Hyrox

Von Wadenkrämpfen, Wallballs und dem Willen ins Ziel zu kommen

von | 29. November 2024

Die Event-Sportart Hyrox verbindet Kraft und Ausdauer in einem extrem harten Wettkampf. Wie bereitet man sich darauf vor? Und was macht Hyrox so anspruchsvoll? Ein Interview.

Tausend schwitzende und keuchende Menschen in einer großen Messehalle, die darum kämpfen, möglichst schnell die Ziellinie zu überqueren – das ist Hyrox. Es wird als das Sportevent beworben, das für jeden Körper gemacht sein soll. Die 21-jährige Studentin Marie war im November diesen Jahres das erste Mal bei einem Hyrox-Event in Hamburg dabei. Für sie hat Sport schon immer eine wichtige Rolle gespielt – doch auch sie kam bei diesem Wettbewerb an ihre Grenzen.

Was ist Hyrox überhaupt?

Die 2017 in Deutschland entstandene Event-Sportart Hyrox ist ein internationaler Wettkampf, der Kraft und Ausdauer vereint. Die Teilnehmer absolvieren acht verschiedene Kraftstationen, zwischen denen sie jeweils einen Kilometer laufen.

Der Wettbewerb beginnt mit einem Kilometer Laufen, gefolgt vom Ski-Ergometer. Mithilfe eines Skisimulators wird an dieser Station eine Strecke von 1.000 Metern zurückgelegt – ähnlich einer Langlaufbewegung. Anschließend wechseln sich Laufrunden von einem Kilometer und Kraftstationen in einer festen Reihenfolge weiter ab. Die nächste Kraftstation besteht im Sled-Push, bei dem ein schwerer Schlitten über eine vorgegebene Distanz geschoben wird. Danach schließt der Sled-Pull an, bei dem ein Schlitten mit Hilfe eines Seils gezogen wird. Darauf folgen Burpee Broad Jumps, eine Kombination aus Burpees und Weitsprüngen. Im Anschluss geht es ans Rudern. Tausend Meter werden hier auf dem Ergometer zurückgelegt. Beim darauffolgenden Farmers Carry nehmen die Teilnehmer je ein schweres Gewicht in jede Hand und tragen diese über eine bestimmte Strecke. Die vorletzte Station besteht aus Lunges, bei denen Ausfallschritte mit einem Gewicht auf den Schultern ausgeführt werden. Den Abschluss bilden die sogenannten Wall-Balls, bei denen Medizinbälle gegen eine markierte Stelle nach oben geworfen werden.

Mitmachen können Teilnehmer sowohl als Einzelstarter, im Paar oder Vierer-Teams. Im Doppel lassen sich die Aufgaben aufteilen – so kann beispielsweise ein Teammitglied mehr rudern, während das andere die Burpees übernimmt. Diese Flexibilität ermöglicht es, persönliche Stärken einzusetzen, um den Wettkampf zu meistern.

WAS HAT DICH DAZU BEWEGT, HYROX AUSZUPROBIEREN?

Ich bin in einer sportlichen Familie aufgewachsen und meine fünf Jahre ältere Schwester war immer mein Vorbild. Alles, was sie gemacht hat, wollte ich auch ausprobieren. Von Hip-Hop bis Akrobatik und Leichtathletik. Bei Leichtathletik bin ich dann hängen geblieben – es hat mir am meisten Spaß gemacht. Mit 14 habe ich mich dann eher im Wurfbereich entwickelt und bin zum Hammerwurf gekommen. 2021 habe ich an den Deutschen Meisterschaften teilgenommen. Jetzt mache ich das nur noch als Hobby und will mich, was Sport angeht, mehr ausprobieren. Durch eine Freundin bin ich letztendlich auf Hyrox aufmerksam geworden und mir wurde gesagt, dass das genau mein Ding sein könnte – die Mischung aus Kraft und Ausdauer. Letztendlich habe ich vor ein paar Wochen an meinen ersten Hyrox teilgenommen. 

WAR SOCIAL MEDIA FÜR DICH AUCH EIN FAKTOR, DER HYROX FÜR DICH BESONDERS INTERESSANT GEMACHT HAT?

Ja, auf jeden Fall. Die ganzen Videos zu sehen, wie die Teilnehmer sich da durchkämpfen und am Ende richtig freuen – das hat mich beeindruckt. Wenn man das Ziel erreicht, bekommt man einen Patch, auf dem der Name der Stadt steht, in der das Hyrox stattgefunden hat. Den kannst du dann zum Beispiel an deinen Rucksack anbringen. Das fand ich als Erinnerung echt toll.

