Gesundheit

Ozempic – ein Abnehmtrend mit Folgen

von | 14. Februar 2025

Wie ein Diabetesmedikament zum neuen Abnehmwunder wurde.

Ozempic wurde im Frühling 2023 plötzlich weltweit populär. Überall auf den sozialen Medien konnte man plötzlich Influencer und Stars sehen, die mit Spritzen, die eigentlich zur Behandlung von Diabetes gedacht sind, warben. Der Grund: Ozempic soll dabei helfen schnell abzunehmen und das ohne Sport oder große Anstrengung, doch zu welchem Preis?

Um den Trend Ozempic nachvollziehen zu können, muss man verstehen, was das Medikament überhaupt ist und wie es funktioniert. Ursprünglich war Ozempic gar nicht als Abnehmspritze gedacht, sondern um Menschen mit schwer einstellbarem Diabetes von Typ 2 helfen zu können. Dabei eignet sich das Medikament auch für Menschen mit koronaren Vorerkrankungen (Herzerkrankungen) und hilft dabei, den Blutzuckerspiegel zu senken und die Gefäße zu schützen.

Gewichtsverlust als Nebeneffekt

Ein bedeutender Vorteil von Ozempic ist, dass das Medikament zusätzlich beim Abnehmen hilft. Adipositas zählt zu den Hauptrisikofaktoren für Diabetes Typ 2 und Betroffene leiden oftmals an starkem Übergewicht. Laut einer Studie der St. Augustinus Kliniken sind mehr als 90 Prozent der Diabetiker vom Typ 2 adipös. Demzufolge kann ein Medikament, das hilft, Gewicht zu verlieren, die Beschwerden der Erkrankung deutlich lindern. Verantwortlich dafür ist das in Ozempic enthaltene „Semaglutid”, welches das körpereigene „Hormon GLP-1” imitiert. Dieses wird im menschlichen Darm produziert und sorgt für unser Sättigungsgefühl und verlangsamt die Entleerung des Magens. Dadurch fühlt man sich länger satt und benötigt weniger Nahrung. Zudem sorgt „Semaglutid” dafür, dass mehr Insulin im Körper produziert wird. Dies geschieht, indem der Wirkstoff an Bauchspeicheldrüsenrezeptoren anknüpft. Aufgrund des größeren Insulinanteils im Körper sinkt der Blutzuckerspiegel. Besonders Diabetiker, die an einem erhöhten Blutzucker leiden, können diesen dadurch regulieren. Ein weiterer Vorteil des durch Ozempic ausgelösten Prozesses ist, dass er auch Diabetikern mit Insulinresistenz helfen kann. Betroffene können mit Ozempic ihren Blutzuckerspiegel automatisch regulieren und vollständig auf das Spritzen von Insulin verzichten.

Für Menschen mit Diabetes stellt das Medikament prinzipiell eine große Bereicherung dar. Mit einer Spritze können nahezu alle durch die Krankheit verursachten Beschwerden gelindert werden, wodurch sie ein normales Leben führen können. Insbesondere der mit dem Medikament einhergehende Gewichtsverlust ist ein klarer Vorteil gegenüber herkömmlichen Insulinspritzen.

Missbrauch von Ozempic durch Stars und Influencer

Doch nicht nur Diabetiker schätzen den Verlust von überschüssigen Kilos durch das Medikament. Auch viele Stars und Influencer schwärmen vom schnellen und effizienten Gewichtsverlust durch Ozempic. Besonders die Leichtigkeit, mit der abgenommen werden kann, lässt viele zu den Spritzen greifen. Weltberühmte Personen, wie Elon Musk, Kathy Bates oder Tracy Morgan, werben bereits für Ozempic. So posierte Musk beispielsweise auf der Plattform X in einem Weihnachtsmann-Kostüm und präsentierte stolz seine neuen Abnehmerfolge. Unter dem Beitrag schrieb er „Ozempic Santa“, als Anspielung darauf, dass sein Gewichtsverlust durch die Einnahme des Medikaments Ozempic zustande kam.

Musks Post an Weihnachten auf der Plattform X, Credits: Elon Musk, X

Auch andere Prominente Personen warben für das Medikament mit teils fragwürdigen Aussagen. So etwa äußerte sich Kelly Osbourne zum Thema Ozempic mit „The people who hate on Ozempic the most are secretly doing it or pissed off that they can’t effort it.“
Eine weitere Aussage von ihr zu dem Medikament lautete: „There are million ways to lose weight, why not do it through something that isn’t as boring as working out?“ und spielte damit darauf an, dass man statt langweiligen Workouts lieber zu Ozempic greifen sollte. Rapper Fat Joe schwärmte ebenfalls von Ozempic und kommentierte: „Ozempic is the greatest invention“ und erklärte stolz, wie er mit Hilfe des Medikaments ganze 200 Pfund verlor.
Fraglich ist hierbei, ob die Stars auch über die weitreichenden Folgen ihrer Werbung für die Diabetesspritze nachdenken, wie etwa erhebliche gesundheitliche Nebenwirkungen und Risiken, welche durch Ozempic ausgelöst werden können.

