Soziale Medien dienen Radiosendern immer mehr als Kommunikationsplattform. „Sie sollten trotzdem keine zu große Rolle zugewiesen bekommen“, fordert Social-Media-Berater Scherbeck.
Unverständnis machte sich breit, als Anfang Mai mehrere „ORF“-Radios ein „Facebook“-Verbot erhielten. Die „Kommunikationsbehörde Austria“ berief sich bei ihrem Entschluss auf mehrere Stellen im „ORF“-Gesetz. Dieses verbietet „die Bereitstellung von Online-Angeboten unter anderem in Form der Kooperation mit sozialen Netzwerken“.
Radiosender wie „Hitradio Ö3“ oder „Radio FM4“ durften danach keine Inhalte mehr in sozialen Netzwerken veröffentlichen, schon bald übernahmen Hörer deren „Facebook“-Seiten. Seit Mitte Juni allerdings räumt der Verwaltungsgerichtshof dem „ORF“ aufschiebende Wirkung ein. „Wir lassen jetzt mal die Sektkorken knallen“, schrieben danach die Mitarbeiter von „Hitradio Ö3“ auf ihrer „Facebook“-Seite. Die Frage, die sich seitdem stellt: Wie existentiell sind Social Media für den Hörfunk?
Soziale Netzwerke als Kommunikationstool für Radiosender
Bastian Scherbeck, Geschäftsführer der Social-Media-Beraterfirma „We are Social“ sieht Soziale Medien als Chance für den Hörfunk, mit seinen Fans dauerhaft in Kontakt zu treten. Sinnvoll sei das allerdings nur, wenn die Zielgruppe des Radiosenders auch in Sozialen Netzwerken unterwegs sei. „Viele Unternehmen werden immer interaktiver. Letztendlich will das Radio seine Hörer täglich an sich binden und das kann ich dort besonders gut, wo sie eh schon unterwegs sind.“ Dabei sollte aber nicht die Werbung für den eigenen Kanal im Mittelpunkt stehen, warnt der Social-Media-Experte. Letztendlich gehe es darum, wie Hörern ein Mehrwert über das eigene Medium hinaus geboten werden könne.
Marc Silva arbeitet als Marketing-Fachmann bei „MDR Jump“ täglich mit sozialen Netzwerken: „Neben Anrufen bei der ‚MDR Jump‘ Hotline, Emails und Briefen, erhalten wir auf unserem ‚Facebook‘-Profil täglich viele Musikwünsche. Auch Lob, Kritik, Grüße, Blitzer- und Verkehrsmeldungen sowie Fragen zu Programminhalten, Aktionen, Events und Konzerten nehmen wir dort entgegen.“ Mehrmals täglich stellt der Sender diskussionswürdige Themen auf seine „Facebook“-Seite, das sofortige Hörer-Feedback fließt dann in die Sendung ein.
„Likes“ und „Follower“ als Währung
Auch für kleine Radiosender können Social Networks eine Chance sein. Sigrun Rottstädt, Chefredakteurin von „Apollo Radio“, kann das nur bestätigen: „Durch das Internet hat man eine weitere Plattform, um Hörer zu gewinnen – und zwar weltweit. Das zeigen auch unsere Auswertungen.“ Die „Likes“ auf „Facebook“ seien bei „Apollo Radio“ mittlerweile fast genauso wichtig wie die Hörerzahlen.
Social-Media-Berater Bastian Scherbeck warnt allerdings davor, Sozialen Netzwerken eine zu hohe Bedeutung zu zumessen, es werde oft zu stark auf „Likes“ und „Follower“ geachtet. „Die Frage ist, inwieweit das sinnvoll ist. Je nachdem, wie viel Aufwand ich betreibe, kann ich hohe Fan-Zahlen produzieren, nur sind das wirklich meine Zuhörer?“, fragt Scherbeck. Von Bedeutung seien da eher die Interaktionen der Fans bei einzelnen Posts. Erst dadurch könnten eventuell auch die Freunde der direkten Fans Inhalte teilen – und somit neue Hörer für die Sender gewinnen.
Ständige Marktbeobachtung ist Pflicht
Ob und wie stark ein Radiosender in Sozialen Netzwerken aktiv sein sollte, sollte gut abgewägt werden. Bastian Scherbeck kann Zurückhaltung durchaus verstehen: „Die Mitarbeiter haben mit wahnsinnig viel Arbeit Material erstellt, zum Beispiel einen Hörfunkbeitrag, und dann gibt es den bei ‚Facebook‘. Da ist es nur verständlich, dass Fragen aufkommen, wie zum Beispiel: Was passiert mit meinem Beitrag? Verliere ich jetzt meine Rechte daran?“
„Trotzdem werden Soziale Medien voraussichtlich nicht an Stellenwert verlieren, sondern noch wichtiger werden“, schätzt Marc Silva von „MDR Jump“. Es sei allerdings nicht vorhersehbar, ob heute dominierende Netzwerke in Zukunft schwächeln oder gar von anderen abgelöst werden. Damit daraus für einen Radiosender kein Problem entsteht, ist eine permanente Marktanalyse unabdingbar. „Aktuell beobachten wir die Entwicklung von ‚Google+‘ sehr genau, um den richtigen Einstiegspunkt nicht zu verpassen und gegebenenfalls auch in unserer sozialen Medienpräsenz einen Gegenpol zu ‚Facebook‘ aufzubauen“, erzählt Silva. Nur durch solche Abwägungen kann der Hörfunk dauerhaft erfolgreich im Kontakt mit seinen Hörern bleiben.
Text: Lisa Limbach. Bild: flickr, wikipedia, Fotograf: Alan Klim, Marsupilami, youtube, facebook, twitter, Bearbeitung: Nicole Schaum.