Sieben Tage ohne Social Media – ein Selbstexperiment

von | 4. September 2018

Wie fühlt sich eine Woche Facebook, Instagram und Co an? Das wollen Susan und Caroline von MedienMITTWEIDA selbst herausfinden. Wie werden die beiden das große "Social Media Detoxing" überstehen?

 

Social Media Detox

 

Sieben Tage ohne Social Media – ein Selbstexperiment

von | 4. September 2018

Whatsapp,Facebook und Co. sind für die beiden Studentinnen die nächsten sieben Tage tabu. Grafik: Caroline Lindner

Sieben Tage ohne Instagram und Co. Die Apps sind gelöscht und ein Gefühl der Unsicherheit macht sich breit. Schreibt mir gerade jemand oder verpasse ich vielleicht die Sensation. Als Millennials sind wir mit Social Media spätestens in unseren Teenagerjahren in Kontakt gekommen. Wir haben den Aufschwung von Facebook miterlebt und erinnern uns noch an die Zeiten von Myspace und SchülerVZ. Social Media begleitet uns also schon eine ganze Weile. Doch in den letzten Wochen fiel uns auf, dass die sozialen Netzwerke mehr als nur ein stiller Begleiter für uns ist. Es zog uns zu oft in seinen Bann. Wir ertappten uns dabei, deutlich mehr Zeit auf Social Media Seiten zu vertrödeln und unsere Umwelt nicht mehr deutlich wahrzunehmen. Damit soll jetzt für eine Woche Schluss sein.

Erster Tag – Brieftauben und gemischte Gefühle

Caroline – Der erste Tag ohne Social Media neigt sich dem Ende und ich kann sagen: Es nervt mich jetzt schon gewaltig. Immer greife ich zu meinem Smartphone, möchte eine App öffnen und stelle fest, dass ich diese in meinem jugendlichen Leichtsinn gelöscht habe. Meine Mutter fragte mich, eher überrascht, ob mein WhatsApp nicht mehr funktionieren würde oder warum ich ihr per SMS schreibe. Mit einer anderen Freundin halte ich Kontakt per E-Mail. Ich fühle mich in die 2000er versetzt.
Warum denn da nicht gleich eine Brieftaube losschicken?! Das ist mindestens genauso umständlich. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Experiment so eine gute Idee war…

Susan – Die Apps sind deinstalliert und das Handy ist ganz schön leer. Ich ertappe mich immer wieder dabei, meinen Bildschirm zu entsperren um dann in meine leere App Übersicht zu schauen. Am Nachmittag war es noch okay, denn da haben Caro und ich noch gemeinsam die ersten Vorbereitungen für unsere Belegarbeit in „Eventmanagement“ getroffen. Aber jetzt, wenn ich hier so allein dasitze, merke ich bereits, wie die Sozialen Netzwerke fehlen. Aber irgendwie fühlt es sich doch auch ein klein bisschen erleichternd an, so ganz ohne Scrollen. Irgendwie ist es noch ein geteiltes Gefühl.
Momentan will ich noch nicht daran denken, dass einige Tage Detox vor uns liegen.
Ich bin gespannt, welche Gedanken wir zusätzlich in unserem Videotagebuch festhalten.

Zweiter Tag – Wir fühlen uns allein

Caroline – Man denkt vielleicht am zweiten Tag gibt es langsam auch ein paar positive Aspekte – ich kann sagen: Nein. Ich fühle mich regelrecht uninformiert, was für mich als sehr neugierige Person der pure Horror ist.
Im Rahmen meines Studiums gibt es für unseren Studiengang eine WhatsApp – Gruppe. In dieser Gruppe werden Infos zum Lernstoff herumgeschickt. Ich habe eine Frage zu einem Projekt, kann aber natürlich niemanden fragen, denn die Nummern sind auch nur in dieser App gespeichert. Mein iPhone ist zur Zeit eine sehr, sehr teurer Uhr mit Wetterberichtsfunktion. Wenn ich das Haus verlasse, überlege ich ernsthaft, es überhaupt mitzunehmen. Ich meine, warum auch?
Langsam fühle ich mich etwas allein und zurück gelassen…

