Immer mehr traditionelle Medien setzten auf eigene Investigativ-Plattformen à la Wikileaks, um an Informationen zu kommen. Oliver Schleicher, Student an der Fakultät Medien, hat in seiner Bachelorarbeit untersucht, ob dieses neue Konzept aufgeht und den Journalismus, wie man ihn heute kennt, wirklich revolutionieren könnte.
„Mit Investigativ-Plattformen und anonymen, elektronischen Briefkästen versuchen traditionelle Medien eine Art eigenes ‚WikiLeaks‘ für sich selbst zu schaffen“, berichtet der Medienmanagement-Student Oliver Schleicher, „in meiner Bachelorarbeit habe ich untersucht, ob die Einführung solcher Projekte und Tools bisher als Erfolg bezeichnet werden kann.“
Zu wenig Brisanz für die Berichterstattung
So analysierte Oliver für seine wissenschaftliche Arbeit viele der bisherigen Beiträge auf den bestehenden Plattformen dieser Art und untersuchte, inwieweit dort tatsächlich eine Übermittlung von vertraulichen und anonymen Informationen durch die Leser stattgefunden hat. Dabei zeigte sich, dass die meisten der eingegangenen Tipps zu wenig Brisanz und zu wenig Bedeutung für die Allgemeinheit besitzen, als dass man dem Tipp nachgegangen wäre. Anschließend überprüfte Oliver Schleicher auch, welche Rezeption diejenigen Geschichten erhalten haben, die aufgrund von Informationen durch die anonymen Briefkästen entstanden waren.
Die „WikiLeaks“ der traditionellen Medien
Auf das Thema aufmerksam geworden ist er, als er zufällig einen Online-Artikel las, in dem es um den Start von ‚Stern Investigativ‘ ging. Nach kurzer Recherche fand er noch weitere solcher Plattformen, durch die traditionelle Medien wie ‚Die Welt‘ oder ‚Die Zeit‘ versuchen, an anonyme und brisante Tipps und Auskünfte zu kommen. An diese, so der Gedanke der Verlage und Redaktionen, würde man bei einer herkömmlichen Recherche nicht herankommen. Dies warf die Frage auf, ob solche Projekte tatsächlich von Lesern und anonymen Informanten genutzt werden und sich für renommierte Medien lohnen.
Chance, um mit Lesern in Kontakt zu kommen
Auch wenn die bisherigen Ergebnisse dieser Plattformen noch nicht überzeugten, sieht Oliver trotzdem einen Nutzen in solchen Vorstößen. „In Zeiten, in denen durch das Internet das Nachrichtenangebot so groß ist und sich meist deutlich ähnelt, sind investigative Recherche und Transparenz wichtig wie nie, um sich von der Konkurrenz abzuheben“, fasst der Medienstudent die wichtigste Erkenntnis seiner Bachelorarbeit zwar zusammen. Aber Oliver ist sich auch sicher, dass Investigativ-Plattformen den Journalismus nicht revolutionieren werden: „Die bisherigen Auswirkungen der Storys, die aus den zugespielten Informationen hervorgingen, waren zu gering.“
Auch wenn hier der Journalismus nicht neu erfunden wird, so sieht er für die traditionellen Medien trotzdem große Chancen in dieser Form des Austauschs im Netz: „Die elektronischen und anonymisierten Briefkästen können viel mehr eine weitere Möglichkeit sein, im Zeitalter des Internets an Informationen der Leser zu kommen, die lieber anonym bleiben wollen. Die begleitenden Blogs, in denen transparent über die eigenen Recherchen gebloggt werden, sind ein gutes Kommunikationsmittel, um das Vertrauen bei den Lesern in die Arbeit traditioneller Medien zu verstärken.“
Text: Simon Walther. Bild: Oliver Schleicher. Bearbeitung: Hanna Frantz.