Semesterauftaktparty SoSe 2017 (Selbstversuch)
Die Semesterauftaktparty (SAP) sowie ihr Wintersemester-Pendant die Erstsemesterparty (ESP) sind für ihre Ausschweifungen in der Mittweida-Hochschulsphäre bekannt – Alkoholkonsum bietet stets Angriffsfläche für all jene, die entweder zu alt sind oder sich zu alt für solche Veranstaltungen fühlen. Wie erlebt man eine solche Veranstaltung ohne und wie mit Alkohol? Wie groß sind die Gegensätze? Ein Selbstversuch. Es ist Mittwoch der 29. März 2017.
Ein Beitrag von Martin Benedix und Marlon Nieberg.
Fotos: Stura / Stura auf FB
Der Vorsatz
Da ich bei der letzten ESP keinen Eintritt erlangte – wer konnte schon ahnen, dass trotz einer Anreise von über einer Stunde vor Beginn kein Ticket mehr für mich übrig sein würde – versuche ich mir diesmal bei der SAP ein Bild davon zu machen…
Meine Erfahrungen bei der letzten ESP waren, wie eingangs beschrieben: ausschweifend. Als Auftakt in ein lehrreiches, aber auch ausgelassenes erstes Semester eignete sich die Party in der Mensa mehr als genug. Nach Beratung mit Studenten eines höheren Semesters wurde mir nahegelegt, die Länge der Schlange nicht zu unterschätzen und sich mindestens zwei Stunden vorher am Mensa-Vorplatz einzuquartieren. Letztendlich wurde diese Wartezeit mit einer Eintrittskarte belohnt.
… Und zwar mit dem wissenschaftlichen Ansatz, während der Party nicht einen Schluck Alkohol zu mir zu nehmen. Ein ganz schönes Wagnis, aber ich tue alles für die Wissenschaft… Außer vielleicht morgens 8.00 Uhr im ZMS zu sein – was sich deswegen gut trifft, weil ich so jetzt schon eine gute Ausrede für mein eigenes Gewissen habe, wenn ich diese Vermeidungsstrategie auch am Tag nach der SAP praktiziere.
Trotz der verhängnisvollen 8-Uhr-Vorlesung am nächsten Tag, plante ich einen ziemlich heiteren Abend ein. Das soll mich aber nicht davon abhalten, am nächsten Tag in aller Frühe das ZMS aufzusuchen, schließlich soll man (so hörte ich) außer einer Leberzirrhose noch etwas Lehrreiches aus dem Studium mitnehmen.
Vorglühen
Der Abend beginnt zunächst einmal ruhig. Ich überzeugte meinen Mitbewohner mit mir zu kommen – und wenn ich überzeugt sage meine ich eher, ich habe ihm ein Ticket gekauft und deutlich gemacht, dass es moralisch stark verwerflich wäre, jetzt nicht mitzukommen. Ich schaue ihm dabei zu wie er noch vor dem eigentlichen Beginn der Party ein Glas Wein nach dem anderen vernichtet und mir dabei fies ins Gesicht grinst.
Wir machen uns auf den Weg.
Da die 18 Quadratmeter große Alcatraz-Zelle eher zum einsamen Tee-Schlürfen einlädt, bucht man sich kurzerhand in einer befreundeten WG zum Vorglühen ein. Dabei werden alle WG-Party-Klischees abgearbeitet: Von einigen Runden Singstar, bei denen der Grat zwischen Bewunderung und Tinnitus immer schmaler wird, bis hin zu einer langen Partie Wer bin ich?, bei der einige Dozenten auf amüsante Weise porträtiert werden.
Die meisten von uns besitzen bereits ein Bändchen für den Einlass. Wir brechen auf, die Mensa ruft. Es ist Semesterauftakt-Party-Time.
Die heitere Laune meines Kumpans, während er grölend die Rochlitzer Straße entlang stolziert, reißt mich zeitweilig mit: „wird bestimmt lustig denke ich mir“. An der Mensa angekommen, dauert es trotz meines nüchternen Zustands locker fünf Minuten in der Schlange bis ich merke, dass wir mit Bändchen ja direkt durch dürfen. Die Securities an der Tür machen mich nervös: Wenn es Reinkarnation gibt, dann waren die früher bestimmt mal Kampfhunde.
Aufgrund einiger spontan auftretender körperlichen Dysfunktionen meiner Gefährten, verlängert sich der 5-Minuten-Marsch auf eine halbe Stunde. Als wir schließlich an der Mensa angekommen sind, stellen wir ernüchtert fest, dass die Warteschlange ein bisschen mickrig aussieht. Hier sehe ich auch Marlons Lockenkopf, der gerade am Security-Personal vorbeigeht.
Die Party
So, da bin ich nun, die SAP – zumindest der Außenbereich. Erster Eindruck: könnte voller sein. Na gut es ist ja auch erst Elf. Bevor wir hineingehen, rauchen wir. Man muss wissen: Wir zählen uns selber zur höchst elitären und kein Stück eingebildeten Gruppe von Menschen die gerne gute Musik hören. Unsere zweite Heimat sind die Clubs von Berlin und wir fahren auch mal 600km um einen echt guten DJ live zu sehen. Was soll die SAP da schon bieten?
Nach dem geschenkten Shot am Einlass, finden meine Augen einen Grillstand, zu dem es mich auf unerklärliche Weise hinzieht. In der Schlange erkundigt man sich nach den heutigen DJs. Nach dem zweiminütigen Recherchegespräch stelle ich fest, dass ich von den meisten bis auf Lorenz Böhme noch nichts gehört habe. Das heißt aber nicht viel, da sich mein Wissen um elektronische Musik eher auf das Minimum beschränkt.