Susan – Ich sitze allein im Büro und würde zu gern mal einen Blick in meine Apps werfen. Warum habe ich genau jetzt das Bedürfnis? Ein Gefühl von Einsamkeit? Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich ständig auf mein Handy starre und es immer wieder entsperre um zu realisieren, dass Instagram und Co. gelöscht sind.
Die Hoffnung, ohne Social Media mehr für meine Belegarbeit zustande zu bekommen, hat sich noch nicht bewahrheitet. Ob sich das noch ändert? Ich hoffe es.
Überraschenderweise merke ich, dass ich ohne Facebook, Instagram und Co. viel mehr das Bedürfnis habe im „wahren Leben“ kommunikativ und sozial zu sein. Viel öfter suche ich die Möglichkeit, mich mit Arbeitskollegen zu unterhalten.
Das Gefühl etwas auf Instagram zu verpassen, hängt mir trotzdem noch ständig im Kopf. Nur noch bis Sonntag durchhalten…

Dritter Tag – keine Kohle, kein Instagram, kein Service

Caroline – Ich fühle mich immer mehr alleine gelassen. Menschen, die mir vorher öfter über Instagram und Facebook geschrieben haben, melden sich über SMS oder per Anrufe gar nicht mehr. Das Bedürfnis des „Sich Mitteilens“ wird auch immer größer – eben mal ein schönes Bild posten oder Videos von Freunden anschauen.
Weiteres Problem: Immer wenn mein Geld mal wieder knapp wird, verkaufe ich in einem „virtuellen Flohmarkt“ auf Facebook Schuhe und Handtaschen – ja das fällt nun flach. Schlecht, wenn man jetzt wirklich die Kohle braucht.
Viele Bereiche meines Lebens, wie mein Flohmarkt oder auch Veranstaltungen die ich gern besuchen will, laufen über die Accounts meiner Social Media Apps. Und man spürt, wenn man diese nicht hat. Bis jetzt habe ich auch noch keine passende alternative Beschäftigung gefunden. Ich hänge ein wenig sehr in der Luft.

Susan – Nach dem Aufwachen reflexartig meine Internetverbindung einzuschalten und auf das Handy zu schauen habe ich mittlerweile aufgegeben. Ich fühle mich irgendwie raus. Raus aus dem Geschehen. Habe das Gefühl mit meinen Freunden keinen Kontakt zu haben, denn über stinknormale SMS kommuniziert man ja scheinbar nicht mehr. Mein Nachrichtenfach bleibt jedenfalls leer. Lediglich Caro, die scheinbar genauso verzweifelt mit der Situation ist wie ich, schreibt mir.
Die Versuchung mich einmal kurz abzulenken und durch Instagram zu scrollen ist riesig groß. Ich will einfach wieder Teil des Social Media Geschehens sein. Mich nicht so abseits fühlen. Ich bin genervt und will gerade am liebsten sagen – Scheiß drauf, ich geb’s auf.

Vierter Tag – Die eine gewöhnt sich dran, Die andere dreht am Rad

Caroline – Ich weiß nicht, ob ich mich langsam daran gewöhne, aber heute ist der erste Tag, an dem ich Instagram und Co. nicht ganz so vermisse. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich seit sechs Stunden an meiner Hausarbeit arbeite. So produktiv war ich noch nie. Ich schreibe die gesamte Zeit, ohne Unterbrechung – mit Social Media würde das nie funktionieren. Allein bei Instagram verbringe ich durchschnittlich zwei bis vier Stunden. Was mir außerdem auffällt, ich nehme Dinge anders wahr. Freunde, die beim gemeinsamem Grillen an ihren Social Media Accounts hängen, stoßen mir unangenehm auf. Nicht, weil ich mich ausgeschlossen fühle, sondern weil ich finde, dass dieses „an Social Media hängen“ in schönen Momenten einfach unpassend ist. Muss es denn sein, wenn man gemütlich beisammen sitzt, unbedingt ins Handy zu starren und Facebook ständig zu aktualisieren?
Allerdings gibt es auch Situation, in denen ich an „Social Media hängen“ will. Zum Bespiel wenn ich bestimmte Leute über WhatsApp kontaktieren möchte oder meinen Freunden etwas tolles auf Instagram zeigen möchte. ( Wem fehlen Memes denn bitte nicht ?)

