In den letzten zehn Jahren hat sich allein in den USA die Anzahl der Serien, die jedes Jahr erscheinen, mehr als verdoppelt (Quelle: Statista). Damit erscheinen pro Monat inzwischen rund 40 Serien. Seien wir mal ehrlich, so viele Serien können wir in einem Monat gar nicht ansehen. Bei der gigantischen Auswahl die Netflix und Co. uns zur Verfügung stellen, fällt die Entscheidung oft schwer. Lass dich von unseren Rezensionen inspirieren und finde deine neue Lieblingsserie.
Wie im Sturm hat die rothaarige Anne Shirley in Anne with an E in der ersten Staffel die Herzen ihrer neuen Adoptivfamilie und die Herzen der Zuschauer erobert. Nun kehrt die Serie mit einer zweiten Staffel zurück. Die Geschichte basiert auf dem Kinderbuch „Anne of Green Gables“ von der kanadischen Autorin Lucy Maud Montgomery und erzählt Pippi Langstrumpf-ähnlich von alltäglichen Herausforderungen der jungen Anne im späten 19. Jahrhundert. Netflix macht aus der sonst stets fröhlich portraitierten Coming-of-Age Geschichte ein leicht düsteres, realistisches und empathisches Drama. Die temperamentvolle, überfröhliche Anne (Amybeth McNulty) stellt sich gemeinsam mit ihrer neuen Familie und einem nicht zu bändigendem Redefluss den Problemen ihrer Zeit. Akzeptanz, Emanzipation und Sehnsucht sind nur einige der Schwerpunkte, die in Anne with an E aufgearbeitet werden und eine Brücke zu gegenwärtigen Themen schlägt. Dabei wird die Geschichte im Vergleich zu ihren vorherigen Adaptionen nicht romantisiert und zeigt auf dennoch empathische Weise die Härte und Ignoranz der damaligen Zeit. Annes fröhlicher, trotziger und intelligenter Charakter bekommt durch Rückblenden zu früherer Misshandlung einen Tiefgang, der so bisher noch nie aufgezeigt wurde. Zusammen mit bezaubernder Optik und exzellenter schauspielerischer Leistung von Amybeth McNulty wird Anne lebendig, inspirierend und einzigartig – eine gelungene Aufarbeitung, die verzaubert und doch auf dem Boden der Tatsachen bleibt.
Liest man die Beschreibung von Sharp Objects, erwartet man nur eine weitere Serie über die Aufklärung eines Mordfalls. Doch die HBO Miniserie verspricht viel mehr. Auf Grundlage des gleichnamigen Romans der „Gone Girl“- Autorin Gillian Flynn ist ein Psycho Thriller entstanden, der subtil Spannung aufbaut und mit einer spielerischen Beiläufigkeit in seinen Bann zieht. Reporterin Camille (Amy Adams) wird in ihre Heimatstadt Wind Gap geschickt, um über den Mord zwei junger Mädchen zu berichten. Dabei fesselt den Zuschauer weniger der Mordfall als die Protagonistin selbst. Neben dem Verhältnis zu ihrer perfektionistischen Mutter geben auch Kindheitserinnerungen, die als Traum oder Erinnerung eingebaut werden, einen ersten Einblick in Camilles traumatisierte Psyche und erklären ihre offensichtliche Nikotin- und Alkoholabhängigkeit. Was genau in Camilles Vergangenheit vorgefallen ist und inwieweit es sogar eine Verbindung zu den aktuellen Mordfällen geben könnte, wird sich zeigen. Amy Adams überzeugt mit trockenem Humor und gibt der Figur genau das richtige Maß an verborgener Komplexität und Verletzbarkeit. Wem Thriller gefallen, denen man nicht sofort absehen kann, wohin die Reise führen soll, findet in Sharp Objects eine fesselnde, innovative Miniserie.
Wenn es in der Hölle zu langweilig wird, muss man sich wohl auf der Erde eine erfüllendere Beschäftigung suchen – das dachte sich zumindest Lucifer Morningstar (Tom Ellis) als er seinen Thron in der Hölle aufgab. Seine Fähigkeit, Menschen ihre Schuld gestehen zu lassen, zum Wohl der Menschheit einzusetzen und Berater des Los Angeles Police Departments zu werden, stand bisweilen noch nicht auf seinem Plan. All das ist nun schon zwei Staffeln her, denn Lucifer geht bereits in die dritte Runde. Weiterhin werden Mordfälle gelöst, während der Zuschauer Lucifer dabei beobachten kann, wie er mehr über das Gefühlswesen der Menschen erfährt und selbst menschliche Gefühle entwickelt ohne seinen Charme und seine unbekümmerte Playboy Attitude zu verlieren. Diese facettenreichen Eigenschaften lernt der Zuschauer schnell lieben und werden durch charmanten Witz zu einem Wiedererkennungsmerkmal der Serie. Ansonsten finden neben klassischer Polizei Investigation auch Romantik und mittelprächtig animierte Fantasy-Elemente ihren Platz in der Serie, von der man besser keine biblischen Bezüge erwarten sollte. Damit gehört Lucifer eher zur Mittelklasse der Serien, ist aber für Fans von Fantasy- und Krimiserien als Zeitvertreib nebenbei durchaus sehenswert. Eine vierte Staffel wird von Netflix anstelle von Fox produziert. Ob die Serie dadurch eine Veränderung durchlaufen wird, ist unklar.
Drama und Comedy sind zwei Genres, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Dennoch versucht die Netflix Produktion Orange is the New Black nun schon seit sechs Staffeln beide zu vereinen – mal mehr, mal weniger erfolgreich. Die bisexuelle Piper Chapman (Taylor Schilling) wird zu Beginn der Serie wegen eines früheren Drogenschmuggels zu 15 Monaten Haft verurteilt und in das Frauengefängnis Litchfield eingeliefert. Dort stellt sie sich den zwischenmenschlichen Beziehungen zu anderen Inhaftierten, der Unterdrückung der Gefängniswärter und jeder Menge Drama und Konflikten, die mit Humor unterlegt werden sollen. Ohne den komödiantischen Aspekt würde die Serie schlicht zu brutal und düster werden. Dennoch ist die Balance beider Genres ein schwieriges Unterfangen, das nicht immer gelingt und schnell frustriert. Die Inkonsistenz in Balance und Handlung erfordert einiges an Geduld seitens des Zuschauers. Dafür wird der bunte Mix aus Charakteren und Lebenswegen durch die exzellente Schauspielleistung zum treibenden Element der Serie. Charaktere zeigen immer wieder überraschende neue Seiten. Damit spielt die Serie regelmäßig mit den Erwartungen des Zuschauers und bleibt auf gewisse Art spannend. Themen wie Identität, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung finden immer wieder einen tragenden Platz in der Dramedy-Serie. In der neuen Staffel befinden sich die Inhaftierten im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses. Weshalb sie verlegt worden sind und welche überraschenden Wendungen die neue Staffel bereithält, sollte sich jeder selbst ansehen.