Wer zuletzt strahlt…

von | 29. Oktober 2009

Der Transformatorkurzschluss in Krümmel hat das Thema Atomkraft wieder ins Gespräch gebracht. In der Bevölkerung regt sich Widerstand.

„Kernenergie ist eine Brückentechnologie, bis sie durch erneuerbare Energien verlässlich ersetzt werden kann“. Das ist in einem Entwurf des Koalitionsvertrages zwischen CDU/CSU und der FDP zu lesen, der im Internet zu finden ist. Im Klartext bedeutet das: Laufzeitverlängerungen für alle sicheren deutschen Atommeiler. Was denn nun genau ein „sicheres“ Kraftwerk ausmacht, und in welchem zeitlichen Rahmen die Laufzeitverlängerungen liegen, wollte die CDU auf Anfragen von medien-mittweida.de nicht mitteilen. Auch im Koalitionsvertrag suchen Interessierte die Antwort darauf vergeblich, denn es ginge darum, „zunächst ein Gesamtenergiekonzept aufzustellen“, wie die CDU-Umweltpolitikerin Tanja Gönner auf taz.de verlauten lies. Das wird aber wahrscheinlich erst im Laufe des Jahres 2010 passieren. Bis dahin gibt es zwar schon einige Ideen, sowohl was die Laufzeiten, als auch die Sicherheitskriterien betrifft, doch festlegen möchte man sich offensichtlich nicht.

Dabei sind sich im Grunde alle einig. Die FDP will „eine vollständig regenerative Energieversorgung“, wie es auf dem Internetauftritt der Liberalen zu lesen ist. Dem pflichten auch die anderen Parteien bei. Lediglich beim Zeitplan gehen die Vorstellungen auseinander. So hatten SPD und Grüne schon 2001 den Atomausstieg beschlossen, welcher bis 2021 vollendet sein sollte. Auch bei der diesjährigen Bundestagswahl standen SPD, die Grünen und auch die Linke für ein Festhalten am Atomausstieg. Die FDP und die CDU/CSU sehen in der Atomenergie dagegen eine notwendige Brückentechnologie. „Andernfalls werden wir unsere Klimaziele, erträgliche Energiepreise und weniger Abhängigkeit vom Ausland nicht erreichen“, heißt es weiter im Entwurf des Koalitionsvertrages.

Unterdessen ist in der Bevölkerung die Anti-Atomkraftbewegung wieder am Erstarken. Schon vor der diesjährigen Bundestagswahl zeigten die Gegner mit einer Großdemonstration in Berlin, dass die Protestbewegung noch am Leben ist und von der Politik unmöglich ignoriert werden kann. 50.000 Menschen und 400 Traktoren samt Fahrer nahmen laut den Veranstaltern, zu denen Bauern-, Aktions- und Umweltbündnisse gehörten, teil. Das sind zwar noch nicht die hunderttausenden Atomgegner der 80er Jahre, doch nach der Wahl könnte die Protestwelle erst richtig losgehen. So demonstrierten schon bei den Koalitionsverhandlungen der zukünftigen Regierungsparteien ungefähr 1.500 Gegner vor dem Verhandlungsgebäude oder riefen bei den Verhandlungsteilnehmern an. Auch Umfragewerte zeichnen ein deutliches Bild: Laut einer Forsa-Umfrage vom April dieses Jahres möchten gut zwei Drittel der Bevölkerung am Atomausstieg festhalten oder ihn beschleunigen.

Das Für und Wider

„Die Vorteile der Kernenergie liegen in ihrer Umweltverträglichkeit“, so Steffen Herrmann von Vattenfall Europe gegenüber medien-mittweida.de. Damit spricht Herrmann den größten Trumpf der Atomlobby an. „Bei der Stromerzeugung mit Kernenergie entsteht nicht mehr Kohlendioxid als bei der Erzeugung von Windstrom“, so Herrmann weiter. Gerne stellt sich die Atomlobby deshalb als Klimaretter dar. Laut dem Öko-Institut liegt der CO2-Ausstoß der Kernenergie jedoch etwas über dem von erneuerbaren Energien, bei Berücksichtigung des gesamten Erzeugungsprozesses, also auch des Uranabbaus. Dennoch: Beide Energiegewinnungsformen erzeugen nur einen Bruchteil der CO2-Menge, die bei der Verwendung von Kohle entsteht.

Greenpeace weist in diesem Zusammenhang noch auf ein anderes Problem hin. „Das Festhalten an der Atomenergie blockiert den Ausbau der Erneuerbaren“, steht in einem ihrer Informationsblätter. Denn wenn der Strommarkt gesättigt ist, entsteht keine Nachfrage nach neuen, alternativen Energiequellen. Auch den geplanten Fond zur Erforschung der erneuerbare Energien bezeichnet Greenpeace-Energieexperte Tobias Münchmeyer auf greenpeace.de als “eine Mogelpackung“. In diesen Fond sollen die Atomkraftwerkbetreiber einen Teil des durch Laufzeitverlängerung entstehenden Zusatzgewinns einzahlen. “RWE und Co. sollen auf der einen Seite Geld zahlen, das sie auf der anderen Seite [zur Erforschung der regenerativen Energien und Energiespeicherung] wieder erhalten“, so Münchmeyer weiter.

Dass ohne Atomenergie eine „Stromlücke“ entsteht, wurde vom Bundesministerium für Umwelt schon 2008 mit einer Studie widerlegt. Seit 2003 exportiert Deutschland sogar Strom. In den vergangenen Jahren erreichte die Exportmenge, trotz mehrerer abgeschalteter Kernreaktoren neue Höchststände. Zu diesem Schluss kommt ein Hintergrundbericht der Deutschen Umwelthilfe.

Billige Produktion, teurer Müll

Ein weiterer Streitpunkt ist der Preis. Die Befürworter sprechen oft davon, dass Atomstrom billig ist, vor allem im Vergleich zu den erneuerbaren Energien. Wir können „ […] mit keiner Technologie günstiger Grundlaststrom erzeugen. Damit sorgt Kernenergie für eine Dämpfung der Strompreise“, sagt Steffen Herrmann von Vattenfall. Laut dem greenpeace-magazin (Ausgabe 6.09) gibt es dagegen schon jetzt reine Öko-Stromanbieter, die billiger sind als Anbieter mit Atomstromanteil.

Schließlich ist da noch das größte Problem der Atomkraft: Der Müll. Dass es weltweit noch kein Lager gibt, welches Atommüll sicher mehrere 100 Millionen Jahre verwahren kann, müssen selbst die hartnäckigsten Befürworter zugeben. Ebenso kann niemand eine hundertprozentige Sicherheit der Kraftwerke garantieren, auch wenn die laut der Internetpräsenz von Vattenfall „oberste Priorität“ hat. Ein Gau hätte verheerende Auswirkungen. Laut Greenpeace kam es seit der Nutzung von Atomkraft in Deutschland zu rund 5.700 meldepflichtigen Zwischenfällen. Vattenfall betont, dass im Zusammenhang mit dem Atommeiler Krümmel die überwiegende Mehrheit dieser Zwischenfälle als „ohne sicherheitstechnische Bedeutung eingestuft“ wurden.

<h3>Jakob Ihde</h3>

Jakob Ihde