Kryptohandel

Die Sucht nach dem schnellen Geld

von | 17. Januar 2025

In wirtschaftlich unsicheren Zeiten streben junge Menschen nach finanzieller Unabhängigkeit. Die Verlockung schnellen Geldes ist groß, doch der Weg dorthin birgt große Risiken.

Innerhalb von drei Stunden aus 500 Euro 10.000 Euro zu machen, klingt verlockend, oder? Für Dobri ist das der Grund, warum er sich neben der Arbeit täglich fünf Stunden lang mit der Welt des Kryptohandels auseinandersetzt und Hobbys wie Kraftsport nahezu aufgegeben hat. „Durch Kraftsport kann ich mir mein Leben nicht finanzieren, durch den Handel mit Kryptowährungen eben schon“, sagt er. Was dabei schnell in den Hintergrund gerät: Er geht dabei ein hohes Risiko ein. Dieses besteht nicht nur aufgrund der heftigen Kursschwankungen, sondern auch, weil der Kryptohandel süchtig machen kann.

Was sind Kryptowährungen?

Bei einer Kryptowährung handelt es sich um ein digitales Zahlungsmittel. Die wohl größte und bekannteste Kryptowährung ist der 2009 eingeführte Bitcoin. Sie basiert genau wie andere Kryptowährungen auf der Blockchain-Technologie, einer dezentralen und transparenten Datenbank, die alle Transaktionen dauerhaft und fälschungssicher speichert.

Die Entstehung von Bitcoin erfolgt durch sogenanntes „Mining“. Dabei lösen leistungsstarke Computer komplexe mathematische Aufgaben, um Transaktionen zu bestätigen und neue Blöcke in der Blockchain hinzuzufügen. Dieses Verfahren ist äußerst energieintensiv und wird meist in Ländern mit niedrigen Stromkosten betrieben.

Bitcoins können über sogenannte Wallets – digitale Geldbörsen – verwaltet und an Kryptobörsen oder speziellen Automaten erworben werden. Während die Währung oft spekulativ genutzt wird, findet sie auch in bestimmten Bereichen als Zahlungsmittel Anwendung, etwa im Online-Handel.

Bitcoin ist dezentralisiert, das heißt, es gibt keine zentrale Instanz wie eine Notenbank. Diese Struktur verhindert Manipulationen an den Transaktionen, bringt jedoch Risiken wie die potenzielle Nutzung für illegale Aktivitäten mit sich.

Der Kurs des Bitcoins ist stark schwankend und wird ausschließlich durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Der Kurs erreichte erstmals die Marke von 100.000 Dollar, was unter anderem durch kryptofreundliche politische Entwicklungen in den USA, beispielsweise unter Donald Trump, begünstigt wurde.

Generation Z: Finanzielle Unsicherheit als Triebfeder für Investments

Doch woher rührt – besonders in der Generation Z – der Wunsch nach dem schnellen großen Geld? Studien zeigen, dass finanzielle Unsicherheit und steigende Lebenshaltungskosten zentrale Triebfeder sind. Laut der „Deloitte Global 2023 Gen Z and Millennial Survey“ ist die größte Sorge der Generation Z in Deutschland der teure Alltag, den 39 Prozent der Befragten als Belastung empfinden. Viele leben von Gehalt zu Gehalt und sehen in spekulativen Investitionen wie Kryptowährungen und ETFs (Exchange Traded Funds – auf deutsch börsengehandelte Fonds) eine Möglichkeit, langfristige finanzielle Ziele wie den Kauf eines Hauses oder die Familiengründung zu erreichen​. Gleichzeitig haben die Pandemie und Social Media das Interesse junger Menschen an Finanzinvestitionen verstärkt. 

Auch für Dobri war dies 2023 einer der Hauptgründe, mit dem Investieren zu beginnen. Er erklärt, dass er ursprünglich nach seiner Ausbildung einen Sportwagen kaufen wollte, sich jedoch für Investitionen entschied und später den Fokus auf den Aufbau langfristiger Vermögenswerte legte, um finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen.

Hohes Risiko statt Sicherheit

Während viele junge Menschen wie Dobri durch Investitionen nach Sicherheit und finanzieller Freiheit streben, sind diese Bemühungen nicht ohne Risiken. Spekulative Anlagen wie Kryptowährungen und Aktienmärkte locken zwar mit hohen Renditen, sind jedoch ebenso von extremen Schwankungen geprägt. Gerade unerfahrene Anleger*innen unterschätzen oft, wie schnelle Gewinne sich in Verluste verwandeln können. Dies zeigt auch ein Beispiel aus dem Jahr 2017, als Bitcoin in aller Munde war. Auf VICE beschreibt Arthur, dass er sein gesamtes Erspartes in Bitcoin investierte, bevor die Kryptowährung nach ihrem Boom 2017, im folgenden Jahr 90 Prozent seines Wertes verlor. Infolgedessen tätigte er weitere Investitionen, unter anderem mit Fremdkapital, um das verlorene Geld wieder hereinzuholen, was ihn immer weiter in „den Teufelskreis“, wie er schreibt, hinein zog. „Unterm Strich waren meine Trade-Geschäfte nichts anderes als Glücksspiel.”

