Halloween

Kommentar: Konsumverhalten – Der wahre Horror

von | 7. November 2025

Kostümrausch und Kürbisflut – die Gruselzeit im Geist der Geldverschwendung.

Jedes Jahr an Halloween füllen sich die Straßen mit kostümierten Gestalten auf der Jagd nach Süßigkeiten. Wochen zuvor überfluten Dekoartikel und Kostüme die Läden und Social Media mit einer ganz anderen Zielgruppe als den begeisterten Kindern im Fokus – dem Grusel treue Erwachsene und Teenager. Bei genauerer Betrachtung erkennt man den wahren Schrecken dieser Zeit – steigende Kosten für billig produzierte Ware im kurzen Hype. Oft werden die Geldbörsen genauso ausgehöhlt wie Kürbisse, die Qualität der Kostüme genauso langlebig wie Süßigkeiten in Kinderhänden. Ein wahrer Horror für jeden, dem es ausschließlich um das Beisammensein geht. 

Vom Kürbisschnitzen und Foto-Trends über neue Kostüme und dekorierte Vorgärten bis hin zu Motto-Partys und Halloween-Conventions – dieses Fest lädt auf jeder Ebene dazu ein, aktiv zu werden. Ebenso einladend ist es, Geld auszugeben. 520 Millionen Euro erwartet der Handelsverband Deutschland insgesamt an Ausgaben für Halloween im Jahr 2025 – das schon zum zweiten Jahr in Folge. Etwas mehr als die Hälfte wird hierbei in Süßigkeiten investiert, kein Wunder in Anbetracht der übergeschwappten Tradition des „Süßes oder Saures“. Dabei ziehen viele Kinder durch die Nachbarschaft und erhalten Naschereien als Belohnung für ihre Verkleidungen.

Viele Jugendliche und junge Erwachsene formen hingegen ihre eigenen Rituale in Gemeinschaft, unter dem großen Einfluss aktueller Trends und diese werden unverschämterweise immer kostspieliger. Die Angst, etwas zu verpassen, wenn man nicht an den saisonalen Veranstaltungen teilnimmt, bekannt als FOMO (Fear of missing out), ist hoch. Sie verstärkt den Druck, dabei zu sein. Jede Party und jedes Kostüm sind jedoch mit weiteren Kosten verbunden, die spaßige Zeit wird so immer teurer – zu teuer.

Halloween – Was war das gleich?

Halloween hat eine längere Geschichte, als so manch einer vermutet. Die oft für amerikanisch gehaltene Tradition entsprang dem keltischen Neujahrsfest Samhain. Die dabei getragenen Tierhäute, Masken und Körperbemalungen sollten die Menschen vor Geistern verbergen, die an diesem Abend aktiv sind, oder aber verstorbene Vorfahren darstellen. So ist auch der Brauch der Kostümierung seit über zweitausend Jahren Bestandteil der Tradition. Allgemein ist Halloween als der Tag bekannt, an dem Tore zwischen den Welten der Lebenden und Toten offenstehen. Im siebten Jahrhundert integrierte das Christentum den Feiertag als Abend vor Allerheiligen in seinen Kalender. In diesem „All Hallow’s Eve“ findet der Name Halloween auch seinen Ursprung. Während der Kolonialisierung Amerikas vermischten sich der keltische und der christliche Ansatz mit vielfältigen anderen Siedlerkulturen und bildeten über einen längeren Zeitraum schließlich den heutigen Traditionsmix – und auch dieser entwickelt sich immer weiter.

Der Geist des Konsums – im Korbformat

Social Media präsentiert direkt ein Fallbeispiel des übertriebenen Konsumierens: die sogenannten Boo-Baskets. Körbe werden mit kleinen Geschenken gefüllt, die perfekt in die „spooky“ Zeit des Oktobers passen, um Partner:innen, Freund:innen oder Kindern eine Freude zu bereiten. Im Zentrum dieses Trends steht also eigentlich der herzerwärmende Gedanke, einander mit einer simplen Geste zu zeigen, dass man sich liebt. Oft enden sie jedoch damit, dass schnell eine Menge Geld in eine Überraschung gesteckt wird, die lediglich kurz Freude bereitet.

