Als medienMITTWEIDA den Bamberger Studenten Clemens Heuberger trifft, ist er im Stress. Er organisiert die Aktion „Rote Karte für Nazis“. Auf der Mußestraße nahe der Stadthalle, in der sich die Parteiangehörigen der NPD zum Bundesparteitag einquartiert haben, soll gleich ein lautstarker Empfang für die Parteiangehörigen stattfinden. Der sogenannte „Lauti“, ein großer Transporter mit Musikanlage, hatte eine Stunde Verspätung, deswegen Heubergers Angespanntheit.
Ein buntes Treiben beginnt, als die Helfer – selbst Studenten – Plakate aufhängen und Trommeln auspacken. „Kein Bier für Nazis“ mit einem durchgestrichenen Humpen fällt dabei besonders auf. Jedoch ist die Sache ernster, als sie scheint. Alle Versuche, die NPD im Vorhinein auszuladen, scheiterten. „Der Gedanke, dass die NPD in Bamberg eine Veranstaltung durchführt und dabei ihr rechtsradikales und demokratiefeindliches Gedankengut verbreitet, bleibt für mich unerträglich“, so Oberbürgermeister Andreas Starke im „RathausJournal Bamberg“. Das letzte Wort soll am heutigen Tage den Protestlern gehören. So füllt sich langsam der Gehsteig, welcher ordnungsgemäß von der Polizei abgesperrt ist. Der Plan ist einfach: Die Parteimitglieder nutzen die Straße als Zufahrt zur Stadthalle und sollen mit Tröten, Pfeifen, Trommeln, Musik und Roten Karten begrüßt werden. Später lässt sich auch der ein oder andere gestreckte Mittelfinger nicht unterdrücken. Doch bevor überhaupt alles hergerichtet ist, fährt Udo Voigt, Parteivorsitzender der NPD, mit vier Gefolgsleuten an den Aufbauenden vorbei.
Der Empfang ist eröffnet
Der Lautsprecherwagen ist aufgebaut, der Gehweg gefüllt. „Jetzt, 12 Uhr, wird die Stadthalle geöffnet, also macht Lärm und zeigt, wie bunt Bamberg ist“, schallt Heubergers Stimme durch die Lautsprecher. Die ersten Autos mit NPD-Funktionären fahren vorbei. Passend zur Weltanschauung werden diese mit karibisch anmutenden Trommelklängen und einem Platzverweis per Roter Karte zum Parteitag empfangen. Die Reaktion der Fahrzeuginsassen reicht von Winken bis verschämt Wegschauen. „Wir erwarten nicht, dass die NPDler sich gestört fühlen, aber sie sollen ruhig sehen, dass sie unwillkommen sind“, gibt Clemens Heuberger zu verstehen. Die circa 70 „Platzverweiser“ haben dennoch Spaß und erfreuen sich an Sonnenschein und Musik. Ein bisschen Genugtuung scheint auch dabei zu sein. Immerhin sind es alle Anwesenden Leid, sich mit den Nazis und deren „ewig gestrigen Ansichten rumzuärgern“, wie ein junger Mann erzählt. Christiane Laaser alias „Kiki“ vom Bündnis gegen Rechtsextremismus erklärt, dass es für die erste Aktion am heutigen Tag „super lief“ und sie auf eine weitreichende Wirkung hofft. Gegen Ende dieser ersten Aktion stellen zwei glatzköpfige junge Männer, vermeintlich rechtsorientiert, ihren Mut unter Beweis. Indem sie an der Kundgebung vorbeilaufen und Fotos machen, provozieren sie bewusst. Die Studenten sind außer sich, doch alles bleibt auf getrennten Gehwegen, sodass es nicht zu einer Eskalation kommt.
Übermotivierte Polizei
Nach der sehr medienwirksamen Aktion – auch sämtliche TV Sender von ARD bis Bayrischer Rundfunk waren anwesend – gibt es eine Pause. 17.05 Uhr soll eine Menschenkette gebildet werden, doch diese ist noch drei Stunden entfernt. Ein paar Straßen weiter in der Innenstadt fällt sofort auf, dass an einigen Ecken große und kleine Banner hängen. „Bamberg ist bunt“ oder „No NPD“ versichert dem „Standard-Touristen“, dass heute Flagge gegen Rechts gezeigt wird. Doch der direkte Weg gestaltet sich durch zahlreiche Polizeiabsperrungen schwierig. Zwar kommt jeder problemlos zum historischen Rathaus, doch der gewillte Protestbürger muss ständig umkehren und Umwege in Kauf nehmen, um zu den offiziell angemeldeten Treffpunkten zu kommen. Dabei hat das „antifaschistische Referat Bamberg“ seine Demonstration erst ab 17 Uhr angemeldet. Von dem ganzem Aufruhr ist im Stadtzentrum allerdings nichts zu spüren. Die Touristenschwärme ziehen ungestört ihre Runden.
Menschenkette gegen Menschenverachtung
Eine 1,5 Kilometer lange Strecke um den NPD-Treffpunkt soll mit Menschen gefüllt werden, welche sich dann an den Händen fassen. Dies soll – ähnlich wie in Dresden – ein Symbol darstellen, dass die „menschenverachtenden“ Inhalte der rechtsradikalen Partei strikt abgelehnt werden. So wird es an jedem der zehn Treffpunkte verlesen. Es scheint, als seien genug Menschen aller Art gekommen, nur macht die Schließung der Kette organisatorisch viel mehr Arbeit, als gedacht. Nach einigem Hin und Her sind weit über eintausend Menschen an der Strecke und können Laolawellen sowie ihre Meinung gegen Rechtsextremismus zum Beispiel über Transparente deutlich machen. Auch wenn die verschiedenen Aktionsformen des Protestes den Bundesparteitag nicht verhindern konnten, so wird dennoch medial die Ablehnung der Bamberger Bürger und Studenten sehr deutlich. Für die Organisation bleibt zu hoffen, dass möglichst viele davon Kenntnis nehmen. Oft hatten in der Geschichte schon Symbole wie ein schlichter Handschlag oder ein erster Besuch zweier Staatsoberhäupter weitreichend positive Wirkung, warum also nicht solche kreativen Aktionen?