Kommentar: Rache am Street-View-Verpixler

von | 1. Dezember 2010

Internetnutzer aus aller Welt können via Google Street View durch die Straßen deutscher Städte wandeln. Die Medienhysterie hat ihren Zweck nicht erfüllt, da die meisten Häuser immer noch sichtbar sind. Um die verpixelten Gebäude sichtbar zu machen, rufen jetzt einige Nutzer auf, das Urheberrecht auszunutzen.

Eigentlich sollte Deutschland bei Google Street View (GSV) flächendeckend unkenntlich gemacht werden. Dies könnte der Außenstehende jedenfalls denken, wenn er der vor dem Start des Dienstes herrschenden Medienhysterie Glauben schenkt. Zirka 240.000 Deutsche in 20 Großstädten haben ihre Wohnhäuser aus Angst um ihre wertvollsten Besitztümer, wie Vorgärten und Gardinen, unkenntlich machen lassen. Die Gründe dafür sind bekannt: Angst vor Einbrechern und Terroristen. Dies ist natürlich vollkommen nachvollziehbar, da es zum Allgemeinwissen gehört, dass sich Al-Qaida & Co., seitdem die öffentlichkeitswirksamen Ziele wie das Reichstagsgebäude ausreichend bewacht werden, auf Wohnhäuser spezialisiert haben. Eine Frage von Tagen, bis Osama bin Laden aus der Kanalisation von Essen emporsteigt und die braven Ruhrgebietsbewohner attackiert. Auch ist weithin bekannt, dass Kriminelle im Internet veraltete Bilder der Fassaden von Einfamilienhäusern anschauen, um dann einzubrechen und sich heimtückisch hinter den selbstgehäkelten Gardinen zu verstecken. Vor dem Haus könnten schließlich Aufnahmen für Bing Streetside gemacht werden.

Graue Flecken überall

Beim Reisen durch Street-View-Deutschland zeigen sich viele Skurrilitäten. Von unkenntlich gemachten Hochhäusern, über anonymisierte Dackel bis hin zu kenntlichen Freiern vor Amüsierlokalen war zum Deutschlandstart alles dabei. Bezeichnend für die Hysterie der Deutschen ist, dass selbst die Google-Zentrale in München verpixelt werden musste. Auch hat jemand versucht den Kölner Dom unkenntlich machen zu lassen – zum Glück erfolglos. Wie weit soll dies noch gehen? Können wir bald das Reichstagsgebäude nicht mehr sehen, weil dies ein Abgeordneter aus Angst vor Anschlägen fordert? Muss irgendwann der Mond verpixelt werden, weil sich dort ein Deutscher ein Stück Land gekauft hat? Oder werden bald die ersten Häuser nach dem Vorbild Christos verhüllt, damit auch in der Realität keiner mehr das Haus sehen kann. Eine konsequente Weiterführung des Protestes wäre damit möglich.

Der Kampf um die Sicht

Diesen Stinkstiefeln stellen sich einige GSV-Nutzer nun entgegen. Sobald ein Eigentümer sich nämlich bei Google beschwert, wird das gesamte Haus verpixelt. Dabei ist es egal, ob die übrigen Besitzer allesamt wollen, dass ihre Wohnung sichtbar ist. Die enttäuschten Bewohner, die von ihren Nachbarn um die virtuelle Sicht auf die Wohnhäuser gebracht worden sind, sowie Nutzer, die vollständige Transparenz bei Street View fordern, protestieren gegen den Verpixelungswahn. Da Bewohner, welche ihre Häuser wieder sehen wollen, keine Einspruchsmöglichkeit dazu haben, versuchen sie es mit Guerilla-Kampftaktiken. Die Community hat Zusatzangebote wie FindeDasPixel entwickelt. Bei diesem bläst der User zur Jagd auf die verpixelten Häusern von verbitterten „Ich-bin-dagegen“-Deutschen, um diese zu markieren. Dadurch wissen Fotografen, an welchen Orten sie Phantomhäuser fotografieren können. Diese können dann durch Googles Dienste Panoramio und Picasa in Street View eingebunden werden. Angst vor Zensur muss der Fotograf dabei nicht haben. Die Panoramafreiheit des deutschen Gesetzes erlaubt nämlich das Ablichten von öffentlich sichtbaren Fassaden – darum ist Street View an sich auch nicht rechtswidrig und auch ein Prozess gegen den Dienst hätte kaum Aussicht auf Erfolg. Wenn also jemand etwas gegen die privaten Fotos hat, muss er sich auf den Kampf Mann gegen Mann oder auch Frau mit dem Fotografen einlassen. Durch die Möglichkeit des MyStreetView könnte der Flickenteppich der Street-View-Landschaft bald schon aufgedeckt werden.

<h3>Martin Kisza</h3>

Martin Kisza