Was bisher geschah: Vergangene Woche gab der „Netzwerk Recherche“-Vorsitzende Thomas Leif – seines Zeichens Chefreporter des „SWR“ – den Vereinsmitgliedern bekannt, dass man auf fehlerhafte Abrechnungen des Vereins gestoßen sei. Zwei hinzugezogene Wirtschaftsprüfer bestätigten die Vermutungen. Die vollständige „Verantwortung für mögliche Abrechnungsfehler“ hat Thomas Leif auf einer Vorstandssitzung übernommen. Die fraglichen Posten summieren sich auf 75.000 Euro. Gelder, die der Verein als Tagungszuschüsse von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) über die letzten vier Jahre erhalten hat. Das Problem dabei ist, dass diese Fördergelder nur gezahlt werden dürfen, wenn die Veranstaltungen des „Netzwerk Recherche“ (NR) dem Verein Verluste eingebracht hätten – dies war aber nicht der Fall.
Ein forcierter Rücktritt
Nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten forderten die führenden Köpfe rund um Leifs Stellvertreter Hans Leyendecker („Süddeutsche Zeitung“) den Rücktritt ihres Vorsitzenden. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, drohten sie vergangenen Freitag bei der Feier zum zehnten Jubiläum mit dem eigenen Rücktritt, sollte Leif sein Amt nicht niederlegen. „Es sind gravierende Fehler gemacht worden, die die Glaubwürdigkeit eines Vereins wie ‚Netzwerk Recherche‘ bedrohen könnten, wenn nicht alle Konsequenzen gezogen werden“, begründete „NR“-Vize Leyendecker die Rücktrittsforderungen. Leif selbst sieht seinen Abgang aber nicht als Rücktritt – seine Amtszeit wäre ohnehin ausgelaufen, sagte er am Samstag der „dpa“.
Unhaltbare Zustände
Aber warum ist der Rücktritt von Thomas Leif nötig gewesen? Auch wenn „Netzwerk Recherche“ die fraglichen Fördergelder sofort der „bpb“ zurückgezahlt hat, sind die Vorgänge zu imageschädigend. Für einen Vorzeigeverein, der sich Glaubwürdigkeit und Qualitätsjournalismus auf die Fahne geschrieben hat, ist auch nur die Vermutung, ungerechtfertigt öffentliche Gelder erhalten zu haben, ein folgenschwerer Fauxpas. Um die Glaubwürdigkeit der eigenen Institution zu erhalten, mussten also Köpfe rollen. Da Thomas Leif die Verantwortung für die Abrechnungsfehler übernommen hat, musste er gehen, auch wenn er die Notwendigkeit dazu nicht sah.
Für ihn und seine Unterstützer scheint die Krise nur ein Grund für einen internen Putsch gewesen zu sein. Stellvertreter Leyendecker weist diese Vorwürfe von sich. „Wir haben ja niemanden, der an seine Stelle treten könnte. Das ist sein Lebenswerk“, sagte er dem Handelsblatt. Leif habe außerdem unheimlich viel für „Netzwerk Recherche“ getan. Er nehme ihm ab, dass es sich keinesfalls um Vorsatz handele. Aber ein Verein wie Netzwerk Recherche, der Ethik einfordere, müsse dies auch vorleben und absolut transparent handeln, so Leyendecker weiter.
Unsichere Zukunft
Wer neuer Vorsitzender von „Netzwerk Recherche“ wird, ist noch unklar. Die Vorstandswahlen werden vermutlich im Herbst stattfinden. Bis dahin wird der Restvorstand um Hans Leyendecker den Verein am Leben halten. Der zweite Vorsitzende Leyendecker wird laut Handelsblatt, dann aber auch selbst nicht mehr für den Verein zur Verfügung stehen.