Kommentar: Medien sind „Facebook“-süchtig

von | 20. Juni 2011

Jeder kann sich bei "Facebook" anmelden und ein Teil des Netzwerkes werden. Dabei arbeiten die Medien ihre eigene Bedeutungslosigkeit in der digitalen Welt nur noch stärker heraus. Sie setzen einseitig auf das soziale Netzwerk und machen sich abhängig – sollte die Blase irgendwann platzen, sind sie unvorbereitet.

Beinahe täglich gibt es etwas neues in den Medien von „Facebook“ zu hören. Sei es die Endlosdebatte um das Thema Datenschutz oder der Aufkauf anderer Firmen, wie jüngst beim Mac-Softwarespezialisten „Sofa“. Der Medienhype um das weltweit erfolgreichste soziale Netzwerk nimmt nicht ab. Auch die Werbeindustrie scheint „Facebook“ verfallen. Beinahe jede Firma wirbt auf der Plattform. Auch Medien machen keine Ausnahme und preisen ihre „Facebook“-Präsenzen an und machen sich damit von der Willkür „Facebooks“ abhängig.

Das Netzwerk ist mächtig geworden. Weltweit hat „Coca Cola“ die meisten „Gefällt mir“-Klicks, sicher wird auch das bald von der entsprechenden Marketingabteilung als Kaufgrund dargestellt. Jeder, der nicht angemeldet ist, sagen Medien und scheinbar auch die Werbewirtschaft, dem entgeht etwas. Leider wird „Facebook“ damit das Maß aller Dinge oder genauer: der „Gefällt mir“-Button. Schon längst ist ein Kampf um die meisten „Likes“ entbrannt, eine neue Internetwährung geboren. Die Informationsflut an empfohlenen Inhalten ist jedoch zu groß, vom normalen „Facebook“-Nutzer kaum zu bewältigen. Sinnlosigkeit gibt es nicht mehr – im Gegensatz hat sie mit „Facebook“ einen neuen Namen gefunden.

Überlaufene Party hätte ohne „Facebook“ keinen Nachrichtenwert

Die Medien lechzen förmlich nach Nachrichten und Skandalen über und mit „Facebook“. So ist die Funktion, eine Veranstaltung zu erstellen, genauso alt wie „Facebook“ selbst. Als die 16-jährige Tessa jedoch aus Versehen eine Einladung zu ihrer Geburtstagsparty öffentlich verschickt und sich eine Massenparty andeutet, stürzen sich Medien auf die Story. Durch „Facebook“ wird der sonst so private Brauch zu einem öffentlichen Ereignis. Auch wenn „Bild“ und „RTL“ solchen Themen schon immer ein wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht haben, scheint ein neuer Höhepunkt erreicht: Es gibt nämlich selbst zu Zeiten von übermächtigen sozialen Netzwerken immer noch wichtigere Nachrichtenthemen als eine womöglich überlaufene Geburtstagsparty.

Medien zu ideenlos im Web unterwegs

„Facebook“ war auf der Titelseite des „Handelsblattes“, der „Financial Times“ und der „Bild“ sowieso. Aus dem anfänglichen Kult ist ein 100-Milliarden-Dollar-Unternehmen geworden – der Wert ist höher, als der von „Deutsche Bank“, „Lufthansa“ und „Post“ zusammen. So gesehen ist das schon faszinierend. Jedoch könnte die „Facebook“- Blase bald platzen. Der Unternehmenswert von „Facebook“ ist einfach zu hoch kalkuliert. Im Jahr 2010 hatte das Unternehmen nämlich nur einen Jahresumsatz von circa zwei Milliarden Dollar. Es steht zu befürchten, dass die herkömmlichen Medien im sozialen Web ihre Bedeutung vollkommen verlieren. Ohne „Facebook“ würde sich dann wieder das eigentliche Problem zeigen: Den Medien fehlt eine wirkliche Strategie, eine eigene Idee. Die platonische „Wir sind ja auch auf Facebook“-Ausrede zählt da wenig.

 

<h3>Steve Martin</h3>

Steve Martin