Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg wird neuer EU-Beauftragter für Netzfreiheit. Offiziell soll der Mann mit den vielen Vornamen herausfinden, wie Blogger und Cyberaktivisten in autoritären Ländern unterstützt werden können. Die Ernennung Guttenbergs sei Schlüsselelement einer neuen Strategie, mit der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowohl online als auch offline gesichert werden sollen, heißt es in der Presseerklärung der europäischen Kommission.
Weil er „unkonventionell denkt“
EU-Kommissarin Neelie Kroes bescheinigte „KT“ unkonventionelles Denken. Damit hat sie zweifelsohne recht, schließlich hat Guttenberg schon auf unkonventionelle Weise seinen Doktortitel erst bekommen und dann wieder zurückgegeben. Für seinen neuen Beraterposten qualifiziert ihn ebenso viel, wie für den Doktortitel: Er hat kaum Erfahrungen und nur geringe Kenntnisse von der Materie.
Guttenberg selbst sieht das anders. Mit unglaublicher Betroffenheit reagierte der ehemalige Wirtschaftsminister 2009 auf die erfolgreiche Petition gegen völlig nutzlose und potentiell missbrauchbare Internetsperren im Kampf gegen Kinderpornografie. Betroffen war er darüber, dass Menschen dagegen protestierten, das Internet zu zensieren. Die Unterzeichner der Petition würden mit Kinderpornographie sympathisieren, lautete Guttenbergs Meinung. Dieser Mann soll nun im Namen der EU gegen Internetsperren in anderen Ländern vorgehen.
Warum also soll ausgerechnet Guttenberg nun für Netzfreiheit kämpfen? Will die EU ihre eigenen Pläne diffamieren, um autoritäre Herrscher in Sicherheit zu wiegen? Wahrscheinlich weiß nicht einmal Kroes ganz genau, welche Personalentscheidung sie getroffen hat. Guttenbergs Integrität kann jedenfalls nicht der Grund dafür sein – die ist nur vorgegaukelt.
Gute Aussichten für Guttenberg
In militärischem Jargon erklärte Guttenberg während seiner Vorstellungs-Pressekonferenz, seine „Heimatbasis“ seien die USA. Wenigstens werden ihm die Reisekosten erstattet, ein Gehalt bekommt er nämlich nicht. Das lässt einen unschönen Rückschluss zu: der EU-Kommission sind Menschenrechte also so unwichtig, dass für dieses Thema nur ein Beraterposten ohne Mitarbeiter in Frage kam. Zumindest ist es damit umso leichter, den „Experten“ bei Misserfolg wieder los zu werden.
Für ein erstes Comeback hat Guttenberg jedenfalls mit Menschenrechten eine gute thematische Grundlage, um sich zu profilieren. So könnte sich der Meister der Selbstinszenierung bald als Freiherr der Freiheit einen Namen machen. Doch bevor Europas Internet-Ritter in strahlender Rüstung zu Kreuzzügen in ferne Länder aufbricht, sollte das Duo Kroes-Guttenberg sich um die Netzfreiheit innerhalb der EU kümmern. Denn dass die EU sich darum bemüht in autoritären Staaten Aktivisten zu unterstützen, gleichzeitig aber in einem Mitgliedsland wie Ungarn den Einschnitt der freien Berichterstattung einfach hinnimmt, ist schlicht absurd.