Die Leute sind stolz auf ihr Museum

von | 6. Dezember 2017

Es sieht ein bisschen so aus wie in Omas altem Siedlungshäuschen. Nussbraune Holzmöbel und große Gemälde zieren den Raum. Der typische Geruch alter Gebäude...

Es sieht ein bisschen so aus wie in Omas altem Siedlungshäuschen. Nussbraune Holzmöbel und große Gemälde zieren den Raum. Der typische Geruch alter Gebäude liegt in der Luft und in jedem Raum spürt man den Geist vergangener Zeiten. Diesen Eindruck werden wohl die meisten Besucher des Museums „Alte Pfarrhäuser“ in Mittweida teilen. Hinter den Kulissen stehen die Museumsleiterin Sibylle Karsch und ihre Mitarbeiter und gemeinsam halten sie die Kulturstätte am Laufen.
Es ist ein kalter Wintertag, die Gehwege sind vereist und der Himmel hüllt sich in seine graue Wolkendecke. Beim Betreten des Museums empfangen mich der nostalgische Charme und der eigenwillige Geruch. Dieses Gefühl können Menschen bereits seit 1899 verspüren, denn von da an sind erste museale Sammlungen belegt. Bis heute wächst die Sammlung stetig und es kommen immer wieder neue Fund- und Kunststücke hinzu.

Sibylle Karsch: Wie das Museum zu seinen Exponaten kommt.

Mittlerweile umfasst die Kulturstätte mehrere Gebäude und die dazugehörigen Ausstellungsräume. Neben der Dauerausstellung zur Stadtgeschichte Mittweidas im alten Pfarrhaus, gehören auch das Johannes-Schilling-Haus, die Erich-Loest-Ausstellung sowie ein Depot zum Museum dazu. Nicht viele Orte in dieser Größenordnung können bei einer solchen Art der stadtgeschichtlichen Aufarbeitung mithalten. Frau Karsch lächelt und stimmt dieser Aussage zu. Doch das alles verlangt eben auch Pflege. Und eine große Portion Geduld.
Um die Mittagszeit bricht dann doch kurz die Sonne durch die graue Tristesse am Himmel. Die warmen Strahlen legen sich sanft auf den dunkelbraunen Holzfußboden des ehemaligen Pfarrhauses. Licht durchflutet die Räume und beleuchtet Gegenstände, die die Meisten von uns selbst nur aus Museen oder aus dem Geschichtsbuch kennen. Möbel, Waffen, Werkzeuge, Haushaltsgegenstände – jedes Teil erzählt seine eigene Geschichte und bildet ein Stück gelebter Wirklichkeit vergangener Zeiten ab.
Wer Frau Karsch kennt, weiß, wie sehr ihr das Museum am Herzen liegt – und das nicht nur ihres Berufes wegen. Sie erzählt stets mit Leidenschaft und Stolz von ihrer Arbeit und der Kulturstätte, aber bleibt dennoch demütig und dankbar. Damit trotzt sie den Widrigkeiten im Kulturbereich, wie dem wachsenden Druck der Digitalisierung, oder den engen finanziellen Rahmenbedingungen.

Sibylle Karsch: Die Finanzierung ist schwierig...

Verständlich, große Gewinne wirft eine kleine historische Bildungsstätte im sächsischen Hinterland natürlich nicht ab. Daher bedarf es im Kampf um Besucher auch immer wieder neuer Strategien, um nicht hinter Großstädten, wie Chemnitz, Dresden oder Leipzig abzufallen. Frau Karsch hält bei diesem Punkt kurz inne, dann führt sie aus:

Sibylle Karsch: Wenn die Leute einmal hier sind, sind sie begeistert.

Wir gehen in das Depot. Auf dem Weg dahin treffen wir eine der Angestellten. Das Gespräch wirkt freundlich, fast schon familiär. Die Sonne ist mittlerweile wieder verschwunden und ein kalter Wind weht. Der Vorgarten des alten Pfarrhauses ist mit einer Schicht Schnee überdeckt. Die Hecken lassen erahnen, wo sonst zierliche Blumen wachsen. Alles andere als zierlich hingegen ist die mächtige Stadtkirche, die gegenüber des alten Pfarrhauses auf einer Anhöhe trohnt. Eigentlich könnte das Museum keinen besseren Platz haben, zumindest wenn man bedenkt, dass Kirchen nach wie vor Besucher anlocken. Frau Karsch und die Mitarbeiterin haben ihr Gespräch mittlerweile beendet. Wir setzen unseren Weg ins Depot fort und sie erklärt mir, dass auch die Arbeitsverteilung der Angestellten zu ihren Aufgaben zählt. „Jeder Arbeitstag ist anders. Mal müssen Fundstücke in das Inventarisierungsprogramm eingetragen werden, oder es müssen Veranstaltungen vorbereitet werden. Es wird nicht langweilig.“
Wir betreten das Depot. Bevor es als solches genutzt wurde, war es eine Mittelschule.
Der Aufbau des Gebäudes und das Aussehen erinnern auch noch stark an die frühere Nutzung.

Sibylle Karsch: Mehr Ausstellungsstücke als die Gäste bei einem Besuch sehen werden.

Wir betreten ein Zimmer, in dem Porzellan aufbewahrt wird. Durch ein Fenster dringt Tageslicht in den Raum und bringt die goldenen Verzierungen auf einem Service zum leuchten. Ein langes und hohes Regal voll, nur mit Porzellan und Sammeltassen. Und jedes einzelne Stück ist mit einem Zettel und einer fortlaufenden Nummer versehen. Doch es ist nicht der einzige Raum, der bis oben hin mit Kulturgütern vollgepackt ist. In einem großen hellen Zimmer stehen viele alte Möbel. Sekretäre, Rundtische, Schrankwände – alles besondere Relikte, die es uns ermöglichen in der Zeit zurück zu reisen. In einem weiterem Raum finden sich sehr viele Gemälde: Portraits, Landschaftsbilder, Stillleben, die auf ihren Einsatz warten. Die Kunstwerke hängen geordnet, sortiert und nummeriert an großen Schiebewänden.
Jeder einzelne Raum des Museums hat seine ganz eigene Magie. Mit jedem polierten Helm und jeder sortierten Porzellantasse spürt man die Arbeit und Leidenschaft der Museumsmitarbeiter, die von Nöten ist, um diesen Zauber am Leben zu halten.

Dennoch bleibt ein Teil der geleisteten Arbeit von Frau Karsch und ihren Mitarbeitern im Verborgenen. Doch die Museumsleiterin nimmt das gelassen und sie äußert einen Wunsch: „Die Leute sind eigentlich auch stolz auf ihr Museum, was sie haben. Ich wünsche mir aber vor Allem eigentlich mehr Besucher und mehr jüngere Besucher. Also gerade Schulklassen und Studenten. Die finden den Weg auch viel zu wenig hier her. Das wäre so ein Hauptwunsch, dass man wirklich noch mehr Leute in der Bevölkerung erreicht.“

 

Johannes Schilling (* 23. Juni 1828 in Mittweida; † 21. März 1910 in Klotzsche bei Dresden) war ein deutscher Bildhauer. Besondere Bekanntheit erlangte er durch die Gestaltung der Brühlschen Terrasse in Dresden.
Erich Loest (* 24. Februar 1926 in Mittweida; † 12. September 2013 in Leipzig) war ein deutscher Schriftsteller. Er hat zahlreiche seiner Bücher unter den Pseudonymen Hans Walldorf und Waldemar Naß veröffentlicht. Er gilt als einer der Chronisten der deutsch-deutschen Geschichte.
Ein Beitrag von Kay Hänel
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