Von Tradition kann bei Bezahlfernsehen in Deutschland keineswegs die Rede sein. Dennoch wächst der Markt hierzulande immer mehr. Gründe dafür sind High Definition, exklusive Inhalte und flexible Verfügbarkeit.
Es ist schon irgendwie bezeichnend: „Sky Deutschland“, immerhin Marktführer, verfehlt abermals die Gewinnzone – genauer gesagt das siebte Jahr in Folge – und wieder muss neues Kapital in das Unternehmen. Die Deutschlandzentrale von „Sky“ hat am 14. Januar vermelden lassen, dass „News Corp.“, der Mischkonzern des australischen Medienunternehmers Rupert Murdoch, die Mehrheit am deutschen Bezahlsender übernehmen und abermals Millionen investieren wird. Doch obwohl Bezahlfernsehen eine der größten Kapitalvernichtungen der deutschen Wirtschaftsgeschichte bleibt, sehen bewährte Podien und Mediendienste die Branche in Deutschland seit vergangenem Jahr durchaus etabliert.
Pay-TV-Anbieter mit guten Zahlen
Grund zu dieser Annahme liefern derzeit alle wesentlichen Marktteilnehmer: Angefangen vom Münchener Konzern „Sky“, über die Kabelnetzbetreiber „Kabel Deutschland“ und die frisch fusionierte „Unitymedia KabelBW“, bis hin zum IPTV-Marktführer „Deutsche Telekom“ – sie alle verzeichnen laufend steigende Nutzerzahlen bei ihren Fernseh- und Pay-TV-Angeboten. Im Jahrbuch der Landesmedienanstalten 2011/2012 wird ein Abonnement-Zuwachs bei Bezahlfernsehen von 15 Prozent ausgewiesen.
Und auch die Zukunft scheint vielversprechend: Die firmeneigene Marktforschung der Commerzbank AG, „Corporates & Markets“, prognostiziert für 2014 eine Verbreitung von Pay-TV von knapp 25 Prozent in der Bevölkerung. Zum Vergleich: Noch vor vier Jahren lag dieser Wert bei etwa zehn Prozent.
Kunden schätzen brillante Qualität
Der entscheidendste Treiber für Wachstum im Pay-TV-Segment ist „High Definition“. „Zuschauer lieben die hochauflösenden Bilder und sind bereit, dafür Geld auszugeben“, berichtet Susanne Aigner-Drews, Geschäftsführerin von „Discovery Networks Deutschland“, dem deutschen Ableger des weltweiten TV-Konzerns mit Bezahl- und Free-TV-Angeboten. So verzeichnet „Sky“ knapp 60 HD-Sender im Programm, die Deutsche Telekom 41 und Kabel Deutschland 30. Via „HD+“, dem kostenpflichtigen HD-Angebot der privaten Free-TV-Sender, sind dagegen aktuell lediglich 15 Programme in höchster Auflösung empfangbar.
Eng verbunden mit den hochauflösenden Bildern spielt auch der Content eine wesentliche Rolle. „Sky bietet Inhalte, die Zuschauer woanders in dieser Form nicht bekommen“, erklärt Medienexperte und Publizist Werner Lauff. So biete die vergleichsweise günstigere Plattform „HD+“ zwar RTL und Co. in High Definition, damit würde aber lediglich alter Inhalt in neuer Auflösung vermarktet werden, führt Lauff fort.
Fernsehen – egal wann und wo
Neben HD-Qualität und speziellen Inhalten erhöht auch die flexible Verfügbarkeit die Attraktivität von Pay-TV. „Zuschauer wollen ihre Lieblingssendungen anschauen, wann sie wollen und wo sie wollen“, erklärt Aigner-Drews von „Discovery Networks Deutschland“. Das beinhaltet zum einen den zeitlichen Umfang – so können die Kunden sowohl linear als auch „on demand“ fernsehen.
Zum anderen sind den Abonnenten aber auch räumlich kaum mehr Grenzen gesetzt: Mit „Sky Go“ oder dem angekündigten „Entertain to go“ der Deutschen Telekom können Filme und Sendungen auch unterwegs auf den verschiedensten Endgeräten konsumiert werden.
