Seit dem 10. Oktober 2013 ist die deutsche Huffington Post online. Ihr Herausgeber, der bekannte ZDF-Fernsehmoderator Cherno Jobatey, treibt es für zwei Tage nach Mittweida. DIE NOVUM hat die einmalige Chance ergriffen und den Berliner zum Interview gebeten.
Herr Jobatey, Sie waren soeben zwei Tage in Mittweida, weil Sie ein Seminar zum Thema „Wirtschaftskommunikation“ geleitet haben. Wie kam es dazu?
Ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen, ich bin gefragt worden. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Gesellschaften und Hochschulen leben von gewissen Leuten. Es gibt die einen, die arbeiten und organisieren dort – die Professoren. Dann gibt es andere, die sagen: „Naja, man könnte doch ein bisschen was anderes machen“. Ich bin schon immer engagiert gewesen und habe auch viel mit Kindern gearbeitet. Ich sehe das als Form für gesellschaftlich-politisches Engagement.
Warum haben Sie dann keinen Workshop für angehende Moderatoren gemacht, was zu Ihrer 20-jährigen Erfahrung als ZDF-Morgenmagazin-Moderator doch eigentlich passen würde?
Man kann nicht Moderator werden. Man wird Journalist, Entertainer oder Schauspieler und dann gibt es so einen Quereinstieg. Du brauchst
eine Grundprofession. Du bist Geschichtenerzähler, du hast Ahnung von Wirtschaft, Ahnung von Politik und das muss irgendwie verkauft werden.
Und worin lag ihre Motivation zum Thema „Wirtschaftskommunikation“?
Aus meiner täglichen Arbeit als Journalist fällt mir natürlich auf, dass sich Dinge verändert haben. Ich glaube, dass Kommunikation sich grundsätzlich verändert hat. Ich glaube, dass sich die Ökonomie der Kommunikation grundsätzlich verändert hat. Damit meine ich: Ich möchte eine Meinung, einen Inhalt zu vielen Leuten transportieren – das war in den letzten hundert Jahren immer ähnlich. Jetzt, durch die neuen technischen Errungenschaften, hat sich das geändert. Ob man eine politische Idee, ein Produkt oder sich selbst kommuniziert, ist zweitrangig.
Was nehmen Sie als Fazit des Seminars mit? Haben Sie vielleicht selbst neue Erkenntnisse gewonnen?
Ja, allerdings. Dass Studenten heutzutage Dinge besser verkaufen können als sich selbst. Ich war auch fasziniert davon, wie vornehm zurückhaltend, manchmal sogar schüchtern Studenten sind. Man kann Wasserfälle reden über Plastikflaschen, aber relativ wenig über sich selbst.
Jeder kennt Sie als Moderator. Sie waren jahrelang eines der Gesichter des Morgenmagazins. Viele Leute fragen sich deshalb, was Sie zur Huffington Post geführt hat?
Die Idee, dass die Huffington Post nach Deutschland kommt, ist schon seit zwei, drei Jahren in Überlegung. Es fanden sich nur nie die richtigen Leute zusammen. Ich habe Arianna Huffington vor sechs Jahre kennen gelernt. Sie hat mich damals zum Bloggen bekehrt und gesagt „Cherno, du bist eine Fernsehnase. Aber glaube mir, es gibt moderne Zeiten.“ Als dann die Huffington Post nach Deutschland kam, war klar, man braucht ein Team. Gesucht wurde ein traditioneller Journalist, der das politische Berlin versteht, beherrscht und weiß, wie es läuft. Jemand, der digital ist und weiß, wie soziale Medien funktionieren. Und dann kamen sie auf mich. Das erste Gespräch war sehr lustig. Ich wollte gerade auf die Bühne gehen und bekam einen Anruf vom Chefredakteur des Focus Online. Er sagte „Cherno, hast du Bock auf Huffington Post?“ Ich nur „Was?“ – Weil ich, wie gesagt, gerade dabei war auf die Bühne zu gehen, meinte ich nur „Gute Idee, ich melde mich.“ Eigentlich hatte ich gedacht, er will mich auf den Arm nehmen. Dann rief ein paar Stunden später der Vorstandsvorsitzende von Hubert Burda Media Verlag an und sagte „Herr Jobatey, wir haben uns doch mal bei der Münchner Sicherheitskonferenz kennen gelernt, hier ist Paul-Bernhard Kallen. Bitte legen Sie jetzt nicht auf. Was halten Sie von der Huffington Post?“ Ich so: „Äh, ich wurde vorhin schon einmal deswegen angerufen…“ – „Ja, ich weiß, aber Sie haben aufgelegt.“ – „Ja, aber das war doch sicherlich ein Witz.“ – „Nein, das war kein Witz, können wir uns mal treffen?“ Und so fing alles an.