Diese Art der Geschenke existiert schon seit mindestens fünf Jahren, doch besonders seit 2023 ist der Hype um die Körbe explodiert – und ausgeartet. Zu Beginn der „gruseligsten Zeit des Jahres“ präsentieren viele Nutzer:innen auf Instagram und TikTok ihren Schenkungsprozess, von der Planung über den Kauf der Geschenke bis hin zur Übergabe mit grandioser emotionaler Reaktion der Beschenkten. So fühlen sich viele Nutzer:innen zur Nachahmung animiert, oft mit einem inneren Zwang verbunden. Das ist dem Trend herzlich egal; Hauptsache, man konsumiert – am besten wertvoller, persönlicher und teurer als die anderen.

Es scheint fast, als spielten diese Körbe eine ebenso große Rolle wie Geschenke am Valentinstag. Videos erinnern daran, zu schenken, bevor es zu spät ist, oder aber daran, dass es nie zu spät sei, um noch einen Boo-Basket zu machen. Einige Videos machen darauf aufmerksam, „den Hinweis zu verstehen“ und Partner:innen noch einen Korb zu machen, damit diese nicht enttäuscht oder verärgert werden, wenn sie diesen Liebesbeweis nicht erhalten. Auch falsche Geschenke führen zu Vorwürfen. Die Interessen der beschenkten Person zu verfehlen, bedeutet für viele ein mangelndes Wissen über sie selbst.

Zusammenstellungen wie diese zeigen, dass aus dem Trend eine eigene Form von Online-Inhalten geworden ist – die Geschenkideen werden mit Leitfäden gestützt und von Influencer:innen bewertet – dadurch bilden sie eine eigene Social-Media-Nische. Quelle: rachel louise /YouTube

Diese Art zu denken zeigt, wie sehr der verwerfliche Zwang hinter dem Trend die Menschen eigentlich in der Hand hat. Einen Schritt weiter gehen Menschen, die den gesamten Prozess abgeben – Influencer:innen packen Körbe auf Bestellung von und für Menschen, die sie nicht kennen, und auch auf Etsy werden fertige Körbe angeboten. Damit verfällt sogar ein Großteil der eigenen Überlegung, was der anderen Person Freude bereiten könnte. Eigentlich steckt also kein Herz mehr in diesen heuchlerischen Gaben. Zwischen Budget-Tipps und 1000-$-Korb-Verlosungen oder Überraschungsgeschenken scheint so die eigentliche liebevolle Absicht unterzugehen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das erstrebenswerte Ziel, jemandem Wichtigem eine gut durchdachte, personalisierte Freude zu bereiten, hier in einem Mix aus Pflichtgefühl und Wettbewerbswahn verloren geht.

Gruseln verbindet

Der Grundgedanke der Verbundenheit zieht sich durch viele der Halloween-Trends. Ob aus den originalen Traditionen entwickelt oder durch Social Media neu entstanden, nahezu alle zielen auf eine Interaktion mit dem sozialen Umfeld ab. „Süßes oder Saures“ ist wortwörtlich ein Geben und Nehmen. Dekorationen und Kostüme sollen andere mit ihrem Anblick erfreuen und viele der kleinen und großen Halloween-Aktionen sind als Zusammenkünfte konzipiert.

Süßes oder Saures

Das altbekannte von Haus-zu-Haus-Ziehen in Kostümen ist seit etwa einem Jahrhundert eine beliebte Tradition unter Kindern. Im englischsprachigen Raum ist sie als „Trick or Treat“ bekannt.

Kürbis-Schnitzen

Gesichter aller Art werden in ausgehöhlte Kürbisse geschnitzt, welche im Anschluss als Dekorationen in und vor Häusern aufgestellt werden. Oft dekorieren sie als Laternen, beleuchtet durch ein Teelicht im Inneren, den Eingangsbereich von Häusern.

Foto-Trends

Über Social Media verbreiteten sich in den letzten Jahren immer wieder neue Foto-Ideen für Freundesgruppen und Paare. Am beliebtesten sind dabei Verkleidungen als Bettlaken-Gespenster mit Sonnenbrille und ausgehöhlte Kürbisse als geschnitzte Masken.

Motto-Partys

Halloweenpartys sind keine Seltenheit, oft sind sie zudem mit einem Motto versehen, an das sich Deko, Snacks und manchmal auch die Kostüme zu halten haben.