Deutsche von öffentlich-rechtlichem Angebot und Free-TV verwöhnt
Was heute nach Aufbruchsstimmung im Pay-TV klingt, schien vor Jahren allerdings noch völlig undenkbar. „Pointiert formuliert hat das direkte Bezahlen für Fernsehinhalte einfach keine Tradition“, fasst Kai Weidlich, Geschäftsführer des „Medien Institut Vlasic & Weidlich“ mit Kompetenzen in Markt- und Medienforschung, die Situation in Deutschland zusammen. Das öffentlich-rechtliche Mediensystem mit seiner Vielfalt ist seit Jahrzehnten in Deutschland etabliert, für das nur mittelbar über die Rundfunkgebühr bezahlt wird. Darüber hinaus ist auch das Free-TV-Angebot breitgefächert wie kaum in einem anderen europäischen Land.
Branchenfremde versuchen sich im Markt
Den wachsenden Trend nach Individualität und Flexibilität im Bewegtbild-Segment haben aber nicht nur klassische Abo-Anbieter erkannt. Immer mehr Anbieter von kostenpflichtigen Inhalten drängen auf den Markt, etwa Kabel- und Telekommunikationsunternehmen sowie TV-Sender, die eigene Video-on-Demand-Dienste starten. „maxdome“ von ProSiebenSat.1, das nach eigenen Aussagen größte Video-on-Demand-Portal Europas, bietet beispielsweise über 45.000 Titel gegen Gebühr, oft auch in HD-Qualität oder englischer Originalversion.
Zunehmender Wettbewerb wird Preise sinken lassen
Forscher der „Hochschule RheinMain“ prognostizieren daher eine Verschärfung der Marktbedingungen in den kommenden Jahren. Angebotsformen, bei denen gegen Bezahlung exklusive Inhalte wie Spielfilme, Serien oder die Fußball-Bundesliga anzuschauen sind, werden – unabhängig von ihrer technischen Verbreitungsform – in steigender Rivalität um Kunden stehen.
Der Wettbewerb würde auch in den kommenden Jahren noch über Inhalte und Preise ausgetragen werden. Dies führe dazu, dass Anbieter exklusiver Inhalte mit den Preisen nachgeben, während niedrigpreisige Nischenanbieter bessere Sende-Portfolios aufbauen müssten, um konkurrenzfähig zu bleiben, so die Forscher.
„Sky“ auf Profit angewiesen
Gerade für „Sky“ wären sinkende Abopreise unangenehme Aussichten – kommen auf den Münchener Konzern ab diesem Jahr doch Kosten in Höhe von stattlichen 486 Millionen Euro für die Fußball-Bundesliga-Rechte pro Saison zu. Nun wird auch der einst ausgestochene Konkurrent in das Geschäft genommen, letzte Woche kündigte „Sky“ eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom an. Der Bonner Telekommunikations-Konzern wird künftig das Fußball-Programm von „Sky“ in das Telekom-eigene „Entertain“-IPTV einspeisen. Das Unternehmen hatte seine eigenen Übertragungsrechte zuvor im Bieter-Wettstreit an Konkurrent „Sky“ verloren.
Echter Durchbruch oder Ergebnis massiver Werbemaßnahmen?
Forscher Kai Weidlich vom „Medien Institut“ rät im Bezug auf die derzeitige Aufbruchstimmung, das aktuelle Jahr abzuwarten, ehe von einem Durchbruch der Pay-TV-Branche gesprochen werden sollte: „Die Trendwende könnte auch ein Effekt der ungeheueren Marketing-Aktivitäten sein.“ Anbieter müssten die geweckten Erwartungen jetzt auch erfüllen, ansonsten wären die Abos auch schnell wieder gekündigt, so Weidlich.
Text: Fabian Warzecha. Bild: flickr.com, Wikipedia, Fotograf: Susan E Adams. Bearbeitung: Nathalie Gersch.