Interview

Eine atem(be)raubende Reise zum Dach der Welt

von | 10. Januar 2025

Grenzerfahrungen auf der Wanderung zum Basecamp des Mount Everests

Roberto (52) und Jeannine (49) begaben sich 2022 auf ein Abenteuer, welches nichts für schwache Nerven ist. Von einem gefährlichen Flug nach Lukla bis hin zu eisigen   Nächten in einfachen Teehäusern – Das Paar kämpfte sich durch die Strapazen der Höhenwanderung bis zum Basecamp des Mount Everests. Warum sie trotzdem keine Sekunde bereuen, erzählen die beiden im Interview mit medienMITTWEIDA.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, zum Basecamp zu wandern?

Roberto: Wir haben im Panometer in Leipzig eine Ausstellung von Yadegar Asisi über den Mount Everest gesehen. Da kam das erste Mal der Wunsch auf, diesen Berg mit eigenen Augen sehen zu wollen. Ich habe später durch Zufall herausgefunden, dass auch „Normalsterbliche“ bis zum ersten Basecamp wandern können.  Und damit war mir klar, dass ich zu meinem 50. Geburtstag dort oben sein will. 

Roberto, an seinem 50. Geburtstag, im 1. Basecamp des Mount Everests. Quelle: Privat

Wie habt ihr euch auf die Reise vorbereitet?

Roberto: Auf die Höhe kann man sich nicht vorbereiten. Was wir trainiert haben, war unsere Kondition. Wir wussten, es wird eine anstrengende Wanderung von 120 Kilometern mit insgesamt 10.000 Höhenmetern. Also sind wir zwei Monate vor der Reise wöchentlich zwei- bis drei Mal um die zwölf Kilometer gelaufen. Dabei hatte ich einen 17 und Jeannine einen 14 Kilogramm schweren Rucksack auf.

Wovor hattet ihr am meisten Respekt, als ihr die Reise angetreten seid?

Jeannine: Ich hatte am meisten Angst vor dem Flug von Kathmandu nach Lukla. Der Flughafen in Lukla gilt als einer der Gefährlichsten der Welt. Vor der circa 500 Meter langen Start- und Landebahn ist eine tiefe Schlucht und am Ende ein Felsmassiv. Ein paar Monate vor unserer Reise ist dort ein Flugzeug abgestürzt.

Roberto: Für mich war eher die Frage, wie wir in der Höhe zurechtkommen. Ignoriert man Anzeichen der Höhenkrankheit, kann das mit einem Hirnödem enden. Ich hatte aber eigentlich keine Angst vor der Reise, eher Vorfreude.

Wie lief der Flug zum gefährlichsten Flughafen der Welt ab?

Roberto: Die Piloten fliegen auf Sicht nach Lukla. Das bedeutet, wenn dichter Nebel reinzieht oder starker Wind aufkommt, können dort keine Flugzeuge landen. Das war bei uns der Fall – vier Tage lang ging kein einziger Flug. Danach war es natürlich super chaotisch, da viele  Touristen dort auf ihren Flug gewartet hatten. 

Jeannine: Es war alles sehr spartanisch. Die Sicherheitskontrolle war zum Beispiel hinter einem Vorhang. Wir haben selbst einen halben Tag dort gewartet, bis wir endlich an der Reihe waren. Wir liefen schon zum Flugzeug, als uns der Pilot entgegenkam und sagte, dass in Lukla jetzt zu viel Wind sei. Also warteten wir. Kurz darauf kam er wieder und meinte: „So, jetzt kann es losgehen.“ Natürlich denkt man sich dann erstmal „Wie jetzt? Ich dachte, dort ist Wind. Lass uns lieber hier bleiben.” Aber es ging alles gut.

Sicherheitskontrolle am Flughafen. Quelle: Privat

Wie habt ihr die Reise geplant oder war es eine geführte Tour, quasi ein „All inclusive-Paket“? 

Roberto: Wir hatten keinen Guide. Unser Ziel war es, alles komplett alleine zu machen. Wir haben uns selbst um den Flug, um Übernachtungen und um die Verpflegung gekümmert. Vor der Reise haben wir alle nötigen Medikamente besorgt. Während der Reise haben wir uns zusätzlich noch einen Sherpa, also einen Träger, genommen, der unser Gepäck getragen hat, da es einfach zu schwer wurde.

