Baumwollproduktion

Weißes Gold mit bitterem Beigeschmack

von | 4. Januar 2019

Genmanipulation, Verschuldung, Suizid: Über die harte Realität der weichen Ware.

Baumwollproduktion

Weißes Gold mit bitterem Beigeschmack

von | 4. Januar 2019

Ökologisch produzierte Baumwolle hat einen Marktanteil von einem Prozent. Foto: Alexander Grau

Sie ist die am häufigsten produzierte Naturfaser der Welt. Rund ein Viertel aller Fasern für die Textilindustrie sind Baumwolle. Dabei liegen die Gründe für ihre Beliebtheit auf der Hand. Sie ist sehr hautfreundlich, hat ein geringes Allergiepotenzial und gleichzeitig ist sie langlebig und strapazierfähig.

Laut Umweltbundesamt sichert Baumwolle die Lebensgrundlage von 250 Millionen Menschen in 80 verschiedenen Ländern. Dabei wird sie auf nur 2,5 Prozent der weltweit landwirtschaftlich genutzten Fläche angebaut. Diese Anbaufläche entspricht in etwa der Größe Deutschlands. Zwei Drittel davon werden von den vier größten Anbau-Nationen Indien, USA, China und Brasilien bewirtschaftet.

Innovation verdrängt Tradition

Der Baumwollanbau findet heute nach neuen Standards statt. So findet man in den vier größten Anbauländern bereits durchschnittlich 92,25 Prozent genmanipuliertes Saatgut, wie es einem Bericht des International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications (folgend als ISAAA bezeichnet) zu entnehmen ist. Bei diesem werden Gene bestimmter Bakterien in die DNA der Baumwolle übertragen, sodass jede Zelle der Pflanze daraufhin die entsprechenden Toxine enthält. Schädlinge sind dem Gift somit dauerhaft ausgesetzt. Dieses Verfahren soll eine höhere Präzision haben, da Schädlinge gezielter bekämpft und Nicht-Schädlinge leichter verschont werden. Am weitesten verbreitet sind sogenannte „Bt-Baumwollsamen“. Diesen wird das Bodenbakterium Bacillus thuringiensis eingepflanzt, welches als Insektizid die Baumwollkapselraupe bekämpfen soll. Sie gilt als weit verbreiteter Baumwollschädling, vor allem in Indien.

Darüber hinaus sollen Gesundheitsschädigungen bei Feldarbeitern und deren Angehörigen reduziert werden, da sie theoretisch weniger direkten Kontakt zu eingesetzten Pestiziden haben. Laut dem Bericht des ISAAA bringt genmanipuliertes Saatgut „Gesundheits- und soziale Vorteile und eine sauberere Umwelt durch einen abnehmenden Einsatz von konventionellen Pestiziden.“ Dies wird allerdings durch das Umweltbundesamt widerlegt. Durch den langjährigen Einsatz des Saatgutes werden die Schädlinge dagegen resistent, was dazu führt, dass noch stärkere Pestizide eingesetzt werden müssen.  

Verlagerung von Problemen

Das genmanipulierte Saatgut benötigt hohe Mengen an Wasser. Sollten Bauern keine gute Anbindung an Wasser haben oder ihre Felder durch Regen bewässern, so schlagen ihre Ernten oft fehl, was einer Veröffentlichung des Center for Human Rights and Global Justice (folgend als CHRGJ bezeichnet) zu entnehmen ist. Dies führt zu enormen finanziellen Einbußen. Laut CHRGJ müssen die Bauern in der Regel mehrere, teure Kredite aufnehmen, um sich das Saatgut leisten zu können. Dieses Problem wird verstärkt durch die Tatsache, dass es in vielen Regionen keine Nicht-Bt-Baumwollsamen zu kaufen gibt. Da die Bt-Samen als Hybride verkauft werden und sich somit nicht fortpflanzen können, sind die Bauern jedes Jahr darauf angewiesen, sich neue Samen zu kaufen. Eine Studie der indischen Deccan Development Society vergleicht die Preise von Bt-Samen und Nicht-Bt-Samen im Jahre der Einführung auf den indischen Markt 2002.

Die Bt-Samen kosten mindestens doppelt so viel wie Nicht-Bt-Samen. Somit müssen die Bauern zwischen potenziellen Einsparungen bei konventionellen Insektiziden und möglichen Einkommenssteigerungen durch höhere Erträge und höheren Kosten für das Bt-Saatgut und deren Pflege abwägen.