WIE UNTERSCHEIDET SICH HYROX VON ANDEREN FITNESS-WETTKÄMPFEN, DIE DU AUSPROBIERT HAST?

Mir ist aufgefallen, dass die Startgebühr sehr hoch ist. Sie liegt zwischen 80 und 100 Euro – das ist schon ziemlich teuer. Was mich andererseits begeistert, ist, dass das Event weltweit stattfindet. Es gibt auch Wettkämpfe in Amerika oder in Dublin, Barcelona und vielen weiteren Städten. Das empfinde ich als eine großartige Möglichkeit, das Event mit dem Reisen zu verbinden. Auch der Zusammenhalt bei Hyrox ist großartig – die Stimmung ist einfach super. Alle feuern sich gegenseitig an, unterstützen sich, sodass man irgendwie ins Ziel kommt.

Wenn man ganz vorn mit dabei sein möchte, also unter die Top 3 kommen will, muss man intensiv und hart trainieren. Die große Spanne bei den verschiedenen Altersgruppen, beispielsweise von 16 bis 24 Jahren, ist einer der Aspekte, die zu der hohen Konkurrenz beitragen. Die Teilnehmerzahl ist auch ziemlich beeindruckend. Die Events sind immer komplett ausgebucht und in der Regel bekommst du eine Woche vor dem Event kein Ticket mehr – es sei denn, jemand fällt kurzfristig aus und verkauft sein Ticket. Es sind auf jeden Fall mindestens 1000 Teilnehmer dabei. 

MIT WELCHEM ZIEL BIST DU BEI HYROX AN DEN START GEGANGEN?

Mein Hauptziel war es, es überhaupt ins Ziel zu schaffen. Ich wollte es schaffen, ohne einen Wadenkrampf zu bekommen oder mich völlig an meiner Ausdauer zu verausgaben. Viele steigen an einer Station aus, weil sie einfach nicht mehr können oder es ihnen plötzlich schlecht geht. Eine Freundin von mir hatte bei ihrem ersten Wettkampf auch einen Wadenkrampf, aber sie hat trotzdem weitergemacht. Ich wollte einfach ohne größere Schmerzen durchhalten und das hat zum Glück gut funktioniert.

WIE SAH DEIN TRAINING FÜR HYROX AUS?

Ich habe meine Ausdauer nochmal deutlich verbessern können und dieses Jahr sogar meinen ersten zehn Kilometer Lauf geschafft. Hätte mir jemand vor zwei Jahren erzählt, dass ich das schaffe, dem hätte ich einen Vogel gezeigt. 

Um meine Grundlagenausdauer zu verbessern, habe ich einmal pro Woche einen längeren Lauf gemacht. Außerdem habe ich alle zwei Wochen an einem Hyrox-Kurs teilgenommen, um mit einem professionellen Trainer an den Workouts zu arbeiten und mein Training zu intensivieren. Ebenso habe ich gezielt an den Techniken der einzelnen Übungen gearbeitet, denn beim Hyrox gibt es spezielle Regeln, die man beachten muss, um keine Zeitstrafe zu bekommen. Wallballs habe ich auch sehr oft geübt und generell meine Kraft verbessert.

INWIEWEIT WAR DIE VORBEREITUNG AUF DEN WETTKAMPF MIT DEINEM STUDIUM VEREINBAR?

Ja, das war eine große Herausforderung. Ich hatte mich im Februar für das Event im November angemeldet und damit fiel die Vorbereitung natürlich auch mit in die Studienzeit. So ein Training dauert mindestens eine Stunde. Deshalb habe ich dann entweder vor dem Studium oder noch am Abend trainiert. Das war schon nicht einfach, aber ich hatte ein klares Ziel vor Augen. Ich wollte gut durchkommen und hatte auch echt Lust auf das Event. Wenn man ein klares Ziel hat, dann denkt man sich: „Ich mache das aus einem guten Grund.“ Das hat mir geholfen und so wurde es von Mal zu Mal leichter.

HYROX GILT ALS FITNESS-EVENT „FÜR JEDEN“. WIE ZUGÄNGLICH FINDEST DU HYROX FÜR MENSCHEN MIT VERSCHIEDENEN KÖRPERLICHEN VORAUSSETZUNGEN?