Wie habt ihr euch auf dem Treck verpflegt?

Jeannine: Man sollte in diesen Höhen drei bis vier Liter Wasser pro Tag trinken. Das mitzuschleppen wäre viel zu viel Gepäck gewesen. Deshalb entschieden wir, Wasser aus Quellen und Bächen zu trinken und haben uns vorher Chlortabletten für die Entkeimung des  Wassers besorgt. Je höher wir kamen, desto weniger Hunger hatten wir. Es gab in jeder Unterkunft etwas zu essen.

Wie lief die Wanderung zum Basecamp ab? Wo habt ihr übernachtet und wie waren die Unterkünfte?

Roberto: Die Wanderung sollte 14 Tage gehen. Jeden Tag haben wir eine Tour gemacht und sind somit von Ort zu Ort gewandert. Angefangen auf 2.800 Meter, haben wir uns täglich circa. 800 Höhenmeter hoch gearbeitet. Wir sind also früh losgelaufen, nachmittags im nächsten Ort angekommen und haben dort in sogenannten Teehäusern, ähnlich wie Hostels, übernachtet. Je höher wir kamen, umso einfacher wurden die Häuser und desto kälter wurde es. Auf 5.000 Metern waren es nachts minus 15 Grad Celsius. Unsere Wasserflaschen im Zimmer waren am Morgen tiefgefroren. Irgendwann haben wir angefangen, in unseren Wandersachen zu schlafen.

Jeannine: Ab dem fünften Tag habe ich meine Haare nicht mehr gewaschen, da es kein warmes Wasser gab, geschweige denn eine Heizung. Man zieht sich eigentlich auch nicht mehr wirklich um, da es einfach viel zu kalt ist. Ich habe mit Pullover, Daunenjacke, Mütze und Hose im Schlafsack und einer Decke drüber geschlafen.

Jeannine schläft warm angezogen. Quelle: Privat

Wie kamt ihr mit der Höhe zurecht? 

Roberto: Das Laufen fiel uns unglaublich schwer. Man hat wirklich nur noch ganz kleine Schritte und sehr viele Pausen gemacht. Da der Sauerstoffgehalt in der Luft immer geringer wurde, musste man mehr atmen, was auch sehr anstrengend war. Das Herz klopfte schnell und man hatte eigentlich täglich leichte Kopfschmerzen. Wir hatten eine Schrittgeschwindigkeit von einem Kilometer pro Stunde, schneller ging es wirklich nicht.

Jeannine: Auf 5000 Meter Höhe hatte ich die schlimmste Nacht meines Lebens. Sobald ich mich hingelegt hatte, habe ich schlecht Luft bekommen. Ich hatte in dieser Nacht das Gefühl zu ersticken und dadurch ziemliche Panikattacken. Ich versuchte im Sitzen zu schlafen und ruhig zu atmen. Aber es war auch unglaublich kalt und die Unterkunft war wirklich eklig, also wollte ich nicht wirklich aufstehen und habe mich so irgendwie durch die Nacht gequält.

Die Toilette im Hostel. Quelle: Privat

Weshalb stellt man sich freiwillig so einer Herausforderung?

Jeannine: Die Landschaft entlohnt alle Strapazen! Wir hatten so tolles Wetter, keinen Schnee und keinen Regen. Und diese riesigen Berge des Himalaya waren einfach nur fantastisch.

Roberto: Es ist schwer und anstrengend, aber man schafft es. Es war für mich einfach eine unglaubliche Reise – dieser Flug nach Lukla, diese Höhe und diese Grenzerfahrungen. Und dann stehst du davor – vor dem Everest, an deinem 50. Geburtstag, Wahnsinn! Obwohl man Kopfschmerzen hatte, kaum schlafen und nicht duschen konnte und es verdammt kalt war, haben wir kein einziges Mal daran gedacht, umzudrehen – einfach, weil die ganze Reise so ein unglaubliches Erlebnis war.

Jeannine und Roberto auf dem Weg zum Basecamp. Quelle: Privat

Text: Nancy Rasser, Titelbild: Privat

<h3>Nancy Rasser</h3>

Nancy Rasser

ist 22 Jahre Jahre alt und studiert derzeit im 5. Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA engagiert sie sich als Mitarbeiterin des Gesellschaftsressort seit dem Sommersemester 2024.