Die Kryptodroge

Laut einer Studie der Rutgers-Universität könnten Glücksspiel und der Handel mit Kryptowährungen tatsächlich in Zusammenhang stehen. Die Studie mit einer Gesamtstichprobe von 465 Personen ergab, dass circa 53 Prozent im vergangenen Jahr zumindest gelegentlich mit Kryptowährungen handelten. Dabei zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Handelsfrequenz nach Familienstand, jedoch Unterschiede nach Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und Einkommen: Männer, Hispanoamerikaner und Personen mit höherem Einkommen gaben eine höhere Handelsaktivität an. Menschen mit mittlerem bis hohem Risiko für problematisches Glücksspiel sowie Personen mit Risiko für Depressionen oder Angststörungen berichteten ebenfalls von einer höheren Handelsfrequenz als ihre Altersgenossen ohne solche Risiken. Der Stern zitiert hierzu Lia Nower, die Leiterin der Abteilung für Spielsucht der Rutgers Universität, die an der Studie mitwirkte. „Es geht um die Mischung aus der sehr schnellen Steigerung und den daraus resultierenden Belohnungen“, sagt sie gegenüber der Washington Post und vergleicht den Effekt mit einem Rubbellos, bei dem man schnell aufkratzt und sofort die Belohnung sowie den Dopamin-Stoß bekommen würde. 

Der Effekt erscheint logisch, schließlich kann mit Kryptowährungen sehr schnell sehr viel Geld verdient werden. Ebenso hoch ist aber auch das Risiko, es wieder zu verlieren – genau wie im Casino. Der Stern zeigt in seinem Artikel einen weiteren Punkt auf, weshalb der Handel mit Kryptowährungen so tückisch ist. Während bei Sportwetten oder Aktienanlagen durch feste Spielzeiten oder den Handelsschluss zeitliche Beschränkungen vorgegeben seien, würde diese Begrenzung bei Bitcoin und anderen Kryptowährungen entfallen: Sie können rund um die Uhr gehandelt werden.

Eine Klinik in Schottland, dem Castle Craig Hospital, das seit langem auf die Behandlung von Spielsüchtigen spezialisiert ist, behandelt seit 2017 auch Menschen mit einer Sucht nach dem Handel mit Kryptowährungen. „Der Betreiber der Suchtklinik ist sich sicher, dass die Abhängigkeit vom Handel mit Kryptowährungen mit der Glücksspielsucht vergleichbar ist“, sagt Deutschlandfunk-NovaNetzreporter Andreas Noll. Die Klinik warnt davor, dass viele Menschen den Handel mit Kryptowährungen als „Investition“ rechtfertigen, obwohl das Verhalten oft Züge von Glücksspiel hat. Die Therapie hilft den Betroffenen, den Kreislauf aus Spekulation, Verlust und erneuter Investition zu durchbrechen.

Auch Dobri beschreibt den Kryptohandel als eine Art Droge. Er selbst handle stets ohne Emotionen, da er überzeugt ist, dass emotionales Handeln bei Aktien oder Kryptowährungen die größte Gefahr darstellt. Die Emotionen kämen für ihn erst durch die Ergebnisse seiner Handlungen ins Spiel, die ein Hochgefühl auslösen könnten. „Ich suche nicht bewusst nach der Euphorie, aber sie wirkt mit der Zeit ein wenig wie eine Droge.“ Dennoch sieht er diese Droge als kontrollierbar an, da er sich nicht von der Euphorie leiten lasse, sondern bewusst und strategisch vorgehe.

Kryptobörsen als Spielwiese für Anlagebetrüger*innen

Ganz abgesehen von dem Risiko, das Kryptowährungen ohnehin mit sich bringen, ist es außerdem der perfekte Ort für Anlagebetrüger*innen. „Das liegt daran, dass das ein Thema ist, was gerade sehr gehypt wird und bei vielen Menschen bekannt ist. Kriminelle springen dann gerne auf diesen Zug auf“, sagte Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gegenüber der Tagesschau. Auch bei Tipps von den sogenannten Finfluencer*innen sei Vorsicht geboten. „Gerade für eher unkundige Besucherinnen und Besucher der Webseiten von Finfluencern ist eine Einschätzung der Seriosität der Empfehlungen schwer“, schreibt Wolfgang Mulke in der Frankfurter Rundschau. Laut der BaFin würden viele Finanz-Content-Creator*innen zwar teils nützliche Informationen und Aufklärung bieten, allerdings würden auch unzählige falsche Darstellungen kommuniziert.

Ein Warnsignal sei mangelnde Transparenz. Viele Finanz-Influencer*innen würden Kooperationen mit Finanzunternehmen oder ihre Provisionsverdienste verschweigen, was ihre Empfehlungen interessengeleitet und wenig objektiv machen kann. Auch der Verbraucherschutz warnt vor unseriösen Investmentangeboten auf Social Media.

Zwischen verlockender Chance und hohem Risiko

Generell bietet der Handel mit Kryptowährungen Chancen, birgt aber erhebliche Risiken – nicht nur finanziell, sondern auch psychologisch. Während viele junge Menschen wie Dobri durch den Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit oder den Einfluss von Social Media zum Investieren angeregt werden, bewegen sie sich oft auf einem schmalen Grat zwischen spekulativen Gewinnen und existenzbedrohenden Verlusten.

Umso wichtiger ist es, sich vor dem Einstieg umfassend zu informieren, sich nicht von Social Media oder Finfluencer*innen blenden zu lassen und die Risiken genauso wie die Chancen kritisch zu hinterfragen.

Text, Titelbild: Lilly Wende

<h3>Lilly Wende</h3>

Lilly Wende

ist 22 Jahre alt und studiert derzeit im 5. Semester im Bereich Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA engagiert sie sich im Team Lektorat seit dem Sommersemester 2024.