„Berufsnörgler“ Holger Kreymeier stellt in seiner Web-Sendung „Fernsehkritik-TV“ das deutsche Fernsehen an den Pranger. Im Interview mit medienMITTWEIDA spricht der Fernsehkritiker darüber, was gutes Fernsehen ausmacht, die Fehler der Branche und wie es ist, dafür vor Gericht zu stehen.
„Schalten Sie mal wieder ab“ ─ diese Konsequenz rät Fernsehkritiker Holger Kreymeier den 100.000 Zuschauern pro Folge und seinen 3500 zahlenden Abonnenten in seiner satirisch-kritischen Web-Sendung. Kreymeier selbst bleibt es dagegen nicht erspart, Woche um Woche die Abgründe des deutschen Fernsehens zu verfolgen. Zwei Mal im Monat veröffentlicht der Produzent aus Hamburg sein 30 bis 60-minütiges Magazin, das bereits seit 2007 besteht. Thematisiert wird dabei insbesondere die Qualität des öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehens. Darüber hinaus begrüßt Kreymeier auch regelmäßig prominente Gäste, wie etwa Oliver Kalkofe, Ranga Yogeshwar oder Jürgen Domian.
Herr Kreymeier, was macht gutes Fernsehen für Sie aus?
Es muss einfach eine gute, neue Idee sein. Der Zuschauer muss das Gefühl haben: „Das ist was Neues, das habe ich nicht schon x-mal gesehen“. Außerdem muss es ein gewisses Mindestniveau erfüllen. Der Zuschauer darf sich nicht für dumm verkauft fühlen, sondern muss auch mal gefordert werden.
Momentan habe ich den Eindruck, dass Fernsehen eigentlich für den dümmsten anzunehmenden Zuschauer produziert wird. Das merkt man ja auch an den Gewinnspielfragen in den Werbepausen. Es fehlt das Niveau, der Inhalt, die Kreativität. Es ist einfach wie Fast-Food. Den Restaurantbesuch mit exquisiten Speisen erlebt man im Fernsehen leider eher selten.
In Ihrem Magazin müssen TV-Sender hierzulande regelmäßig einstecken. Ist es um die deutsche Fernsehlandschaft tatsächlich so schlecht bestellt?
Ja, absolut. Wir haben momentan eine Zeit, in der es leider sehr unkreativ zugeht. Die Sender trauen sich alle nichts mehr und es darf nicht viel kosten. Das Programm läuft immer nur nach Schema „F“ ab, da sich bestimmte Formate bewährt haben. Statt etwas Neues zu wagen ─ es könnte ja eventuell ein Flop werden ─ wird das bewährte Programm dann stets aufs Neue wiederholt.
Darüber hinaus geht es nur noch darum, Kohle zu machen. Das funktioniert eben leider auch mit billigem Fernsehen, denn das schauen die Leute erstaunlicherweise leider trotzdem. Insgesamt betrachtet, tritt das deutsche Fernsehen seit Jahren auf der Stelle ─ leider auf niedrigem Niveau.
Bei Ihren Moderationen sparen Sie nicht an derben Kommentaren, die Aufdrucke Ihrer selbst gestalteten T-Shirts („GEMA kacken“, „hart aber geil“) sind alles andere als politisch korrekt. Nutzen Sie damit nicht die kritisierten Techniken des Fernsehens, um selbst Aufmerksamkeit zu erzeugen?
Finde ich nicht. Ich wäre ja froh, wenn das Fernsehen ein bisschen provokativer wäre. Aber natürlich muss ich für Aufmerksamkeit sorgen. Mein Magazin lässt sich nicht als Hobbyspaß nebenbei betreiben, sondern ich lebe davon und muss es finanzieren. Deswegen ist es auch wichtig, im Gespräch zu bleiben. Wobei ich nicht denke, dass ich es darauf anlege, zu provozieren. Das würden die Menschen auch durchschauen. Die Ideen für die T-Shirts kommen meist auch als Vorschläge aus der Community. Wenn ich das lustig finde, setze ich es um.
Ihre Aktionen rund um das Format „Fernsehkritik-TV“ haben schon mehrere gerichtliche Auseinandersetzungen mit Sendern und Produzenten hervorgebracht, aktuell laufen Verhandlungen mit RTL. Macht es Ihnen auch ein bisschen Spaß, als „Rebell“ vor dem Richter zu stehen?
Nein, Spaß macht es mir eigentlich nicht. Ich muss ja auch immer wieder zu den Verhandlungen anreisen, dazu sind diese Angelegenheiten mit vielen Kosten verbunden. Gerade der RTL-Prozess hat einen hohen Streitwert, das kostet sehr viel Geld. Ich muss Spenden sammeln, um es finanzieren zu können. Das würde ich mir gerne ersparen.
Wenn es dann aber zu einem Prozess kommt, versuche ich schon ein wenig Honig daraus zu saugen, indem ich das medienwirksam für mich nutze. Aber ich strenge jetzt keine gerichtlichen Auseinandersetzungen extra an, um im Gespräch zu bleiben. Das wäre ein bisschen vermessen.
Könnten Sie sich vorstellen, Ihr Magazin vom Internet ins deutsche Fernsehen zu verlagern?
Nein, kann ich nicht. Ich wäre ja schon dem Sender gegenüber befangen, für den ich das machen würde. Ein Format wie „Fernsehkritik-TV“ funktioniert nur im Internet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Sender sagt: „Mach ruhig, kritisier‘ uns mal feucht-fröhlich.“ Das Privatfernsehen hinterfragt ja nicht das eigene Geschäftsmodell, das wäre ja, wie sich ins eigene Bein zu schießen. Solche Themen werden dort bewusst ausgespart.
Zum Abschluss: Nennen Sie mir noch drei Sendungen im deutschen Fernsehen, die vollkommen ohne Ihre Kritik auskommen.
„Kalkofes Mattscheibe“, die ZDF-„heute-show“ und „Neues aus der Anstalt“.
Das Interview führte Fabian Warzecha. Bild: Alsterfilm GmbH. Bearbeitung: Nathalie Gersch.