„Unsere Zuschauer sind nicht doof“

von | 30. Oktober 2012

Ein Blick in die Programmzeitschrift zeigt es ganz deutlich: Kaum ein Format ist derzeit so stark im Nachmittagsprogramm privater Fernsehsender vertreten wie Scripted Reality. Die Pseudo-Dokumentationen laufen äußerst erfolgreich und […]

In der Diskussionsrunde „Scripted Reality auf dem Prüfstand“ klärten die Referenten, ob die große Kritik am Format gerechtfertigt ist.

Ein Blick in die Programmzeitschrift zeigt es ganz deutlich: Kaum ein Format ist derzeit so stark im Nachmittagsprogramm privater Fernsehsender vertreten wie Scripted Reality. Die Pseudo-Dokumentationen laufen äußerst erfolgreich und werden aber auch häufig stark kritisiert. „Assis spielen Assis für Assis“, wurde Dieter Nuhr zitiert um die häufigsten Vorwürfe zusammen zu fassen. Inwieweit diese Kritikpunkte gerechtfertigt sind, war Gegenstand der Diskussionsrunde „Fast wie im richtigen Leben – Scripted Reality auf dem Prüfstand“.

„Man bleibt drauf hängen, kriegt Schamgefühle und will es nicht sehen. Doch dann ist schon eine Stunde vorbei“, so beschreibt Moderatorin Madita van Hülsen das Zappen durch das Angebot von Scripted Reality-Shows. Sie selbst arbeitete ein Jahr als Redakteurin bei „Die Schulermittler“, machte aber auch negative Erfahrungen als Protagonistin bei „Zieh mich an“.

Schauspielerisches Niveau ist gering

Ebenfalls aus der Praxis berichtete Laiendarsteller und Student Steffen Albus, der eine Rolle bei „Familien im Brennpunkt“ gespielt hatte. „Da das schauspielerische Niveau nicht so hoch ist, wurden beim Casting durch die Produktionsfirma alle Darsteller genommen“, erzählte er. Beim Dreh selbst habe er sich aber sehr geborgen gefühlt und könne anderslautende negative Berichte daher nicht bestätigen.

David Harnasch, Chefredakteur des Magazins „liberal“ der Friedrich-Naumann-Stiftung, beschrieb einen ganz anderen Praxisbezug zu den Formaten. Er habe aufgrund seiner ausländischen Freundin, die gerade die deutsche Sprache erlerne, RTL2 komplett aus der Senderliste verbannt. „Ich will vermeiden, dass sie ein völlig falsches Bild erhält und den Gossenjargon übernimmt“, erklärte er. Zusätzliche gesetzliche Regelungen in Bezug auf den Schutz der Darsteller sah er eher kritisch: „Erwachsene Menschen wissen, was sie tun.“

Umfangreiche Verträge im Vorfeld

Rechtsanwalt Oliver W. Heinz verwies im Gegenzug darauf, dass es beispielsweise durch das Persönlichkeitsrecht durchaus gesetzliche Regelungen gäbe. Außerdem sei die Teilnahme durch vorherige Einwilligungserklärungen fixiert. „Diese Verträge wirken oft kompliziert, weil sie umfassende Rechteübertragungen enthalten. Sie sollten dennoch immer genau gelesen werden“, rät er.

Ein häufiger Vorwurf gegenüber Scripted Reality-Formaten ist ein prognostizierter schlechter Einfluss auf Kinder, die zwischen Fiktion und Realität nicht unterscheiden können. „Da werden soziale Normen vermittelt, die gesellschaftlich nicht wünschenswert sind“, führte David Harnasch aus. Anne-Mary Pietrzak, Referentin der Mediengruppe RTL, teilte die Kritikpunkte an den Formaten ihres Arbeitgebers nicht: „Vom Drehbuch bis zur Endabnahme durchläuft jede Sendung vier Mal eine Überprüfung durch den Jugendschutz, bei der die Moralvorstellungen genau analysiert werden“, entgegnete sie. Außerdem sprächen die Nachmittagssendungen ein Publikum ab 14 Jahren an. Schließlich gäbe es auch eine gewisse elterliche Sorgfaltspflicht.

Bewusste Entscheidung für Scripted Reality

Auch Steffen Cordes, Geschäftsführer der „Filmpool Film- und Fernsehproduktion“, konterte: „Die meisten Leute wissen, dass die Sendungen fiktiv sind. Es ist ihnen aber egal, weil sie es sehen wollen.“ Zudem wies er auf die Kennzeichnungen am Anfang und Ende der Sendungen hin, die laut Rechtsanwalt Oliver W. Heinz völlig freiwillig seien.

Schlussendlich räumte Anne-Mary Pietrzak mit dem Vorurteil des „Hartz IV-TV“ auf. „Unsere Studien belegen, dass nicht nur das untere Drittel der Gesellschaft dargestellt wird“, erläuterte sie. Es gäbe genug Auswahl im Nachmittagsprogramm, dennoch würden zwei Millionen Zuschauer aus allen Gesellschaftsschichten gerne RTL sehen. „Wir glauben nicht, dass unsere Zuschauer doof sind“, ist Pietrzak überzeugt.

Text: Ole Reiss. Bild: Medienforum, Bearbeitung: Medienforum.

 

<h3>Lorena Gasteyer</h3>

Lorena Gasteyer