Am 11. Februar 2012 sollen in Deutschland die ersten „Anti-ACTA“-Demonstrationen stattfinden. In ganz Europa wollen an diesem Tag Menschen gegen das internationale Handelsabkommen „ACTA“ (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) demonstrieren. Die „Piratenpartei“ organisiert die europaweiten Demonstrationen und will so die Ratifizierung des Vertrags verhindern. Anders als in den USA, Japan und Australien ist dies in Europa noch möglich, da das EU-Parlament und die nationalen Volksvertretungen noch zustimmen müssen.
Eigentlich soll „ACTA“ Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen erschweren. Die ACTA-Gegner sehen in dem Vertragswerk allerdings eine Gefahr für die Freiheit im Internet. Deshalb gibt es auch eine an das EU-Parlament gerichtete Online-Petition gegen das Abkommen, die bereits über 1,5 Millionen Bürger unterzeichnet haben.
Unklares Vertragswerk
Von den ACTA-Gegnern werden schwere Vorwürfe erhoben: „Internetprovider werden gezwungen sein, automatische Sperren einzurichten, Kommunikation zu filtern und Inhalte zu löschen“, warnt Félix Tréguer, Verantwortlicher für Politik und Rechtsanalyse der Plattform „laquadrature.net“. Ihm widerspricht jedoch Philipp Blank, Pressesprecher der „Deutschen Telekom“: „Eine Verpflichtung zur Überwachung und Sanktionierung ist aus dem aktuellen Vertragsdokument nicht ersichtlich.“ Die Sperren seien zwar in früheren Entwürfen enthalten gewesen, mittlerweile aber gestrichen.
Einige Passagen des Textes wurden tatsächlich entschärft. Die aktuelle Fassung beinhaltet vor allem schwammige Begriffe, die viele Interpretationen zulassen. Provider könnten sich also tatsächlich genötigt sehen, rigide Maßnahmen zu ergreifen, damit sie nicht bezichtigt werden können, Urheberrechtsverstöße zu ermöglichen. „Falls ‚ACTA‘ eingeführt wird, wird es für Rechteinhaber möglich sein, durch Androhung rechtlicher Schritte gegen ‚Beihilfe‘ zu Urheberrechtsverstößen Druck auf jeden Akteur im Internet auszuüben“, behauptet Tréguer.
Experten sehen Gefahr für Grundrechte
Die Organisation „Digital Civil Rights in Europe“ bescheinigte „ACTA“ nicht mit europäischem Recht vereinbar zu sein. Ähnlich beurteilten die britischen Professoren Douwe Korff und Ian Brown den Vertrag. In einem Gutachten im Auftrag der europäischen Grünen stellten sie fest: „Unsere Analysen zeigen, dass ‚ACTA‘ in der jetzigen Form eine ernstzunehmende Bedrohung der Grundrechte in der EU und anderen Staaten darstellt.“
Auch die EU-Kommission ließ ein Rechtsgutachten erstellen. Einsicht in alle Dokumente bekamen die Gutachter allerdings nicht. Die Begründung: die sich auf die Rechtsgrundlage des Abkommens beziehenden Passagen könnten die Ratifizierung beeinflussen. Unterdessen hat die EU-Kommission ein Dokument veröffentlicht, das über „ACTA“ aufklären soll. Der „Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur“ verglich die Aussagen der EU-Kommission mit der Vertragswirklichkeit und betitelte sie als Propaganda.
Ein Zeichen setzen wollte Kader Arif, ein sozialdemokratischer Europaabgeordneter. Er legte sein Amt als Berichterstatter im Handelsausschuss des europäischen Parlaments am 26. Januar 2012 nieder. „Ich will eine starke Botschaft senden und die Öffentlichkeit vor dieser unakzeptablen Situation warnen. Ich werde kein Teil dieser Maskerade sein“, begründete er seinen Rücktritt.