„Es ist also eine Art Glücksspiel, bei der die Bauern einen hohen Einsatz bringen. Schon ein oder zwei schlechte Ernten können den Bauern in eine ausweglose Situation aus Schulden und Zukunftsangst bringen.“

Andrew Flachs

Ethnologe, im Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung

Über Pestizide, Krankheiten, …

Der Human Rights Council der Vereinten Nationen hat 2018 in einem Report bestätigt, dass Pestizide für jährlich rund 200.000 Todesfälle durch Vergiftung verantwortlich sind. Davon sind 99 Prozent in Entwicklungsländern. Die landwirtschaftlichen Arbeiter/-innen sind den Pestiziden durch Verwehungen oder direkten Kontakt aufgrund mangelhafter oder nicht vorhandener Schutzkleidung ausgesetzt. Angehörige der Arbeiter/-innen sind ebenso gefährdet, da sie den Pestizidrückständen ausgeliefert sind, welche sich auf der Haut, den Schuhen oder der Kleidung der Arbeiter/-innen befinden. Dieser regelmäßige Kontakt mit Pestiziden kann, nachgewiesen, zu Krebs, Alzheimer, Parkinson, Entwicklungsstörungen und diversen neurologischen Dysfunktionen führen.

In einem indischen Dorf namens Padre wurden sehr hohe Zahlen von Krankheiten und Todesfällen vermerkt. Es gibt 73 Prozent mehr körperlich und geistig Eingeschränkte als in allen anderen Dörfern dieser Region. Der Grund dafür ist eine naheliegende Cashew Plantage. Die Vorkommnisse können auf den Einsatz von Pestiziden zurückgeführt werden.

Verbrauch von Pestiziden

Laut Umweltbundesamt ist die Baumwollindustrie Hauptabnehmer für Pestizide. Obwohl sie nur 2,5 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche beansprucht, verbraucht sie 25 Prozent aller Pestizide und sieben Prozent aller Herbizide.

„Dort, wo die Bauern ihre eigenen Saaten verwenden, gibt es keine Selbstmorde.“

Vandana Shiva

Physikerin, Menschenrechtsaktivistin und Trägerin des Alternativ-Nobelpreises während des „Planety-Diversity“ Kongresses in Bonn

… und Suizide

Selbstmord durch Pestizide zählt mit einem Drittel aller Suizide zu den am häufigsten verbreiteten Suizidarten weltweit. Dies geht aus einem Bericht der World Health Organization hervor. Vor allem in ländlichen Gegenden Asiens, Afrikas, Zentral- und Südamerikas macht dies rund 60 Prozent aller begangenen Suizide aus. Das National Crime Records Bureau des indischen Innenministeriums hat 2015 die letzte Statistik zu Suiziden im landwirtschaftlichen Sektor veröffentlicht. Diese besagt, dass rund zehn Prozent aller Suizide aus diesem Sektor kommen. Es wird von sehr hohen Dunkelziffern ausgegangen. Laut der Statistik sind die Gründe für den Suizid überwiegend Verschuldung und Insolvenz.

Eine Reportage der ARD-Sendung Weltspiegel zeigt die Probleme des genveränderten Baumwollanbaus in Indien und was ein Suizid eines Bauers für die Familie bedeutet: Große Existenznot, ein aussichtsloser Kampf ums Leben. 200.000 indische Kleinbauern hätten demnach von 2003 bis 2013 Suizid begangen.

Die Daten beziehen sich auf Angaben des indischen Innenministeriums aus dem Jahr 2015. Grafik: Alexander Grau

Möglichkeiten der Einflussnahme

Das Umweltbundesamt empfiehlt hierzu den Kauf von Baumwolle aus kontrolliert ökologischem Anbau. Diese hat aktuell einen Marktanteil von rund einem Prozent.

Für die Produktion werden keine gentechnisch veränderten Pflanzen genutzt, Pestizide und Düngemittel sind verboten und in der Weiterverarbeitung wird auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen geachtet.

Text, Titelbild und Grafik: Alexander Grau

<h3>Alexander Grau</h3>

Alexander Grau

geb. 1997 in Leipzig, studiert Medienmanagement im fünften Semester in der Vertiefungsrichtung Journalismus. Bei medienMITTWEIDA ist er als Redakteur und Lektor tätig.