Als Union und FDP am 3. Juni Christian Wulff (CDU), Ministerpräsident von Niedersachsen, als Kandidaten für die am 30. Juni stattfindende Wahl des Bundespräsidenten nominierten, reagierten SPD und Grünen und gaben am 4. Juni ihren Kandidaten bekannt: Joachim Gauck (parteilos), Vorsitzender des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ und ehemaliger Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR.
Bereits 1999 wurde Gauck innerhalb der CSU als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen. Trotz der „guten Beziehungen“ zu Union und FDP, stellten SPD und die Grünen ihn als Kandidaten auf. „Mit dem überparteilichen Vorschlag soll das höchste Staatsamt von innerparteilichen Machtkämpfen befreit werden“, begründet der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Der Kandidat für die Rot/Grünen unterscheide sich gegenüber dem Kandidaten aus dem Schwarz-Gelben-Lager dadurch, dass er ein Leben in seine Kandidatur bringe – Wulff hingegen bringe lediglich „eine politische Laufbahn“ mit, meint SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel bei der Bundespressekonferenz am 4. Juni.
Wulff als Stütze der Koalition
Wulff hingegen zeichnet sich laut CDU durch seine verlässliche und vertrauensvolle Politik aus. „Seit 2003 regiert er unser Land sehr erfolgreich und genießt hohes Ansehen weit über die Parteigrenzen hinaus“, äußert sich David McAllister, Landesvorsitzender der CDU in Niedersachsen, in einer Pressemitteilung vom 3. Juni auf der Webpräsenz der niedersächsischen CDU. Aufgrund der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise sei er wegen seiner ausgeprägten Wirtschaftskompetenz ein stabilisierender Faktor für Deutschland und er könne „dazu beitragen, dass wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen“, betont McAllister.
„MDR“ berichtete am 8. Juni über ein Interview mit der Bundesgeschäftsführerin von „Die Linke“, Caren Lay: Sie meint, dass weder Gauck, noch Wulff ein sozialpolitisches Profil haben. An diesem Tag wurde die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion und frühere Fernsehjournalistin Lukrezia Jochimsen einstimmig zur Präsidentschaftskandidatin der Linkspartei gewählt. Sie selbst beschreibt sich als „Kriegskind und Frieden ist für mich ein Lebensthema.“ Obwohl „Die Linke“ öffentlich erklärte, Wulff und Gauck seien nicht als Präsidentschaftskandidat geeignet, entwickeln einige Anhänger Sympathien für Gauck.
Eine liberal einheitliche Linie ist erwünscht
Bundeskanzlerin Angela Merkel verliert immer mehr Stimmen aus inneren Kreisen: Bei ihrer Wiederwahl am 28. Oktober 2009 fehlten ihr neun Stimmen, bei der Verabschiedung des Euro-Rettungspakets am 21. Mai fehlten ihr schon zehn Stimmen aus der eigenen Fraktion. Wenn bei der Bundespräsidentenwahl am 30. Juni die Entscheidung zwischen Wulff, Gauck und Jochimsen fallen muss, so können weitere Stimmen aus dem Union-FDP-Lager fehlen. Denn eine Einigkeit bei den Liberalen um ihren Kandidaten Wulff gibt es nicht – mehrere Landesverbände der FDP kritisierten die Nominierung von Wulff. Stellenweise sympathisieren die Angehörigen der CDU und FDP auch mit Gauck. Jörg Schönbohm (CDU), der bis 2009 Innenminister Brandenburgs war, äußerte sich gegenüber dem „SPIEGEL“ zu den Nominierungen: „Ich frage mich, warum es nicht möglich war, sich im bürgerlichen Lager mit der SPD auf Gauck zu einigen“. Schönbohm wird am 30. Juni einen Platz in der Bundesversammlung einnehmen.
Bei einem Interview bei der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ meint hingegen der FDP-Generalsekretär Christian Lindner, dass trotz der großen Sympathien bei den ostdeutschen Landesverbänden der FDP für Herrn Gauck eine einheitliche Linie verfolgt wird. „Wir stehen als Koalition, auch als FDP, für Christian Wulff“, ergänzt er. Lindner selbst hat großen Respekt vor Herrn Gauck. „Joachim Gauck ist eine beeindruckende Persönlichkeit“, meint er – jedoch fügt er hinzu, dass die Koalition ein anderes Profil für den nächsten Bundespräsidenten gewollt habe. „Wir wollten einen Politiker haben, der sich auch selbst schon einmal einer demokratischen Wahl gestellt hat und der gerade ökonomische Zusammenhänge in diesen Zeiten erläutern kann.“
Der Sieger steht scheinbar schon fest
Bei der Wahl des Bundespräsidenten am 30. Juni werden Union und FDP eine deutliche Mehrheit haben. Der Koalition stehen in der Bundesversammlung 644 bis 646 von 1244 Sitzen zu. Um eine absolute Mehrheit zu erreichen, werden nur 623 Stimmen gebraucht. Demnach hat die Koalition 21 Stimmen mehr, als für die Wahl des neuen Bundespräsidenten notwendig sind. Sollten wirklich Union und FDP zusammenhalten, so könnten sie alle wichtigen Staatsämter besetzen: Bundespräsident, Bundeskanzler und Bundestagspräsident.