Aus meiner Sicht haben bei dem Event Menschen mit den unterschiedlichsten Fitnessniveaus teilgenommen – auch solche, die auf den ersten Blick nicht besonders sportlich wirkten. Viele haben sich einfach angemeldet und ohne große Vorbereitung teilgenommen. Deswegen gibt es wahrscheinlich auch diesen Slogan, dass es für jeden geeignet sein soll. Es gibt keine Qualifikation, die du vorher schaffen musst. Du kannst dich einfach anmelden und dann kann es losgehen. Jeder kann sich so viel Zeit nehmen, wie er möchte – selbst wenn er erst nach drei Stunden das Ziel erreicht. Es ist völlig in Ordnung, zwischendurch zu gehen, anstatt zu joggen und auch an den Kraftstationen kannst du kurz durchatmen, bevor du weitermachst. Entlang der Strecke gab es zudem ausreichend Getränke-Stationen, an denen die Teilnehmer etwas trinken und eine kleine Pause einlegen konnten.

GLAUBST DU, DASS HYROX ALS LEISTUNGSORIENTIERTER EVENTSPORT AUF WENIGER FITNESSAFFINE MENSCHEN ABSCHRECKEND WIRKEN KÖNNTE?

Ich denke schon. Ich hatte anfangs auch den Gedanken im Kopf: „Oh Gott, was denken die von mir, wenn ich das hier mitmache?“ Ich dachte, dass man mir ansieht, dass ich zum ersten Mal dabei bin – doch letztlich interessiert das die Anderen überhaupt nicht. Sobald du die Halle betrittst, spürst du sofort diese große gegenseitige Unterstützung und Euphorie. Das ist so ein tolles Teamgefühl, denn jeder hat Lust auf das Event und jeder hat Spaß daran und will einfach das Ziel erreichen. Aber ja, ich denke, für viele, die das zum ersten Mal machen, kann das Event auch abschreckend wirken.

Marie beim Wagendrücken, auch Sled Push genannt. (Foto: © sportograf

WELCHE KÖRPERLICHEN UND MENTALEN HERAUSFORDERUNGEN BRINGT HYROX MIT SICH, UND WIE GEHST DU PERSÖNLICH DAMIT UM?

Körperlich ist das Hyrox auf jeden Fall sehr anstrengend. Ich hatte nach dem Event eine halbe Woche lang Muskelkater. Deine Beine sind danach total schwer und zu. Die große Anstrengung bemerkt man eigentlich schon in der Vorbereitung. Die Trainingseinheiten sind immer sehr intensiv und fordern deine Ausdauer sehr. 

Eine besondere Herausforderung beim Hyrox besteht darin, nach einer Kraftstation direkt ins Laufen überzugehen. Es ist schwer in die Laufbewegung zu kommen, wenn du vorher beispielsweise 50 Meter einen schweren Wagen gedrückt hast. Meine Beine konnten nicht mehr und da dachte ich: „Wie soll ich bloß die anderen Stationen noch schaffen?“ Aber das Laufen hat am Ende echt gut getan, um die Muskeln aufzulockern.

Gedanklich hast du ständig Angst, dass du aufgeben wirst. Andererseits denkst du dir aber auch, dass du nicht aufgeben darfst, weil du schon so weit gekommen bist. Ich habe versucht, mich mental von Station zu Station weiter zu hangeln.  So kommt man irgendwann bei der letzten Station an und denkt sich: „Komm, die Letzte ziehst du jetzt auch noch durch, dann hast du es geschafft.“

WARUM, GLAUBST DU, ZIEHT UNSERE GENERATION UND SOCIAL MEDIA IMMER MEHR MENSCHEN ZU EXTREMSPORTARTEN WIE HYROX, MARATHON ODER RENNRADFAHREN?

Ich glaube, das hat viel mit Social Media zu tun und mir fällt auf, dass der Trend in Richtung Abwechslung geht. Viele haben keine Lust mehr drauf, nur ins Gym zu gehen und Krafttraining zu machen. Das war vor Corona im Hype. Jetzt entwickelt es sich langsam dahin, dass Viele etwas Neues oder Anderes ausprobieren wollen, damit es nicht zu eintönig wird. Mittlerweile gibt es Viele, die verschiedene Sportarten ausprobieren und das auf Social Media präsentieren. Dabei möchten sie das Krafttraining nicht komplett aufgeben, aber es auch nicht als einzigen Sport betreiben. Daher passt auch das Hyrox mit seinem Mix aus Kraftsport und Ausdauer gut rein. Aktivitäten wie Hyrox oder ein Marathon sind etwas Extremeres, das nicht jeder macht. Viele sehen darin eine spannende Herausforderung, um ihre Grenzen auszutesten und zu sehen, was sie leisten können. 

