Keine Lust auf Neues

von | 28. November 2012

Die kritische Betrachtung von sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook und Co. ist gerade bei den Deutschen besonders ausgeprägt. Es dauert lange, bis sich neue Plattformen etablieren können. Besonders Twitter wird in […]

Deutsche scheinen sich gegen neue Netzwerke wie Twitter regelrecht zu wehren.

Die kritische Betrachtung von sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook und Co. ist gerade bei den Deutschen besonders ausgeprägt. Es dauert lange, bis sich neue Plattformen etablieren können. Besonders Twitter wird in Deutschland noch verhältnismäßig wenig genutzt.

Eine Studie des „GlobalWebIndex“, die im September 2012 auf Statista.de veröffentlicht wurde, zeigt, den Deutschen fehlt die Begeisterung zum Twittern. Es wurden innerhalb eines Quartals gerade einmal 2,4 Millionen aktive Nutzer gezählt, die mindestens einmal im Monat einen Tweet sendeten. Im Vergleich zu Spanien oder Großbritannien ist das nur knapp die Hälfte.

„Google, Facebook und Twitter sind irgendwie böse“

Für Social Media-Experte Bastian Koch ist klar, soziale Netzwerke in Deutschland haben ein Imageproblem: „Google, Facebook und Twitter sind irgendwie böse, weil sie den Datenschutz und die Privatsphäre nicht beachten. Das setzt sich in den Köpfen fest und macht es daher solchen sozialen Netzen schwerer als in anderen Ländern.“

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Eine Umfrage unter den Studenten der Hochschule Mittweida verdeutlicht die Distanz zu Twitter – selbst unter jungen Leuten. 84 Prozent der hundert Befragten besitzen keinen Twitteraccount und davon können sich auch 72 Prozent nicht vorstellen, sich bei Twitter anzumelden. Selbst über die Hälfte der registrierten Studenten nutzt den Account selten oder gar nicht – sind also nur passive Follower. Die meisten wissen um den Nutzen, dass über den Microblogging-Dienst Informationen in kürzester Zeit schnell und weit verbreitet werden können. Sie sehen allerdings für sich keinen Mehrwert oder wissen nicht, was sie posten sollen. 19 Prozent der Studenten sehen den Kurznachrichtendienst nur als lästigen Datenkrake.

Twitter existiert bereits seit 2006. In Deutschland wurden die Nutzerzahlen 2009 erstmals in einer Nielsen-Studie erfasst. Damals wurden im Juni immerhin doppelt so viele Nutzer wie noch im April desselben Jahres gezählt. Allerdings wurde gerade mal knapp ein Drittel der Erst-User auch wieder im nächsten Quartal auf Twitter aktiv. Das Interesse war also da, doch konnte Twitter die angelockten Neukunden nicht binden.

Deutschland ist ein zäher Markt für Neuerungen

Die Deutschen taten sich schon immer schwer mit Neuerungen, deshalb ist es für den Social Media-Experten Bastian Koch keine Besonderheit, dass dies auch im Bereich der sozialen Netzwerke zutrifft: „Selbst Facebook hat eine Weile gebraucht, nämlich bis vor ungefähr zwei Jahren, bis es das Wachstum hatte, was mittlerweile erreicht wurde.“ Twitter ist nur rund drei Jahre jünger als Facebook und durchaus vielen Menschen bekannt. Es wird oft in den Medien zitiert und hat sogar schon Revolutionen ausgelöst oder zumindest unterstützt. Koch ist davon überzeugt, dass die Deutschen lediglich das Potential von Twitter noch nicht erkannt haben und da einfach länger brauchen.

„Es ist in Deutschland leider immer noch so, dass das Internet und gerade soziale Netzwerke sehr kritisch gesehen werden. Das heißt Berichterstattungen über Google oder Facebook legen den Fokus eher auf den Bereich Datenschutz und Privatsphäre-Richtlinien“, erklärt Blogger Bastian Koch. Selbst etablierte Medien wie die Tagesschau oder die Tagesthemen distanzieren sich in der Berichterstattung von Onlinediensten. „Wenn Inhalte genutzt werden, wie zum Beispiel bei der Berichterstattung zum arabischen Frühling, dann spricht man nur von der ‚Quelle Internetvideo‘ oder der ‚Quelle Twitter‘, also eher von dem technischen Aspekt und auch immer mit einem sehr despektierlichen Unterton“, verdeutlicht er weiter. Twitter müsse sich hier noch durchsetzen und das könne noch dauern.

Der Kauf von Konkurrenz soll die Probleme lösen

Als weiteren Grund für die geringen Nutzerzahlen führt Koch die Verwendung von externen Apps auf, wie zum  Beispiel „Twittelator“ oder „Birdfeed“. Diese funktionieren ähnlich wie die twittereigene App, gehen allerdings an der Zählung der Twitternutzer vorbei. Denn es ist nicht notwendig, sich auf der Twitterseite einzuloggen um einen Tweet zu versenden. „Wenn man über eine App Twitter mit Nachrichten befüllt oder Direktnachrichten verschickt, Fotos postet und so weiter, dann fließt das mit in die Timeline hinein“, so der Social Media-Experte.

Der Kauf von Apps wie „TweetDeck“ ist ein Versuch des Microblogging-Dienstes, dieses Problem zu lösen und Kontrolle in das Twitter-Nutzerchaos zu bringen. „Da hat Twitter mittlerweile reagiert und macht so nach und nach die Schnittstellen für externe Apps zu und versucht damit die eigene Seite deutlich mehr zu puschen“, weiß Koch.

Das perfekte Recherchetool

Gerade bei Medienmachern setzt sich Twitter trotzdem immer mehr durch. Für den Autor Bastian Koch ist Twitter das perfekte Recherchetool, noch besser als Google, weil Daten in Echtzeit angezeigt und recherchiert werden können. Twitter sei ein guter Weg, über Kampagnen, Veranstaltungen, die Aktivitäten von Freunden und über alles, was passiert, sofort zu berichten und zu erfahren.

Text: Holger Klose, Bild: Christian Kandels, Bearbeitung: Christian Kandels.

 

<h3>Holger Klose</h3>

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