Erhöhtes Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs und andere Erkrankungen 

Da Ozempic für Menschen ohne Diabetes nicht konzipiert ist, warnen Experten der Mayo Clinic in Minnesota davor, das Medikament für andere Zwecke zu missbrauchen. Ozempic würde zwar bei Diabetikern in den meisten Fällen nur milde Nebenwirkungen verursachen, wie Übelkeit oder Erbrechen, allerdings könnten auch schwere Folgeschäden durch die fälschliche Verwendung entstehen. So steigt etwa das Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs, Schilddrüsenkrebs und chronische Schmerzen durch die unsachgemäße Einnahme von Ozempic. Auch Sehverlust, eine lebensbedrohliche Unterzuckerung oder negative Auswirkungen auf die Blase seien keine Seltenheit. Im schlimmsten Falle käme es zum Nierenversagen und dem sofortigen Tod. Deshalb sollte Ozempic nur im Falle einer Diabeteserkrankung angewendet werden und auch nur unter ärztlicher Kontrolle.
Eine weitere potenziell gefährliche Nebenwirkung ist der starke Appetitverlust, der in einigen Fällen zu Unterernährung führen kann. Deswegen sollte Ozempic auch nur mit auf die Therapie abgestimmten Vitamin- und Proteinpräperaten eingenommen werden.

Die psychologischen Aspekte von Ozempic sollten ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden. Insbesondere Personen mit einer Neigung zu ungesundem Essverhalten oder sogar bereits vorhandenen Essstörungen sollten die Finger von der Diabetesspritze lassen. So könnte der Gebrauch von Ozempic zu einer Verschlimmerung der Symptomatik führen und Betroffene noch weiter in ihre Essstörung treiben.

Die Darstellung von Ozempic auf sozialen Medien spielt dabei auch eine bedeutende Rolle. Teenager könnten damit ungesunde Körperideale und psychische Probleme entwickeln. Außerdem würde der Druck auf Jugendliche, gut auszusehen und dünn zu sein, durch Ozempic verstärkt werden. Besonders junge Mädchen könnten hiervon betroffen sein, welche oft mit unrealistischen Schönheitsidealen, die von Stars und Influencern porträtiert werden, zu kämpfen haben.
Die Zahl der Jugendlichen, die sich mit Ozempic behandeln lassen, sei deutlich gestiegen. Dies ist auch auf die zunehmende Präsenz des Medikaments in den sozialen Medien zurückzuführen. Laut medizinischen Experten haben sich allein im Jahr 2023 in den USA etwa 4.000 Teenager im Alter von 12 bis 17 Jahren Ozempic verschreiben lassen. Pädagogen empfehlen deshalb in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, über das Phänomen Ozempic aufzuklären und Schülern gesunde alternative Lebensweisen aufzuzeigen. Auch soll vor den Risiken der Diabetesspritze gewarnt werden.

Laut Dr. Shah von der Mayo Clinic Minnesota sind außerdem bisher keine Langzeitfolgen einer Ozempic-Behandlung bekannt. Man könnte nicht sicher sein, wie und ob das Medikament nach langjähriger Anwendung wirken würde. Risiken seien dabei nicht ausgeschlossen.

Lieferengpässe gefährden Diabetiker

Aufgrund des Ozempic-Hypes auf den sozialen Medien ergab sich in letzter Zeit eine bedrohliche Situation für Menschen, die aufgrund von Diabetes auf das Medikament angewiesen sind. Durch die hohe Nachfrage entstanden Lieferengpässe und die Preise für Ozempic stiegen enorm an. Besonders in den USA würde sich die Lage mehr und mehr zuspitzen. Experten wie Stefan Fink, der Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbandes erwähnte zuletzt: „In den USA ist das Medikament teilweise zehnmal teurer als in Deutschland.“ Daraus ergäben sich dramatische Folgen, da Anbieter oft in Länder mit den höchsten Preisen liefern und andere Länder dabei leer ausgehen würden. Diabetiker könnten dadurch das lebensnotwendige Medikament nur sehr schwer oder gar nicht erhalten.

Auch in Deutschland klagt man über Lieferengpässe. Der Sprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Baptist Gallwitz, äußerte sich dazu wie folgt: „Das Problem der Lieferengpässe besteht seit über einem Jahr und es betrifft nicht nur Ozempic, sondern auch vergleichbare Präparate.“ Diabetiker könnten nicht einmal auf andere Präparate mit ähnlichem Wirkstoff zurückgreifen, da diese auch schwer lieferbar wären.

Ein Grund, warum es insbesondere in Deutschland zu einem Mangel an Ozempic für Diabetiker kommt, ist, dass viele Ärzte das Medikament offlabel verschreiben würden. Prinzipiell würden in Deutschland eindeutige Richtlinien für die Verschreibungen von Medikamenten existieren. Baptist Gallwitz sagte hierzu: „Auf Kassenrezept darf es nur bei Diabetes Typ 2 verschrieben werden und das wird von den Kassen auch überprüft.“ Man könne diese Regelungen allerdings umgehen, indem man Privatrezepte für Ozempic ausstellt. Dadurch könnten Personen, die normalerweise gar nicht berechtigt für eine Verschreibung von Ozempic wären, an die Diabetesspritze gelangen.

Laut dem Ozempic-Hersteller Novo Nordisk soll dieser Zustand auch noch bis Ende 2025 anhalten. Es wird darauf verwiesen, dass für die Neueinstellung von Ozempic-Patienten die Versorgungssituation entsprechend beachtet werden und bei einer Nichtverfügbarkeit des Medikaments eventuell eine alternative Therapie angestrebt werden soll. Wie dies allerdings für Diabtiker in der Realität funktionieren soll, bleibt unklar.

Text, Titelbild: Susanne Kunze
<h3>Susanne Kunze</h3>

Susanne Kunze

ist 22 Jahre alt und studiert derzeit im 5. Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA engagiert sie sich als Redakteurin seit dem Sommersemester 2024.