Sie ist der Albtraum jedes Bloggers: Die Abmahnung – gekoppelt an eine nicht unbeträchtliche Geldforderung. Was in einem solchen Fall zu tun ist, mussten zwei deutsche Blogger am eigenen Leib erfahren.
Auch wenn es in Deutschland noch immer vergleichsweise wenige sind: Es gibt sie, die aktiven Blogger. Auf ihren nichtkommerziellen Seiten teilen sie vor allem private Inhalte, die sie für besonders interessant halten. Häufig illustrieren sie ihre Einträge mit Bildern, deren Rechte ihnen nicht gehören – und genau das kann zu Schwierigkeiten führen.
Fehlende Bildrechte
Christian Jung ist einer von Ihnen. Auf Polaroidmedchen veröffentlichte er vor allem Inhalte mit Bezügen zu Fotografie, Musik und aktuellen Geschehnissen. Bis er Anfang 2012 Post von einem Hamburger Rechtsanwaltsbüro bekam. Der Inhalt: Eine Abmahnung und Geldforderung über einen vierstelligen Betrag. Der Grund: Ein Blogeintrag, der bereits vor über einem Jahr erschienen war, in dem er das Bild eines Fotografen veröffentlicht, gelobt und gewürdigt hatte. Aber er hatte sowohl vergessen, den Rechteinhaber vorher um eine Einwilligung zur Veröffentlichung zu bitten, als auch dessen Namen zu erwähnen.
Auch Marco Friedersdorf kennt derartige Anwaltspost. In seinem Blog MindsDelight beschäftig er sich vornehmlich mit Beiträgen über Comics, Filme, Musik und Design. Nachdem er in einem Beitrag ein Bild veröffentlicht hatte, erreichte ihn im Herbst 2012 ebenfalls eine Abmahnung nebst vierstelligem Kostenbetrag. Pikantes Detail an seinem Fall: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Bildes war die Rechtslage dafür höchst unklar. Der Abmahngrund entstand erst dadurch, dass sich eine Agentur die Rechte an diesem Bild sicherte und prompt geltend machte.
Rechtsbeistand ist unerlässlich
Beide Blogger reagierten ähnlich: Sie entfernten sofort das entsprechende Bild und suchten sich einen Rechtsbeistand. Dazu rät auch Christian Solmecke. Er ist Rechtsanwalt für IT-und Internetrecht und Betreiber eines regelmäßigen YouTube-Vodcast u.a. mit Themen zu Filesharing, Abmahnung und YouTube. Bezüglich des Verhaltens bei einer Abmahnung gibt er folgende Hinweise:
- Ruhe bewahren und strukturiert handeln: Auf jeden Fall sollte man nicht voreilig beigefügte Unterlassungserklärungen unterschreiben.
- Modifizierte Unterlassungserklärung verfassen: Der Anwalt formuliert meist eine auf den Sachverhalt angepasste Unterlassungserklärung und sendet diese an den Abmahner. Mit einer solchen Modifikation lässt sich der geforderte Beitrag meist senken.
- Abmahnungen nicht ignorieren: Eine Reaktion sollte in jedem Fall erfolgen. Das Ignorieren der Abmahnung kann im schlimmsten Fall zu einer einstweiligen Verfügung oder Klage führen, die dann für den Betreffenden sehr teuer werden kann.
Auch die beiden Blogger haben ihre eigenen Erfahrungen und Tipps: „Tief durchatmen“, meint Marco Friedersdorf. „Das Abmahnschreiben ist äußerst angsteinflößend. Die Zahlen sind enorm und man fühlt sich dabei wie vor den Kopf gestoßen.“ Christian Jung rät allen, die im Netz auf Nummer sicher gehen wollen: „Informiert euch über einen Rechtsschutz. Der Grat ist manchmal verdammt schmal. Und kann verdammt teuer sein.“
Grundsätzlich sei aber gesagt, dass Privatpersonen bei Rechtsverletzungen des Urheberrechts in allen Versicherungsbedingungen ausgeschlossen sind. Gegen Abmahnungen aus diesem Bereich, etwa bei der Verwendung von Städtplänen, Bildern und Texten, kann man sich also nicht versichern.
Kritik an gängiger Praxis
Auch wenn Jung und Friedersdorf den Sinn hinter Abmahnungen und die Verteidigung der Rechte von Künstlern verstehen, hegen Sie dennoch Kritik an der Umsetzung: „Spätestens bei Abmahnwellen, wo Bildrechte erworben werden, um eine Straftat nachträglich zu erzeugen, hört es in meinem Rechts- und vor allem Moralverständnis auf“, kritisiert Jung. Er ist selbst Fotograf und weiß, dass Kunstschaffende ihre Werke zum Geldverdienen brauchen. „Allerdings verdient über die gängige Abmahnpraxis selten der Künstler.“ Nutznießer solcher Abmahnungen sind nicht selten Agenturen, die gezielt die Rechte verbreiteter Bilder aufkaufen.
Fehlende Rechte werden schnell teuer
Verstöße gegen das Recht am eigenen Bild zählen zu den häufigsten Abmahngründen. Noch häufiger ist nur die Abmahnung wegen Benutzung fremder Bilder ohne Einwilligung des Fotografen. Anwalt Solmecke warnt außerdem: „Was viele Bloginhaber nicht wissen: Sie können gegebenenfalls auch für fremde Blogbeiträge in die Haftung genommen werden. Nämlich dann, wenn sie auf eine Löschungsaufforderung des Rechteinhabers nicht reagieren.“
Auch wenn in einfacheren Fällen das Gericht eine Deckelung der Abmahngebühren auf 100 Euro pro Foto vornimmt, können noch Schadensersatzforderungen hinzukommen. Sollte der Blogger das Bild nicht nur geklaut, sondern seinen Lesern auch noch den Namen des Urhebers verheimlicht haben, verdoppeln diese sich sogar.
Am Besten eigene Inhalte verwenden
Christian Solmecke rät daher, vor allem eigene Inhalte zu verwenden. Wer fremde Fotos, Videos und Texte verwenden möchte, sollte sich vorher die Genehmigung der Rechteinhaber einholen. „Außerdem gilt: Auch fremde Beiträge im eigenen Blog sollten geprüft werden und bei Verdacht auf eine Urheberrechtsverletzung sicherheitshalber gesperrt werden.“
Christian Jung und Marco Friedersdorf bloggen weiter. Jung veröffentlicht, nach der vorübergehenden Schließung seines Blogs, eigene Fotos, deren Rechte er auf jeden Fall besitzt. Friedersdorf hingegen ging auf MindsDelight in die Offensive. Er machte die Vorwürfe gegen ihn publik und trat damit eine Welle der Hilfsbereitschaft los: Viele Blogger, Twitterer und andere Digital Natives erfuhren von seinem Schicksal und halfen ihm mit ihrer Spende, die durch Abmahn- und Anwaltsgebühren entstandene Kostenlast zu tragen.
Linktipp zum Thema: „Rettet das Internet“: Eine Checkliste, was im Abmahnungsfall zu tun ist.
Text: Theres Grieger. Bild: Susann Kreßner.