Mama und Papa aus dem Internet

von | 12. Mai 2014

Datingforen, auf denen man den Partner fürs Leben sucht, sind schon lange nichts Ungewöhnliches mehr. Jetzt tut sich ein neuer Trend im Internet auf. Die neue Entwicklung aus den USA nennt […]

Datingforen, auf denen man den Partner fürs Leben sucht, sind schon lange nichts Ungewöhnliches mehr. Jetzt tut sich ein neuer Trend im Internet auf. Die neue Entwicklung aus den USA nennt sich Co-Parenting. Es steht nicht mehr der Wunsch nach der großen Liebe im Fokus der Suchenden, sondern der bisher unerfüllte Kinderwunsch.

Co-Parenting beschreibt den Zusammenschluss von mindestens zwei Menschen, die keine körperliche Beziehung miteinander eingehen und gemeinsam ein Kind großziehen möchten. 

Dieses Format nennt sich „modern family“ (kurz modamily). Auf der gleichnamigen englischen Webseite modamily.com melden sich Personen an, die auf der Suche nach einem Partner sind, mit dem sie ein Kind teilen möchten. Da es in Deutschland noch kaum eigene Co-Parenting Webseiten gibt, müssen Europäer auf die englischen Seiten zurückgreifen.

Genauso wie in anderen Foren legen sich zukünftige Nutzer zuerst ein Profil an. Auf diesem müssen sie jegliche Fragen über ihre Person, ihre Hobbys, aber auch Privates wie das Gehalt oder Vorstellungen zur Kindererziehung beantworten. Wurden Übereinstimmungen gefunden, kommt es zum ersten Treffen zwischen zwei (oder mehreren) Interessenten. Dabei wird weniger auf das Bauchgefühl geachtet; man kann es wohl eher als objektive Betrachtung des Gegenübers beschreiben. Dem ersten Date sollten etliche weitere folgen. Schließlich geht man mit seinem Gegenüber eine lebenslange Bindung ein und übernimmt eine riesige Verantwortung, sollte es zum Zeugen eines Kindes kommen.

Da die meisten Nutzer der Plattform keine körperliche Beziehung mit dem jeweiligen Partner aus dem Internet eingehen möchten, wird eine künstliche Befruchtung bevorzugt. Die Modamily-Kinder sind also die leiblichen Kinder, aber auf unnatürlichem Wege gezeugt.

Vorab muss ein Familienanwalt alle rechtlichen Belange regeln und zusätzlich ein Co-Parenting Vertrag abgeschlossen werden. In diesem wird unter anderem geregelt, wie viel Zeit das Kind mit welchem Elternteil verbringen darf, wie Ferien untereinander aufgeteilt werden und wer für finanzielle Belange wie den Unterhalt aufkommt.

Auch homosexuelle Paare können sich auf diesen Websites anmelden. Dazu bedarf es dann einer Samen- oder Eizellenspende des jeweiligen anderen Geschlechts. Oder aber ein schwules und ein lesbisches Paar finden sich zusammen und entscheiden sich für ein gemeinsames Kind – zumindest in den USA ist dies möglich. Da es in Deutschland jedoch verschärfte Regeln gibt, ist Co-Parenting zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren hierzulande noch nicht so stark verbreitet. So wird zum Beispiel in Deutschland eine Co-Elternschaft zwischen mehr als zwei Erwachsenen vor dem Gesetz nicht anerkannt, wobei egal ist, ob es sich um heterosexuelle oder homosexuelle Paare handelt. Des Weiteren verbietet das Embryonenschutzgesetz hierzulande die Leihmutterschaft, was bedeutet, dass schwule Paare ihr Kind nicht einfach von einer fremden Frau austragen lassen können.

Co-Parenting ist eine Option für Frauen und Männer, die vielleicht erst ganz andere Prioritäten in ihrem Leben gesetzt haben, wie die berufliche Karriere. Gerade Frauen entscheiden sich heutzutage immer öfter für die Karriere und können sich die Erziehung eines Kindes parallel dazu nicht vorstellen. Was passiert aber, wenn dann mit 40 Jahren ein bisher unerfüllter Kinderwunsch aufkeimt, der richtige Partner jedoch nicht in Sicht ist? Die biologische Uhr tickt und die Zeit für die Suche nach dem Partner für’s Leben fehlt. Co-Parenting bietet diesen Menschen eine Alternative zur herkömmlichen Adoption.

Doch kann das Folgen für die Kinder haben?

Forscher, Familienanwälte und Psychologen sind sich uneinig. Es gibt etliche Befürworter dieser neuen Familienform, aber mindestens genauso viele Experten, die dagegen halten.
Ein Gegner dieses neuen Modells ist der österreichische Psychiater Christian Spaemann. In einem Artikel des Focus zog er den Vergleich von Co-Parenting Familien zu Patchworkfamilien. Die seelische Stabilität der Kinder könnte, laut Spaemann, unter der Unsicherheit des Zugehörigkeitsgefühls leiden, zum Beispiel wenn die Elternteile einen jeweils anderen Partner haben.
Dennoch sind die durch Co-Parenting geborenen Kinder echte Wunschkinder. Es war kein Versehen oder das Resultat von unüberlegtem, unverhütetem Sex. Die Eltern haben sich aktiv mit dem Gedanken ein Kind zu bekommen, auseinander gesetzt und viele Hürden auf sich genommen.
Diese Pro-Contra-Argumentation könnte man weiterführen, letztendlich muss aber jeder für sich selbst entscheiden, auf welchem Weg das eigene Kind entstehen und in welchem Umfeld es aufwachsen soll.

“All a child needs to develop and grow is attention, encouragement and love. A modern family unit can provide that as well a traditional one. We’re all looking for healthy, happy, and balanced children.“ – Ivan Fatovic, founder of modamily


Text: Lisa-Sophie Mehrling. Grafik: Vanessa Schwaar.

<h3>Lisa Mehrling</h3>

Lisa Mehrling

Redakteur