Susan – Wie oft ich heute bereits auf mein Handy geschaut und meinem Bildschirm entsperrt habe, kann ich schon gar nicht mehr sagen. Oft auf jeden Fall. Ich habe keine Lust mehr, fühle mich absolut abgeschottet. Würde meine Arbeitskollegin nicht mit mir die Mittagspause verbringen, würde ich wahrscheinlich komplett am Rad drehen. Ich will wissen, was alle anderen in den Sozialen Netzwerken treiben und was um mich herum passiert. Meine Nachrichten aus dem Weltgeschehen hole ich mir ehrlich gesagt oft von Facebook. Wie würde Herr Prof. Brinkmann so schön sagen: „News-Snacking“? Wenn mich dann etwas interessiert, klicke ich auf die verlinkte Nachrichtenseite. Aber jetzt? Sonderlich viel bekomme ich nicht mit.

Fünfter Tag – Keep on pushing

Caroline – Neue Beschäftigung gefunden – netflixen bis Netflix mich fragt ob ich wirklich noch weiter schauen will ( Gott ja, verdammt !?) und „Fake Online Shopping“ – Alles was mir gefällt in den Warenkorb legen, die Endsumme sehen und dann noch nicht bestellen. Das macht Spaß… nicht. Aber das Gute ist: Ich beschäftige mich mehr mit meiner Belegarbeit und versuche mehr zu lesen. Allmählich, auch wenn es nur noch zwei Tage sind, gewöhnt man sich daran. Ich habe einfach nur noch nicht die richtige Beschäftigung für mich gefunden.

(Wenn jetzt auch nur einer daran denkt, ich könnte doch raus gehen und Sport machen … Nein)

Susan – Es tut gut, mal nicht sofort nach dem Aufwachen sämtliche Social Media Accounts zu checken. Oft hab ich davon Kopfschmerzen bekommen. Klar, meine Augen sofort nach dem Aufwachen mit einem Screen und tausend Eindrücken zu belasten, kann ja gar nicht gut sein.
Die Befürchtung, dass mich jemand über Social Media erreichen will, aber nicht kann, habe ich immer noch. Mit einer Australierin, die ich während meines Urlaubs treffen möchte, stehe ich ausschließlich über Instagram in Kontakt. Was wenn sie mich gerade versucht zu kontaktieren und denkt, ich ignoriere sie. Mist, bis Sonntag muss ich noch abwarten.
Es ärgert mich, dass ich weniger fotografiere. Trotzdem bin ich froh, einfach mal nur zu beobachten. Ich nehme viel mehr auf und wahr, betrachte meine Umgebung bewusster, statt nur durch einen Smartphone-Screen zu starren. Anstatt Zuhause sinnlos durch Instagram zu scrollen, nutze ich die Zeit für eine Fahrradrunde und genieße die Abendsonne. Achja und ich glaube der Akku meines Smartphones hat noch nie zwei Tage überlebt. Gratulation.

Vorletzter Tag – Positive Aspekte

Caroline – Heute habe ich das erste Mal nicht das Bedürfnis, etwas zu posten oder Content anzuschauen. Ein Besuch im Zoo und ein gemütliches Abendessen in einem coolen Restaurant geben mir das Gefühl, dass ein Tag ohne Social Media sogar manchmal noch schöner sein kann. Jeder hängt im Zoo mit seinem Handy vor den Gehegen und verpasst tolle Momente, weil sie das Bild erst einmal auf Facebook teilen müssen. Ich genieße einfach die lustigen Tierchen und „sauge“ schon fast jeden tollen Moment auf. Auch mal schön, wenn einfach nichts auf dem Handy passiert.
Allgemein gibt es kein besseres Gefühl, wenn das Telefon nicht alle zehn Minuten aufleuchtet. Mir fällt auch auf, dass ich ruhiger geworden bin. Ich wache auf und muss nicht sofort auf mein
Handy starren, ob es irgendwas Neues gibt.

