden.
Text und Fotos: Emma-Leonie Kmoch