Ein Grill, wer mich schon einmal in Person getroffen hat, weiß, dass für mich kaum eine andere Option übrig bleibt als mir erst einmal etwas zu Essen zu besorgen. Der Grillmaster ist ein bekannter und so kostet die Wurst nur den halben Preis. Langsam sehe ich Vorteile an dieser SAP.
Ein kleiner Schock, als ein Betrunkener fast in den Aufbau des Grillstandes stürzt, er landet wenige Zentimeter davor und größeres Unglück scheint zunächst abgewendet.
Schließlich im Mensa-Gebäude, und ich staune nicht schlecht: Deko, Stimmung, Musik – alles passt. Ich denke mir, das wird ein guter Abend. Der Gedanke hält genau 3,7 Sekunden an, dann springt mich ein stark alkoholisierter Kommilitone an und will mich partout nicht loslassen. Nach ein paar Minuten guten Zuredens und hilflosen Blicken in die sich um mich sammelnde Menschenmenge taucht ein weiterer Student auf, der mich von der Last entbindet.
Es wird Zeit sich dem Herzen der SAP zu zuwenden. Drinnen angekommen, bin ich zunächst nicht schlecht überrascht über den „Foyer-Floor“: schön gemacht und außerdem hat es schon was, dort zu feiern wo man normalerweise nur mittelmäßiges Essen und Lerngruppen erlebt. Die Musik ist auch noch im Rahmen, leicht kommerziges Tech-House… ist tanzbar. So wird die nächste Stunde abwechselnd hier sowie mit weiteren Zigaretten vor dem Eingang verbracht.
Während Marlon den feinen Musik-Sommelier gibt, stürze ich mich in die Menge des unteren Floors. Ich entdecke bekannte Gesichter in der bebenden Masse. Dass dies nicht unbedingt ein Vorteil sein muss, erfahre ich schnell nach einer unfreiwilligen Bierdusche. Naja, immerhin gibt mir der Schuldige ein Bier aus, unterm Strich habe ich also Plus gemacht. Ich begebe mich von der Tanzfläche zur Bar, von der Bar zu einer Sitzmöglichkeit um mit Kommilitonen über das Leben zu philosophieren. Der Weg zur Bar soll sich in dieser Zeit öfter wiederholen.
Eine Weile später begeben wir uns nun mal aus Forschungsgründen zum zweiten Floor. Dreißig Sekunden sind vielleicht nicht wirklich ausreichend für eine detaillierte Musikkritik, aber genug für meine empfindlichen Ohren, zu poppig. Naja, die anderen scheinen Spaß zu haben.
Nach einer umfangreichen Diskussion, die sich von Einzelheiten über das Studium bis hin zum deutschen Reinheitsgebot des Bieres drehte, erreiche meine „Leerlauf-Phase“. Ich überlege, ob sich weiteres Bleiben noch lohnt, morgen ist schließlich Soundcheck mit einer anschließenden After-Show Party. Nachdem ich meine mentalen Ressourcen für ausreichend befinde, entschließe ich mich zu bleiben. Vielmehr wird mir die Entscheidung abgenommen, da mich ein Arm auf die Tanzfläche zieht, auf der einzelne „Oh mein Gott, das ist mein Lieblingslied!“-Schreie zu vernehmen sind.
Zeit für ein paar Drinks. Club-Mate. Kenne ich normalerweise nur mit Rum, schmeckt aber auch ohne schon recht bitter. Mein Mitbewohner kippt sich noch ein Bier rein. Dann treffe ich Martin, der anscheinend auch schon ein paar Bier gekippt hat, sollte er ja auch. Zeit für ein Foto an der Fotowand.
Marlon (ohne Bier) und Martin (mit Bier).
Wieder unten angekommen stelle ich fest, dass von Tech-House jetzt auf Schrott-House gewechselt wurde. Schade. Trotz Mate setzt eine gewisse Müdigkeit ein. Zusätzlich ist mein Verantwortungsbewusstsein durch meine Nüchternheit noch völlig unberührt und da es schon Eins ist, beschließe ich den Heimweg anzutreten. Mein Mitbewohner tanzt und will kein Teil meiner Abreise sein.
Mittlerweile ist es ziemlich voll geworden, sowohl die Räumlichkeit als auch einige Studenten. Hier und da sieht man spannungslose Körper auf die Toilette torkeln. So schlimm soll es für mich heute Nacht ganz bestimmt nicht werden, schließlich will man ja 8 Uhr wieder voll leistungsfähig sein.
Der Laden brummt jetzt schon ziemlich, die Leute haben Spaß. Ich denke, ich komme zur ESP wieder.
Zuhause sitze ich dann einsam vor dem Rechner und rekapituliere den Abend, schreibe diese Zeilen hier. Alkohol öffnet Leute, auch wenn sie verschieden sind. So schlimm kann das nicht sein. „Cheers“ sage ich zu mir während ich ein Glas Wein ansetze.
Die Stimmung ist jetzt wahrscheinlich auf ihrem Höhepunkt, die Zeit scheint immer schneller zu vergehen. Hier und da sehe ich die Blicke meiner Weggefährten, die mich stumm zum Weg nach Hause auffordern. Obwohl ich kein Bisschen Müdigkeit verspüre, willige ich ein. Zu Hause angekommen, will immer noch keine Müdigkeit einsetzen. Jetzt noch jemanden rauszuklingeln wäre ziemlich unverschämt. Also mache ich mir zwei Hotdogs, schmeiße Netflix an und schaue irgendeinen Trash-Film. Wie durch ein Wunder wache ich später früh genug auf, um mich für die erste Lehrveranstaltung ins ZMS zu schleppen. Auf dem Weg dorthin beneide ich innerlich Marlon, der jetzt wahrscheinlich noch seinen ruhigen Schlaf genießen kann.