Wie stehen Sie zu der Kritik, dass viele Redakteure bei Ihnen ohne Honorar arbeiten?
Das ist leider ein Missverständnis, was von interessierten Kreisen gerne geschürt wird. Bei uns arbeitet niemand umsonst. Die deutsche Huffington Post gibt es seit ungefähr sechs Wochen. Wir haben 15 Journalisten eingestellt, die alle über Tarif bezahlt werden. Die Realität im Augenblick ist, dass in den Medien viele unter dem Tarif bezahlt werden und Tarifverträge gekündigt werden. Das Missverständnis beruht darauf, dass die Huffington Post ein Auto mit zwei Motoren ist: Zeitung und Blogging-Plattform. Auf der Blogging-Plattform kann jeder publizieren, wie er möchte. Unter den deutschen rechtlichen Gegebenheiten. Ich glaube, dass der Meinungsregenbogen einfach größer geworden ist.
Sie beschreiben ja hier eine „Win-Win Situation“. Ist das die Zukunft des Journalismus, so zu arbeiten?
Ich glaube gar nicht mal, dass er sich so verändern wird. Es wird nicht den Journalismus geben. Richtig ist: Es wird immer Geschichten geben, es wird immer Leute geben, die Geschichten erzählen. Auf welcher medialen Ebene auch immer. Diese Leute werden immer bezahlt werden, und ob wir sie Journalisten nennen, ist eine andere Geschichte. Was sich verändert, sind Produktionsmethoden und Geschäftsmodelle. Aber das hat mit Journalismus nur in der zweiten Umdrehung zu tun. Ich glaube, dem Journalismus geht es gut. Es wird dem Journalismus immer gut gehen, denn es werden immer mehr Geschichten gebraucht, denn die Leute lesen nach wie vor. Richtig ist aber auch, dass die Leser auf Fotos reagieren. Es ist nichts Neues, denn die BILD macht das seit 60, 70 Jahren. Also weiß man, dass beispielsweise 50 Prozent der Geschichten, die bei Social Media verbreitet werden, an einem Bild hängen. Wenn das Foto super ist, verkauft sich die Geschichte.
Auch medienMITTWEIDA sprach mit Cherno Jobatey im November 2013 über die Zukunftsperspektive des Berufs „Journalist“.
Mit welchem Ziel gehen Sie in Ihrer neuen Position als Herausgeber der Huffington Post heran?
Wenn man dabei sein kann, etwas Neues zu machen und etwas zu verändern, ist das schon eine tolle Sache. Mich freut es, beim besten digitalen Produkt dabei zu sein. Wir wollen in den nächsten Jahren in den Top Ten der deutschen Zeitungswebsites sein. Top Five wäre natürlich besser. Das schaffen wir auch!
Sie sind ja auch bekannt dafür, der Mann in Anzug und Turnschuhe zu sein. Welche Turnschuhe tragen Sie heute und warum?
Ich trage heute weiße Turnschuhe mit einem guten Profil. Ich glaube, weil es hier so bergig und glatt ist, deshalb habe ich sie an. Wenn man ein gutes Profil hat, ist man antrittsschnell, rutschfest und hat eine gute Seitenstabilität. Ich persönlich glaube, wenn jeder Journalist das tragen würde, wäre die Branche besser.
DIE NOVUM −Text: Susann Schadebrodt, Foto: Lukas Fritzsch