Einst waren sie journalistische Alternativen zur lokalen Presse. Doch mittlerweile haben sich viele Stadtmagazine über die Jahre in Richtung Serviceblätter entwickelt. Um den stark sinkenden Auflagen entgegenzuwirken, muss laut Experten verstärkt auf Content gesetzt und der Service-Teil ins Netz verlagert werden.
Rückläufige Auflagen, schrumpfende Anzeigeneinnahmen bis hin zu kompletten Blatteinstellungen: Was derzeit charakteristisch für die allgemeine Situation des Print-Sektors ist, gilt auch für deutsche Stadtmagazine im Speziellen. Erst Mitte November gab der „Jahreszeiten Verlag“ bekannt, die gedruckte Version der Stadtmagazin-Reihe „Prinz“ mit Großstadt-Ausgaben von Bremen bis München zum Ende des Jahres einzustellen. Im Fünf-Jahresvergleich sanken die verkauften Auflagen der Top 10 Stadtmagazine erheblich, um durchschnittlich 25 Prozent.
Alleinstellungsmerkmal muss guter Journalismus sein
Die Magazine werden sicherlich auch weiterhin stark unter Druck geraten, ist sich Prof. Christof Seeger, Studiendekan für Print & Publishing an der „Hochschule der Medien“ in Stuttgart, sicher: „Der reine Service-Inhalt ist heute kaum mehr verkaufbar und in der gedruckten Version auch nicht mehr aktuell genug.“ Chefredakteur des Bochumer Stadtmagazins „coolibri“ Werner Dickob differenziert: „Service ist für sich ja nichts Schlechtes, aber macht kein Alleinstellungsmerkmal aus, das man in diesem Segment nur mit gutem Journalismus erreichen kann.“ Reine Serviceblätter hält auch Gerald Domdey, Geschäftsführer des „Projekt Verlags“ und Herausgeber des Stuttgarter Stadtmagazins „LIFT“, für überflüssig: „In diesem Bereich ist das Netz wesentlich stärker.“
Die negative Entwicklung hin zum Service-Blatt hat „coolibri“-Chefredakteur Dickob unmittelbar miterlebt. Bis Ende der 1990er Jahre gewann das meistgelesene Stadtmagazin in Deutschland stetig an Umfang, wodurch mehr Platz für Texte ohne Veranstaltungshintergrund zur Verfügung stand. In dieser Zeit bereicherten spezielle Themenrubriken, Porträts und Hintergrundserien inklusive Meinungsjournalismus das Angebot.
Mit dem Rückgang des Anzeigenmarktes verringerte sich jedoch die Seitenzahl der kostenlosen Zeitschrift, wodurch die redaktionellen Rubriken wieder weichen mussten – das Heft entwickelte sich zum Veranstaltungsmagazin. „Diesem nicht schlechten, aber auch nicht guten Image arbeitet unsere Redaktion seit zwei Jahren mit längeren, kontroversen Themen, Gastkommentaren, Porträts sowie Interviews mit Künstlern entgegen“, verdeutlicht Dickob.
Die Mischung macht’s
Stadtmagazine haben aber auch durchaus ihre Stärken, gerade im Vergleich zur lokalen Presse. „Tageszeitungen und Onlinedienste berichten Tag für Tag über einzelne Events. Die große Zusammenstellung und das Gewichten von Themen über einen längeren Zeitraum funktioniert jedoch nur in einem Stadtmagazin“, erklärt Nils Bremer, Chefredakteur vom Frankfurter „Journal“. Hinzu kommt das Magazindesign, das intensive Themenauseinandersetzungen unterstützt. „Reportagen mit sechs bis acht Seiten Umfang findet man in Tageszeitungen nicht“, ergänzt er.
Das Frankfurter Stadtmagazin hat sich daher von reinen Service-Strecken weitgehend verabschiedet und legt den Fokus auf interessanten Content. „Der Leser erwartet eine journalistische Aufarbeitung – schließlich bezahlt er dafür auch Geld“, betont Bremer. Die Relevanz für das „Journal“ ergebe sich aus einer Mischung von Print und Online. Während der komplette Veranstaltungskalender auf der Website zu finden ist, werden im Heft lediglich die Termine thematisiert, bei denen sich die Redaktion sicher ist: Die darf ein Frankfurter nicht verpassen. „Somit haben wir im Heft mehr Platz für Hintergrundberichte, Reportagen sowie Interviews zu Politik, Kultur und Nachtleben“, erklärt Bremer.
Funktion der Magazine hat sich geändert
Was sich heute zu einer Mischung aus journalistischem Inhalt und Service-Elementen entwickelt hat, folgte in den 1970er und 1980er Jahren allerdings noch ganz anderen Intentionen, erinnert sich Verlagsexperte Holger Ehling: „Damals bildeten die Stadtmagazine einen wichtigen Gegenpol zur oft recht konservativen Meinungsführerschaft regionaler oder lokaler Tageszeitungen, die in vielen Regionen als Monopolisten auftraten.“ Durch die Entstehung vielfältiger anderer Formate, vor allem aber seit dem Start des Internets in den 1990ern, fiele diese Funktion immer mehr weg.
Lokaljournalismus als Chance
Über die weitere Entwicklung der Stadtmagazine sind die Experten geteilter Meinung. Während Studiendekan Seeger für gedruckte Stadtmagazine keine Zukunft sieht, räumt Branchenkenner Ehling den Blättern positive Entwicklungs-Chancen ein, solange diese sich auf ihre Ursprünge besinnen würden: „Gefragt ist der freche, frische Blick auf das Geschehen in der Region, pfiffig geschrieben und präsentiert.“ Dabei wäre eine Online-Präsenz unabdingbar, um Aktualität herzustellen und Service zu bieten.
Auch „Journal“-Chefredakteur Bremer aus der Finanzmetropole ist positiv gestimmt: „In Zeiten verstärkter Regionalisierung von Nachrichten ist es nur logisch, dass gut gemachte, lokal verwurzelte Stadtmagazine durchaus optimistisch in die Zukunft blicken können.“ Stadtmagazine würden dabei helfen, die Stadt wirklich zu erleben und ganz anders kennenzulernen.
Text: Fabian Warzecha, Bild:sxc.hu, port01.com, stadtmagazin07.de,blitz-world.de Fotograf: nkzs , Bearbeitung: Nathalie Gersch.