Susan – Draußen ist es grau, es regnet und mein Tag beginnt sehr träge. Nachdem ich meinen halben Liter Kaffee getrunken habe, entschließe ich mich die Zeit für einen Spaziergang zu nutzen.
Mein Ausflug nach draußen bleibt kurz. Es regnet in Strömen. Perfektes Social Media Wetter, wenn man mich fragt. Die Versuchung ist also riesig groß. Wie soll ich da noch standhaft bleiben? Ich versuche mich an meiner Belegarbeit. Stattdessen sitze ich vor meinem Laptop-Screen und starre eigentlich nur an die Wand. Ich brauche Ablenkung, aber die habe ich nicht. Eigentlich bleibt mir nur noch die virtuelle soziale Welt. Aber einen Tag vor Schluss noch aufgeben?
Um mich abzulenken, bin ich zum Abendessen bei meiner besten Freundin. Normalerweise checke ich selbst hier die Social Media Welt. Meist tut sie das auch. Stattdessen genießen wir einfach unseren Mädelsabend. Das Experiment beeinflusst somit auch sie irgendwie positiv. Der Tag nimmt also doch noch ein schönes Ende.

Letzter Tag – Last Woman Standing

Caroline – ENDE! Letzter Tag. Heute werden die Apps wieder ins Leben zurück gerufen.
Als die Apps wieder auf meinen Handy aufleuchten, fühle ich mich nicht so euphorisch als ich erst dachte. Es ist, wer hätte es gedacht, in der Detox – Woche auch nichts passiert. Die Welt dreht sich weiter – mit oder ohne Facebook. Natürlich fehlt mir das informieren oder die Posts von Künstlern, die mich inspirieren. Aber ich kann sagen, ich bin ruhiger und bewusster geworden. Man sieht Dinge auch aus einem anderen Licht. Es fällt mir außerdem von Tag zu Tag mehr auf, wenn Menschen am Handy hängen, weil anscheinend unbedingt etwas gepostet werden muss.

Susan – Endspurt. Das Social Media Experiment ist zu Ende und Caro und ich installieren unsere Apps wieder. Ich hätte wirklich gedacht, ich würde größere Freudentänze machen, wenn ich Instagram und Co. wieder auf meinem Handy sehe. Aber ja, sie sind halt einfach wieder da und ich glaube ich hätte es vielleicht sogar noch länger ohne ausgehalten.

Carolines Fazit

Social Media ist für mich nur ein netter Zeitvertreib. Das habe ich durch das Experiment gelernt. Ich sollte dadurch nicht Bezug zum Hier und Jetzt verlieren und einfach mal den Moment genießen. Ich kann also jeden empfehlen ein solche Detox – Woche einmal selbst auszuprobieren.

Susans Fazit

Ich bin froh, das Experiment Social Media Detox gewagt zu haben. Es war definitiv eine Herausforderung. Doch da ich gemerkt habe, wie sehr mich die Sozialen Netzwerke in meinem Alltag begleiten, war es eine gute Entscheidung. Süchtig bin ich aber zum Glück noch nicht!
Ich empfehle jedem, einmal einen Social Media Detox durchzuführen. Es ist erstaunlich, wie abhängig und fixiert wir auf die Sozialen Netzwerke sind. Wir vergessen oft, die Momente im realen Leben zu genießen. Ich hoffe ich schaffe es in Zukunft öfter mal ein paar Tage ohne Instagram und Co. in meinen Alltag zu integrieren.

Text und Grafik: Caroline Lindner, Susan Jahnke

<h3>Caroline Lindner</h3>

Caroline Lindner

ist 23 Jahre alt, kommt aus Chemnitz und studiert im 4.Semester Medienmanagement. Mit ihrem gestalterischen Können kreierte sie das neue Logo von medienMITTWEIDA und kümmert sich als Teil der Bildredaktion um die Bebilderung der Beiträge. Außerdem ist sie begeisterte Rollerfahrerin.