Wie der Kölner Stadtanzeiger berichtet, möchte nun auch Nokia einen Straßenbilderdienst ähnlich Google Street View anbieten. Demnach sollen die Aufnahmen dafür in Frankreich und Großbritannien starten. In Deutschland möchte der Konzern zunächst die Entwicklung um Street View abwarten.
Denn obwohl die Google-Autos mit ihren Kameras nach Konzernangaben bereits seit zwei Jahren durch Deutschland fahren und 360-Grad-Bilder von Städten aufnehmen, erreichte die Debatte um mögliche Verletzungen der Privatsphäre erst diesen Sommer ihren Höhepunkt. Datenschützer schlugen Alarm, warnten vor unzulässigen Eingriffen in die Privatsphäre. Auch die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern machten gegen Google Street View mobil und zwangen den Konzern zum Einlenken. Nun können Bürger gegen die Abbildung ihres Hauses im Rahmen des neuen Dienstes Widerspruch einlegen. Auch Nummernschilder und Personen sollen unkenntlich gemacht werden.
Reale vs. virtuelle Straße
Doch warum eigentlich die ganze Aufregung? Muss jetzt jeder, der auf der Straße Bilder macht, Angst vor den Datenschutzbeauftragten haben? Tatsächlich ist es doch eine schöne Sache, virtuell durch Städte zu spazieren, in die sonst bloß teure Flugreisen führen würden. Außerdem werden alle Aufnahmen von öffentlichen Straßen gemacht. Es gibt also nichts zu sehen, was nicht ohnehin jeder sehen könnte. Datenschützer bemühen gerne das Beispiel vom Ehemann, der auf einem Foto mit seiner Geliebten zu sehen ist. Doch mal ehrlich: Wer schaut, ob er seinen Partner auf Street View beim Seitensprung erwischt? Menschen in peinlichen Situationen gibt es auch auf der echten Straße. Sind sie nun peinlicher, weil sie auch auf der virtuellen zu sehen sind? Wohl kaum.
Aber Google Street View ist mehr als nur eine bloße Bildersammlung. Es ist ein weiteres Symbol der immer mehr ausufernden Datensammelwut großer Konzerne. Ob der gerade eingegebene Suchbegriff, welche Videos auf YouTube geschaut wurden oder das Klickverhalten bei den Suchergebnissen: Google liest mit. Vor diesem Horten von Daten warnen Experten schon lange. Nicht einmal sie wissen genau, was Google damit anstellt. Wo und wie werden sie gespeichert? Wer hat Zugriff darauf? Das weiß nur Google selbst.
Die großen Brüder – Sie beobachten dich
Und Google ist nicht alleine: Social Networks wie Facebook, Twitter und studiVZ, Onlineshops, Suchmaschinen oder auch der Staat: Sie alle sammeln riesige Mengen persönlicher Informationen. Was wäre, wenn all diese Daten vernetzt würden? Vielleicht genügt in ein paar Jahren ein Klick auf ein Gebäude bei Google Street View und wir wissen alles über den entsprechenden Bewohner. Dazu gehören natürlich Geburtsdatum, persönliche Beziehungen, Job, Fotos, Vorlieben und so weiter. Es fehlt nur an der Vernetzung bereits bestehender Informationen.
Auf der anderen Seite beteuern die Anbieter stets die Einhaltung von Gesetzen und Datenschutzbestimmungen. Doch diese Gesetze sind veraltet. Sie taugen nur bedingt dazu, neue technischen Entwicklungen und Möglichkeiten von sozialen Netzwerken oder Diensten wie Street View rechtlich zu beurteilen. Hier muss die Politik dringend neue Rahmenbedingungen schaffen und die Gesetze dem aktuellen Entwicklungsstand anpassen. Selbst mit grundlegenden Gesetzen scheint Google es nicht so genau zu nehmen. Wie konnte es sonst passieren, dass die Autos neben Fotos auch den privaten E-Mailverkehr mitschnitten? Waren da etwa doch nicht nur Kameras auf dem Autodach?
Die große Resonanz der Bürger auf die Widerspruchmöglichkeit bei Google Street View zeigt, dass die Bürger langsam genug haben: Genug von den Datensammlern an jeder Ecke, genug davon sich für Konzerne oder Staat datentechnisch zu entblößen. Sie realisieren, dass der gläserne Bürger längst keine Science-Fiction, sondern Realität geworden ist. Auch wenn die Debatte um Google Street View teilweise mit fragwürdigen Argumenten geführt wird, hilft sie hoffentlich den Menschen ein Bewusstsein für die mit Datensammlungen verbundenen Gefahren und die Tätigkeiten von Konzernen und Staat zu geben. Liebe Datenkraken, wir beobachten euch.