Themen-Filmabende

Die ruhige Version von Motto-Partys konzentriert sich oft thematisch auf einen Film, ein Genre, ein Franchise oder eine Film-Epoche. In Dekoration und Verpflegung fließt dabei sehr viel Überlegung und Energie, sodass sie zu einem vollumfänglich immersiven Erlebnis werden.

Dekorierte Vorgärten

In den USA sieht man in vielen Nachbarschaften stark dekorierte Vorgärten mit ausgefallenen Szenen voller Skelette, Geister und Kürbisse. Dieses Verzieren findet auch in Deutschland immer mehr Anklang.

Halloween-Conventions

Eine jüngere Tradition sind ganze Messen, die den verschiedensten Arten des Grusels und Schauders Raum bieten. Mit geladenen Gästen, Bühnenshows, Kostümwettbewerben und vielem mehr bieten sie das übliche Programm, perfekt auf Halloween zugeschnitten. Dort versammeln sich Halloween-Fans, um gemeinsam ihr liebstes Fest zu genießen. Auch Chemnitz bot dieses Jahr eine solche HalloweenCon.

All diese Aktivitäten verbinden – und das nicht ohne Grund: In der kalten Jahreszeit kommen viele gern zusammen. Es ist nachgewiesen, dass das gemeinsame Erleben von Angst zwischenmenschliche Beziehungen stärkt. So ist es kein Wunder, dass viele Freundesgruppen und Paare sich für Horrorfilme und Grusel-Events treffen. Auch auf Partys finden sich die Menschen zusammen – geplante Gruppenkostüme erfreuen dabei ebenso wie zufällig gefundene Interessenüberschneidungen durch offenbarende Outfits. Dieses Gefühl der geteilten Freude sollte immer im Zentrum stehen, ohne erkauft werden zu müssen. Menschen durch Spaß und Aktivität miteinander zu verbinden, ist ein schöner Ansatz, den viele der Trends sowohl offline als auch online gut zu verwirklichen vermögen.

Dabei sein ist alles – Alles ist teuer

Der Gedanke des Zusammenhalts verwest leider bei genauerer Betrachtung ebenso schnell wie Kürbislaternen nach Halloween. Während viele Trends zwar auf Gemeinschaft abzielen, muss man die Zugehörigkeit vergleichsweise teuer bezahlen – in Geld und sozialem Druck. Wer die aktuellen Hypes verpasst und nicht dabei war, scheint den Anschluss zu verlieren. Dieses Gefühl braucht kein Mensch, besonders wenn der einzige Ausweg ist, sich freizukaufen. Denn betrachtet man die möglichen Halloween-Aktivitäten, erkennt man, dass sie schnell sehr kostenaufwendig werden können.

Sogar Foto-Trends beanspruchen mindestens Kostüme und eine entsprechend gute Kamera. Filmabende brauchen vollständige Dekos, passende Snacks und bestenfalls Kostüme. In den USA haben sich längst ganze Messen unter der Halloweenthematik etabliert, ein Trend, der auch weiter nach Deutschland schwappt. Zusätzlich bieten Freizeitparks wie etwa der Sonnenlandpark, Belantis und Freizeitpark Plohn in Sachsen besondere Veranstaltungen an – natürlich mit zusätzlichen Kosten verbunden. Sicherlich gibt es für vieles bessere und günstigere Optionen, doch diese gehen in der Social-Media-Hype-Spirale schnell unter. Am Ende entsteht der Eindruck, unbedingt dabei sein zu müssen – und höhlt einen selbst genauso aus wie den Geldbeutel.

Süßigkeiten zur „Wednesday“-Serie bei LIDL
Während einige Marken wie Oreo und KitKat sich schon den Halloween-Süßigkeiten verschrieben haben, ziehen nun auch Discounter wie LIDL nach. Dieses Jahr im Trend: Wednesday. Quelle: Phoenix Herzog

Ein weiterer Knackpunkt zeigt sich darin, dass Halloween immer weiter zum gruseligen Weihnachten wird. Die Unmengen an thematischen Süßigkeiten, die die Läden einnehmen, überraschen nicht mehr. Mittlerweile etablieren sich jedoch ausartend viele weitere Trends, wie Lebkuchenhäuser und Tannenbäume „spooky“ zu dekorieren. Im Extrem zeigt sich die Kommerzialisierung Halloweens als frühes, gruseliges Weihnachten in den „Halloween-Kalendern“. Meist mit 13 Türchen ausgestattet, bieten Marken wie FunkoPop eine verkürzte Wartezeit und auch Amazon füllt sich mit endlosen Optionen. Dabei will der künstlich geschaffene Bedarf an Dekorationen, Materialien und passenden Outfits schneller befriedigt werden, als es qualitative Angebote können. So stellt sich die Frage, was der ganze Konsum überhaupt soll, wenn er offenbar ungenießbar wird.

