Anfang des Jahres stieß der Journalist Richard Gutjahr mit dem Micropayment-System „LaterPay“ erneut die Debatte an, wie sich Onlinejournalismus zukünftig finanzieren lässt. Doch was ist Micropayment überhaupt? Wie hebt sich LaterPay von bisherigen Modellen ab und wie stehen klassische Medienangebote zu Micropayment?
Schon von Beginn an waren journalistische Inhalte im Internet kostenfrei zugänglich. Kai Diekmann, Chefredakteur der Bild, titulierte diese Situation im Jahr 2009 als sogenannten Geburtsfehler des Internets. Der Nutzer erwarte die Bereitstellung freier Inhalte förmlich. Er sollte sich jedoch bewusst machen, dass hinter gutem Journalismus eine zeitintensive Recherche steckt. Im Offline-Bereich ist es ganz normal, für seine Zeitung oder Ähnliches zu bezahlen. Um die Qualität des Journalismus langfristig zu sichern, muss diese Arbeit auch online honoriert werden. Es ist also eine Herausforderung für die Publisher, neue und kreative Erlösquellen zu erschließen, um die Nutzer für die Wertigkeit digitaler Inhalte zu sensibilisieren.
Einen interessanten Ansatz bietet hier das sogenannte Micropayment. Es ermöglicht dem Nutzer, gute Inhalte mit der Zahlung von kleinen Geldbeträgen zu unterstützen. Normalerweise ist das Übersenden von kleinen Geldbeträgen unwirtschaftlich, da die Transaktionsgebühren oft so hoch sind, dass nur ein Bruchteil den Publisher erreicht. Genau an diesem Punkt greifen Micropayment-Systeme. Diese sind speziell auf die Transaktion von kleineren Geldbeträgen ausgerichtet. Nutzer können damit ihre Wertschätzung ausdrücken und Journalisten in ihrer Arbeit unterstützen.
Kachingle und Flattr
Die bekanntesten Micropayment-Systeme sind Kachingle und Flattr. Bei Kachingle muss man sich einmal registrieren und legt einen Betrag fest, welcher dann im Laufe des Monats in Relation zu den Seitenaufrufen auf die Seitenbetreiber aufgeteilt wird. Flattr ermöglicht es hingegen, einzelne Beiträge zu unterstützen und nicht pauschal eine ganze Website. Kachingle ist von der Handhabung bequemer, weil nur einmal eine Seite kachinglet werden muss und jeder weitere Besuch automatisch registriert wird. Flattr ermöglicht im Gegensatz dazu eine individuelle Unterstützung der jeweiligen Inhalte – diese muss aber auch jedes Mal durch einen Klick bestätigt werden. Beide Systeme funktionieren per Prepaid und verzeichnen in den letzten Jahren ein kontinuierliches Wachstum an Nutzern.
Gutjahr und LaterPay
Der Journalist Richard Gutjahr vertritt die Meinung, dass dem Nutzer das virtuelle Bezahlen genauso einfach wie das Liken auf Facebook gemacht werden muss, da die Anzahl der Nutzer, die für Inhalte zahlen würde, sehr klein ist. Und genau das ist mit dem Micropayment-System LaterPay möglich. Gutjahr ist im Beraterteam des Münchner Startup-Unternehmens tätig und testete vier Wochen lang die Beta-Version auf seinem Blog. Pünktlich zur re:publica 14 zog er Bilanz und kam zu dem Schluss, dass es möglich ist, mit diesem System im Netz Geld zu verdienen, wenn man seine Leser ernst nimmt. Gutjahr erwirtschaftete mit LaterPay in den vier Wochen knapp hundert Euro.
Erst nutzen, später zahlen
LaterPay ermöglicht einen schnellen und unkomplizierten Kauf (zwei Klicks) von digitalen Inhalten ab fünf Cent und ohne nervige Vorabregistrierung. Erst ab einem Betrag von fünf Euro muss sich registriert und dann bezahlt werden. Das Motto von LaterPay ist: Erst nutzen, später zahlen. Es ist auch möglich, einen Artikel zurückzugeben, wenn einem der Inhalt nach dem Lesen nicht gefallen hat. Laut Gutjahr sorgt „ein spezieller Algorithmus dafür, dass das System für alle fair bleibt und einzelne User die Inhalte nicht en gros zurückgeben.“ Das Besondere an LaterPay ist, dass der Nutzer jederzeit nachvollziehen und beeinflussen kann, für was er bezahlt. Ferner ist es für den Publisher möglich, genau zu sehen, wie groß die Zahlungsbereitschaft der Nutzer für einzelne Inhalte ist. Der große Vorteil dieses Micropayment-Systems ist, dass die Inhalte gemessen werden, nachdem der Nutzer sie konsumiert hat. Bei klassischen Online-Angeboten zählt meist nur der reine Seitenaufruf, damit Geld über Werbung generiert wird. Was der Nutzer also nach dem Seitenaufruf macht oder wie er den Inhalt findet, ist demzufolge egal. Bei LaterPay ist es nicht egal – was hier zählt, ist die Meinung des Users. Es kommt erst Geld in die Kasse, wenn der Nutzer Gefallen am Inhalt gefunden hat und durch eine Zahlung seine Zufriedenheit kundtut.