WÜRDEST DU NOCHMAL AN EINEM HYROX-EVENT TEILNEHMEN?

Ja, ich habe noch ein Ticket für das Event in Frankfurt ergattern können, das am 14. und 15. Dezember stattfindet. Am 15. Dezember werde ich also wieder an den Start gehen.

Mir macht dieser Mix aus Ausdauer- und Kraftsport viel Spaß. Für nächstes Jahr habe ich auch schon ein weiteres Hyrox-Event in Köln im Kopf, an dem ich wieder teilnehmen möchte. Nach dem Studium habe ich vor, für eine gewisse Zeit nach Amerika zu gehen. Dort würde ich auch gern an einem Hyrox teilnehmen und schauen, welche Unterschiede es gibt.

WAS WÜRDEST DU JEMANDEM RATEN, DER ZUM ERSTEN MAL AN EINEM HYROX-EVENT ODER EINEM ANDEREN GROSSEN SPORTEVENT TEILNEHMEN MÖCHTE?

Man sollte sich nicht zu sehr unter Druck setzen. Jeder hat bestimmte Erwartungen an den eigenen Körper, doch am Ende geht es vor allem darum, Spaß zu haben. Das Hauptziel sollte sein, sein Bestes zu geben und die ganzen Emotionen auf sich wirken zu lassen. Es hilft, den reinen Fokus auf Leistung einmal loszulassen und den Moment einfach zu genießen – genau das hat mir letztlich auch geholfen. Wenn man das Ziel erreicht, sollte man stolz auf sich sein, es geschafft zu haben, anstatt nur kritisch auf die Zeit zu schauen.

Kurzkommentar der Autorin

Ein Sportevent für Jeden? Das Hyrox und seine Grenzen

Die Trend- und Event-Sportart Hyrox ist bekannt für seine anspruchsvolle Kombination aus Ausdauer und Kraft. Sie zieht immer mehr Fitnessbegeisterte an, die sich selbst an ihre Grenzen bringen wollen. Beworben wird es allerdings als das Fitnessevent für jeden Körper. Doch bei näherer Betrachtung stellt sich die Frage, ob ein solch leistungsorientiertes Event tatsächlich für alle zugänglich ist. 

Die erste Hürde zeigt sich schon bei den Kosten: Mit Ticketpreisen zwischen 50 und 100 Euro ist allein die Teilnahme ein teures Vergnügen. Hinzu kommen die Ausgaben für Anreise, Übernachtung und Vorbereitung, etwa in spezialisierten Hyrox-Gyms, die wiederum Lizenzgebühren für die Marke zahlen müssen. Besonders in einer Zeit, die von Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten geprägt ist, ist dieses Event für viele unerschwinglich.

Ein weiterer Aspekt ist die Frage nach der Inklusion: Menschen mit körperlichen Einschränkungen, wie etwa Rollstuhlfahrer*innen, haben zwar schon an Hyrox teilgenommen. Beispielsweise Karen Skålvoll, die an der Stoffwechselkrankheit Alpha-1-Antitrypsinmangel leidet, oder Maurice-André, der sich nach seiner Querschnittslähmung bis zur Hyrox-Teilnahme kämpfte. Jedoch gibt es bislang keine eigene Kategorie mit angepassten Übungen. Das Potenzial für mehr Inklusion wäre vorhanden, doch bisher bleibt Hyrox ein Event für eine fitte und finanziell gut aufgestellte Zielgruppe. 

Am Ende ist Hyrox nicht nur ein Sport, sondern vor allem ein kommerzielles Event, das von Marketing und zahlenden Teilnehmer*innen lebt. Die Idee, eine breite Zielgruppe anzusprechen, steht im Spannungsfeld zwischen Exklusivität und Zugänglichkeit. 

Text: Lilly Wende, Titelbild/Bild: © sportograf

<h3>Lilly Wende</h3>

Lilly Wende

ist 22 Jahre alt und studiert derzeit im 5. Semester im Bereich Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA engagiert sie sich im Team Lektorat seit dem Sommersemester 2024.