Qualität – Der Horror

In einem Zeitalter, das sich auf „cozy“ Qualität besinnt und ästhetisierte frühere Zeiten herbeisehnt, sind viele der Kostüme alles andere als qualitativ hochwertig. Online-Shops wie Maskworld und der Karneval-Megastore bieten viele Outfits für wenig Geld, doch die Designs und die Stoffqualität lassen erschreckend oft zu wünschen übrig. Will man einen vollständigen Look, muss man sich zudem meist alle Einzelteile getrennt zusammenkaufen. Zu viel Aufwand und Kosten, um nur einmal getragen zu werden. Denn auch wenn man viele Partys besucht, wäre ein doppelt getragenes Kostüm in den Augen vieler langweilig oder gar blamabel. Dazu tragen besonders die immer weiter verbreiteten Kostümwettbewerbe bei. Präsentierte Outfits müssen in verschiedenen Kategorien wie etwa Kreativität überzeugen, um zu gewinnen. Zwar kann Qualität ein relevanter Faktor sein, wird bedauerlicherweise jedoch nicht selten vernachlässigt.

Steampunk-Hut für Damen
Steampunk-Hut für Herren

Bei Kostümen und Accessoires wird nicht immer fair gespielt – gleiche Teile können unterschiedlich viel kosten, je nachdem, ob sie an Frauen oder Männer vermarktet werden. Foto: Phoenix Herzog, Quelle: Party.de

Auch die thematischen Leckereien für „Süßes oder Saures“ dürfen nicht fehlen, landen nach Halloween aufgrund ihrer geringen Qualität jedoch oft verschwenderisch im Müll. Dieser Umstand lässt sich mit dem aktuellen Mindset von Nachhaltigkeit nur schwer vereinen. Der Trend mangelnder Qualität endet nicht bei Kleidung und Süßigkeiten. Auch Dekorationen für Partys, Filmabende und die allgemeine Gruselzeit im Oktober werden vielfältiger, spezifischer und billiger – leider nicht im Preis, sondern in der Qualität.

Die USA sind dabei als Land des Überkonsums seit Jahren der Vorreiter, wenn es um Halloweenartikel geht. In einer Gesellschaft, die komplexe Szenen mit riesigen Gerippen und Ähnlichem in ihrem gesamten Vorgarten aufbaut, nicht verwunderlich. Ganze Ladenketten, wie etwa Spirit Halloween, und Kollektionen bei Target und Co. bieten alles, was das Herz begehrt, jedes Jahr an aktuelle Trends angepasst. Das ermutigt unzählige Influencer:innen zu sinnfreien Großeinkäufen und Bewertungsvideos auf Social Media. Dabei werden oft die Ideen und Designs in den Fokus gestellt, die mangelnde Qualität schon längst als beiläufiges Übel toleriert – eine Entwicklung, die sich verwerflicherweise normalisiert und wohl bald in allen Bereichen erschreckend selbstverständlich sein wird.

Auch in unserer Zeit, in der sich Menschen für bessere Qualität, Sparsamkeit und mehr Zusammenhalt einsetzen, hat uns der Konsum dennoch fest im Griff. So fest, dass spaßige Aktionen letztendlich zu Druck werden, wenn man sich die Teilhabe einfach nicht mehr leisten kann. Halloween sollte uns vor Geistern schützen, doch wir sind dem Geist des Kapitalismus verfallen.

Text und Bild: Phoenix Herzog, Video: rachel louise / YouTube

<h3>Phoenix Herzog</h3>

Phoenix Herzog

wurde 2005 geboren und studiert im 4. Semester Medienmanagement and der Hochschule Mittweida. Phoenix ist im Lektorat tätig und begeistert sich für alles Kreative sowie Storytelling in unterschiedlichen Medien.