Micropayment als Zusatzeinnahme
Klassische Medienangebote nutzen bislang nur sehr selten Micropayment-Systeme als zusätzliche Erlösquelle. Warum das so ist, haben wir Holger Kansky, Referent Multimedia beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger BDZV, gefragt. Kansky erklärt, dass in der gedruckten Presse das Abo-Modell vorherrschend ist und daher Verlage versuchen, dieses Modell auch auf Online zu übertragen. Es wurden zudem bereits Erfahrungen mit Micropayment-Systemen gesammelt, die jedoch nicht den gewünschten Erfolg brachten, so Kansky. „Es kann sein, dass es durch LaterPay dem Nutzer etwas einfacher gemacht wird, da er nicht im Vorfeld die große Hürde der Registrierung überwinden muss. Jedoch sind Abomodelle von jeher gelernte Praxis. Der Nutzer wird nicht jedes Mal von Neuem mit der Preisfrage konfrontiert und wenn er ohnehin regelmäßig die Inhalte konsumiert, ist für den Nutzer das Abomodell auch günstiger. Die Tatsache, dass fast alle Verlage im Netz auf Abo-Modelle setzen und nur ergänzend auf Micropayment, hat sich aus den Erfahrungen heraus entwickelt.“
Werbung zur Refinanzierung
Wie könnte also zukünftig Onlinejournalismus finanziert werden? Kansky konstatiert, dass man weltweit vor der Problematik steht, noch kein nachhaltiges Geschäftsmodell für Onlinejournalismus gefunden zu haben. Die Einnahmen sind momentan noch sehr gering, aber der BDZV verzeichnet eine dynamische Wachstumsrate. „Wir sind noch ganz am Anfang der digitalen Entwicklung. Zukünftig werden wir sicherlich noch enorme Entwicklungen erleben – die wir jetzt noch gar nicht absehen können. Deswegen ist es wichtig, dass man sich frühzeitig positioniert und Erfahrungen sammelt.“ Werbeeinahmen werden nach Kansky weiterhin eine wichtige Einnahmequelle bleiben. Es wird, laut Kansky, immer neue Werbemöglichkeiten geben, auch wenn momentan die klassische Werbung durch Add-Blocker und abnehmende Klickraten unter Druck geraten ist. Nach Kansky muss sich die Refinanzierung zukünftig aus mehreren Quellen speisen. „Das Thema Native-Advertising steht gerade hoch im Kurs. Des Weiteren kommen wachsende Vertriebseinahmen über Paid-Content dazu – wo ja auch die Möglichkeit besteht, Werbung zu schalten. Dann spielt noch das Thema E-Commerce, also Transaktionserlöse, eine große Rolle. Ein nach wie vor wichtiger Bereich sind Rubrikenmärkte, also Kleinanzeigen für beispielsweise Jobs oder Immobilien.“ Alles zusammen soll perspektivisch irgendwann einmal so viel einbringen, dass Verlage gut damit leben können, so Kansky.
Micropayment als Nischenangebot
Kansky ist der Meinung, dass man für alle Bereiche offen sein muss, um zu sehen, was am besten für den einzelnen Verlag funktioniert. Solange es noch nicht absehbar ist, in welchen digitalen Bereichen sich die Verlage positionieren oder Alleinstellungsmerkmale entwickeln können, müsse man bereit für verschiedene und neue Erlösquellen sein, so Kansky. „Ich lehne Micropayment nicht grundsätzlich ab. Ich sehe es aber mehr als ein Nischenangebot mit keinem großen Entwicklungspotenzial.“
Feststeht: Mit Micropayment lässt sich Geld verdienen, wenn die Inhalte den Nutzer ansprechen. Mit Sicherheit wird es zukünftig nicht das eine Bezahlmodell geben, sondern eher einen Mix aus verschiedenen. Micropayment ist sicherlich nicht das prävalente Erlösmodell, aber zweifellos ein wichtiger Bestandteil des Entwicklungsprozesses zukünftiger Finanzierungsmöglichkeiten im Onlinejournalismus. Gutjahr selbst hofft, dass es eines Tages eine verlagsübergreifende All-you-can-read-Flatrate geben wird.
Text: Peter Bauch. Grafik: Matt Coats (CC BY-NC-ND 2.0).