Personalmangel, schlechte Bezahlung und unmenschliche Arbeitszeiten – Das sind die Vorurteile, die in der Gesellschaft oft im Bezug auf die Gesundheitspflege genannt werden. Doch treffen diese wirklich zu? Wie gestaltet sich der Arbeitsalltag einer Krankenschwester? Was genau ist ihre Meinung zum deutschen Gesundheitssystem und etwaigen Problemen? Im zweiten Interview haben sich die Redakteure von medienMITTWEIDA entschieden, eine auszubildende Krankenschwester zu verschiedenen Aspekten ihrer Arbeit zu befragen: Clara erlernt den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin im Rahmen eines dualen Studiums in einem Krankenhaus in Dresden.
Wieso hast Du Dich dafür entschieden, eine Ausbildung beziehungsweise ein duales Studium in der Pflege zu beginnen?
Durch ein Praktikum in einem Altenpflegeheim habe ich gemerkt, dass mir die Pflege und der Kontakt zu den Patienten sehr viel Spaß macht. Mir ist aufgefallen, wie spannend es ist, sowohl mit Patienten und Angehörigen als auch mit medizinischem Fachpersonal zu arbeiten. Hierbei hat man sowohl den akademischen Anspruch als auch den persönlichen Kontakt zu den Patienten.
Wie oft und zu welchen Zeiten musst Du innerhalb Deines Studiums arbeiten? Wie empfindest Du die Arbeitsbelastung?
Was hast Du Dir anfangs unter diesem Pflegeberuf vorgestellt? Haben sich Deine Erwartungen bestätigt oder kamen die Dinge doch anders als gedacht?
Findest Du die Entlohnung für Deine Arbeit gerechtfertigt? Hast Du dabei auch Meinungen Deiner Kollegen erhalten?
Meiner Meinung nach gibt es viel Luft nach oben in der Behandlung und Entlohnung des Personals. Ich finde, für den Job, den wir leisten und dessen Stellenwert im Bezug auf die Wichtigkeit in der Gesellschaft, werden wir nicht gerecht entlohnt.
Wie gestaltet sich der Kontakt zu Deinen Patienten? Hast Du genug Zeit, Dich um jeden Patienten ausgiebig zu kümmern?
Das ist tatsächlich von der Station abhängig, auf der ich gerade eingesetzt bin. Momentan arbeite ich auf einer Station mit Demenzpatienten. Hier habe ich die Erfahrung gemacht, dass es genug personelle Ressourcen zur gerechten Behandlung der Patienten gibt. Allerdings war ich auch schon auf anderen Stationen eingeteilt, wo ich mich als Schülerin um 30 Betten auf beiden Seiten kümmern musste. Somit konnte ich mich natürlich nicht genug um jeden einzelnen Patienten kümmern und natürlich auch keine persönliche Bindung aufbauen. Des Weiteren besteht hier die Problematik, dass Schüler den eigentlichen Pflegern über die Schulter schauen sollen und nicht deren Tätigkeiten komplett übernehmen müssen. Dies war bei mir leider schon öfter der Fall. Hier wäre es sinnvoll, mehr Personal einzusetzen.
In einem vorherigen Interview haben wir erfahren, dass es bei dem Befragten vorkam, dass Patienten nicht richtig gewaschen, nicht gefüttert und nicht zum Trinken animiert wurden. Hast Du im Pflegealltag schon ähnliche Probleme mitbekommen? Wenn ja, welche genauen Erfahrungen hast Du dabei machen müssen?
Wahnsinn! Von so einem Beispiel kann ich Gott sei Dank nicht berichten. Das mag vielleicht aber auch daran liegen, dass unser Krankenhaus etwas kleiner ist. Außerdem arbeiten wir sehr patientenorientiert und solche krassen Beispiele kommen bei uns nicht vor. Das Einzige, was mir auffällt, ist, dass Isolationspatienten, bei denen man sich zur Behandlung immer Handschuhe und Isolationskleidung anziehen muss, nicht so oft behandelt werden. Das Pflegepersonal macht sich oft nicht die Mühe, sich umzuziehen.
Was könnte Deiner Meinung nach der Grund für eine mangelhafte Behandlung sein?
Hast Du das Gefühl, dass jeder Patient respektvoll und seinen Beschwerden nach gerecht behandelt wird?
Generell schon, natürlich gibt es auch hier wieder Ausnahmefälle. Zum Beispiel gehen Schwestern und Pfleger teilweise früher von der Arbeit, um privaten Terminen nachzugehen und überlassen die Pflege den teilweise nicht ausreichend geschulten Schülern. Das hilft weder mir, noch dem Patienten und ist keine gute Pflege.
Hält sich das Pflege- und Putzpersonal an die in einem Krankenhaus geltenden hygienischen Vorschriften?
Nur durch gute Hygiene kann sichergestellt werden, dass sich andere Menschen nicht ebenfalls infizieren. Vor allem in einem Krankenhaus ist das wichtig. Natürlich gibt es Personal, das die Hygienevorschriften nicht so ernst nimmt wie andere. Das ist meiner Meinung nach aber auf die individuelle Einstellung zurückzuführen und hat in unserem Fall nichts mit dem Krankenhaus oder dem Gesundheitssystem zu tun.
Findest Du, dass Privat- und Kassenpatienten gleich behandelt werden, oder gibt es Deiner Meinung nach Unterschiede in der Behandlung?
Ich finde, es gibt große Unterschiede, vor allem bei der Chefarztbehandlung. Von dieser profitieren bei uns zum Beispiel nur die privaten Patienten. Wir haben sogar einen gesonderten Flügel für private Patienten. Sie haben extra Schwestern, extra Räumlichkeiten und weitere Extrabehandlungen. Ebenfalls liegen sie jeweils nur zu zweit in einem Zimmer und auf die Sauberkeit sowie die Behandlung wird viel mehr Wert gelegt. Sie erhalten eine sehr gute Behandlung. Dies ist natürlich ein Komfortfaktor, allerdings hätte eine gleichwertige Behandlung bei gesetzlich versicherten Patienten meiner Meinung nach einen positiven Einfluss auf den Genesungsprozess. Deshalb würde ich den Begriff des Zwei-Klassen-Systems auf jeden Fall unterstützen, sogar noch stärker bei niedergelassenen Ärzten als bei Krankenhäusern.
Was würdest Du in Bezug auf die Krankenhauspflege verbessern wollen?
Verbessert werden sollte auf jeden Fall die Art, wie gepflegt wird. Es sollte meiner Meinung nach mehr Bereichspflege geben. Das bedeutet, dass sich eine Pflegerin nur um beispielsweise sechs Patienten kümmert, für diese dann aber die komplette Pflege übernimmt. Das ist meiner Meinung nach besser als die Funktionspflege, bei der die gut ausgebildeten Schwestern meistens im Büro sitzen und Personal koordinieren, da du, je höher dein Rang ist, immer weiter weg vom Patienten arbeitest. Somit kann meiner Meinung nach mehr Qualität in der Behandlung der Patienten gewährleistet werden. Pflege sollte viel patientenorientierter sein.
Text und Video: Philipp Funccius, Anton Baranenko, Titelbild: Anton Baranenko