Die Staatskapelle Dresden wurde am 18. Oktober 2009 dreifach mit dem weltweit begehrten Klassik-Musikpreis „Echo Klassik“ ausgezeichnet. Die Welt des Dresdner Sinfonieorchesters müsste also perfekt sein. Doch im Juni dieses Jahres kündigte der Generalmusikdirektor der Staatsoper Dresden und somit gleichzeitig Chefdirigent der Staatskapelle Fabio Luisi an, zur Spielzeit 2012/2013 Dresden zu verlassen und an die Züricher Oper zu gehen. Das Merkwürdige an diesem Wechsel ist der Zeitpunkt, denn Luisi hat das Amt des Generalmusikdirektors erst seit 2007 inne. Außerdem überrascht die zukünftige Wirkungsstätte, denn die Oper Zürich ist nicht gerade berühmter als die Semperoper.
So stellt sich die Frage: Was sind die Gründe für diesen Wechsel? In seinem Schreiben an das Ensemble und die Musiker gibt Luisi rein familiäre und persönliche Gründe für den Wechsel an. Sein kranker Sohn spiele dabei eine entscheidende Rolle, wie er gegenüber der Zeitung „Dresdner Neueste Nachrichten“ mitteilte. Allerdings wird der Abschied aus Dresden wohl nicht sonderlich tränenreich ausfallen, denn seine Person ist umstritten. Einige Mitglieder der Staatskapelle sind der Meinung, er sei zu selten präsent und kümmere sich nicht um die Probleme der Staatskapelle. Aus anderen Kreisen hört man, er sei ungewöhnlich oft da und nehme sich auch der alltäglichen Aufgaben und Probleme an.
Außerdem seien musikalische Entscheidungen von Luisi ein Grund für das Zerwürfnis zwischen ihm und einigen Musikern, heißt es aus Opernkreisen. Denn auch in der klassischen Musik gibt es viele Räume für Interpretation und die ist bekanntlich sehr subjektiv. Des Weiteren obliegt die Entscheidung über das Repertoire dem Chefdirigenten und nicht den Musikern, was ebenfalls Nährboden für Unzufriedenheit bietet. Eines wird jedenfalls deutlich: Die Staatskapelle steht nicht geschlossen hinter ihrem Chefdirigenten. Was nun die wahren Gründe für den Wechsel Fabio Luisis sind, wird die Öffentlichkeit wohl nicht erfahren. Vermutlich tragen aber all diese Faktoren zu der Entscheidung bei, Dresden zu verlassen.
Ersatz bereits gefunden
Ein Nachfolger für Fabio Luisi ist bereits gefunden. Christian Thielemann, derzeitig Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, soll noch im November dieses Jahres seinen, vorerst auf sieben Jahre datierten, Vertrag unterschreiben. Er ist einer der bedeutendsten Orchesterleiter seiner Generation und einer der gefragtesten Wagner-Dirigenten. So dirigiert er immer wieder bei den Bayreuther Festspielen und auch die Sinfonieorchester von New York, Philadelphia und Chicago.
Dabei ist zu bedenken, dass Thielemann gerade einmal 50 Jahre alt ist. In diesem Alter schon weltweit einen Ruf als Stardirigent zu haben ist eher ungewöhnlich. Das ist auch einer der Gründe, weshalb die Staatskapelle Dresden den gebürtigen Berliner verpflichten will: Mit seinem großen Ansehen soll Thielemann das internationale Renommee des Orchesters weiter ausbauen. Die Musiker hoffen, dass ihr neuer Chefdirigent mit seinem internationalen Ruf auch in der Politik gehört wird und somit die Kapelle schützen und voranbringen kann. Allerdings ist Thielemann „nur“ Chefdirigent der Kapelle und nicht der ganzen Dresdner Staatsoper.
Ein Stardirigent bringt aber nicht nur Vorteile mit sich. Thielemann ist bekannt dafür, seinen eigenen Kopf zu haben. So scheiterten die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung mit den Münchner Philharmonikern vor allem daran, dass Thielemann das endgültige Entscheidungsrecht über Gastdirigenten für sich beanspruchte und es nicht dem Orchesterintendanten überlassen wollte. Insgesamt überwiegt allerdings das Vertrauen in Thielemanns Können und Professionalität. „Mit Christian Thielemann hat die Sächsische Staatskapelle Dresden einen Chefdirigenten gewonnen, der zu den herausragenden Künstlerpersönlichkeiten unserer Zeit gehört. Ganz persönlich hat mich in den Verhandlungen beeindruckt, wie sehr sich Christian Thielemann mit der Kultur- und Kunstgeschichte des Freistaates Sachsen und der Musikstadt Dresden identifiziert. Ich bin mir sicher, dass mit ihm ein weiteres erfolgreiches Kapitel in der über 460-jährigen Tradition der Staatskapelle aufgeschlagen wird“, so Prof. Dr. Dr. Sabine Freifrau von Schorlemer, die Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst. Die Vorfreude auf den neuen Chefdirigenten ist also groß und damit auch die Freude auf ein noch größeres Repertoire von Musik aus der Romantik bis zu zeitgenössischen Werken und noch mehr internationale Bekanntheit.