Im Juli 2019 hat Instagram verkündet, dass testweise in sieben Ländern die Anzahl an Likes nicht mehr öffentlich sichtbar sein wird. Das heißt, die User können nicht mehr sehen, wie viele Likes ein Bild oder Video bekommen hat. Die Testläufe werden bereits in Australien, Brasilien, Kanada, Irland, Italien, Japan und Neuseeland durchgeführt. Jetzt soll auch in den Vereinigten Staaten von Amerika die Like-Anzahl versteckt werden.
Das verkündete der Geschäftsführer von Instagram, Adam Mosseri, auf der WIRED25 Conference in San Francisco am 08. November 2019. Diese Testläufe werden erstmal nur einige amerikanische User betreffen. Instagram baut mit diesem Schritt ihr Ziel aus, den Usern eine positivere Erfahrung auf der Onlineplattform zu ermöglichen. „Vor allem für junge Erwachsene”, sagt Adam Mosseri im Talk mit WIRED. „Wir möchten Druck abbauen, es weniger zu einem Wettkampf machen, den Leuten mehr Raum geben, sich auf die Beziehung zu anderen Leuten zu konzentrieren.“
Erstmals wurde die Idee der versteckten Like-Anzahl bei einer Keynote der jährlichen Facebook-Konferenz „F8“ Ende April 2019 von Instagram präsentiert. Kurz darauf starteten die ersten Testläufe in Kanada. Die Idee dahinter: die Nutzer bekommen nicht mehr die Anzahl an Likes eines Posts im eigenen Feed oder im Profil von anderen angezeigt. Es ist nur noch intern sichtbar, wer einen Beitrag mit „Gefällt mir“ markiert hat. Ausschließlich der Ersteller eines Posts kann die Like-Anzahl seines eigenen Beitrags abrufen.
Statement von Instagram zu den versteckten Likes auf Twitter. Credit: twitter.com
Macht Instagram unzufrieden?
Mit ähnlichen Fragen setzen sich auch Wissenschaftler auseinander. Mit Studien versuchen sie, die positiven und negativen Auswirkungen von Social Media auf die Nutzer zu analysieren. So auch der Medienpsychologe Dr. Tobias Dienlin von der Universität Hohenheim. Er hat zusammen mit zwei britischen Wissenschaftlern der University of Oxford eine Studie zu der langfristigen Wirkung von Social Media auf die Lebenszufriedenheit junger Menschen veröffentlicht.
Gegenüber medienMITTWEIDA erläutert er: „Es lassen sich zwar negative Effekte nachweisen, diese sind aber meist eher klein. Instagram und Social Media werden gerne genutzt und sind Teil unserer Gewohnheit geworden.“ Dr. Dienlin warnt daher vor einem zu hohem Konsum von Social Media. Kontrollverlust und eine übermäßige Nutzung könnten die Nutzer unzufriedener und unruhiger machen. Daher sei es wichtig, einen gesunden und ausgewogenen Umgang mit Social Media zu erlernen.
Tobias Dienlin betont zudem, dass Social Media ebenso positive Effekte auf die Nutzer habe, da es viele Vorteile zur Verfügung stelle. Der Mensch als soziales Tier kann sich mit Hilfe von Social Media eine „ambient awareness“ kreieren. Das bedeutet, der Nutzer erstellt sich mittels verschiedener sozialen Kanäle ein Umgebungsbewusstsein, in dem er alle relevante Informationen über Freunde und Bekannte erfährt. Dies bringt eine positive Wirkung mit sich. Außerdem stellt der Medienpsychologe fest, dass die Nutzung von Social Media häufig Auswirkungen auf die kurzfristige Stimmung der Nutzer habe, aber kaum den Kernbereich der Lebenszufriedenheit der Menschen beeinflussen könne.
Grundsätzlich befürworte Dr. Dienlin die Testläufe der versteckten Likes, da er es gut findet, die Social Media Nutzung so positiv wie möglich zu gestalten und andere Mechanismen auszuprobieren. „Man darf aber gleichzeitig nicht vergessen, dass Instagram als privatwirtschaftliches Unternehmen die Gewinnmaximierung im Sinn hat”, sagt er. Dennoch sei es aber gut, dass Facebook und Instagram erkannt hätten , dass eine langfristige Zufriedenheit der Nutzer auch im eigenen Interesse des Unternehmens sei.
Influencer werden es schwerer haben
Instagram ist nicht mehr nur eine Plattform zum Austausch von Fotos, sondern auch eine kommerzielle Plattform. Ein wichtiger Bestandteil davon sind die professionellen Instagrammer – die Influencer. Diese Berufsgruppe hat ihr Geschäftsmodell darauf aufgebaut, Instagram als Plattform zu benutzen, um Werbung für Produkte zu machen, die sie von Firmen zur Verfügung gestellt bekommen. Die Änderung der versteckten Likes würde es für die Influencer schwerer machen, Kunden von ihrem Profil zu überzeugen. Das meint auch die professionelle Instagrammerin Kathleena Naudascher. Unter ihrem Profil „kathanova_” hat sie über 24.000 Follower, die täglich neuen Content von ihr zu sehen bekommen.
„Viele Firmen werten dein Profil nach der Anzahl von Likes oder Kommentaren aus, im Verhältnis zu deiner Followeranzahl. Wenn das nicht stimmig ist, aus welchem Grund auch immer, werden sich keine Kooperationspartner finden.“
Kathleena betrachtet die versteckten Likes kritisch. Sie konnte bereits an ihrem eigenen Profil den Testlauf von Instagram erfahren. Sie sagt gegenüber medienMITTWEIDA, dass sie zwar weniger Druck gespürt habe, möglichst viele Likes zu bekommen, aber auch das Gefühl gehabt habe, dass ihre Bilder weniger Likes generiert hätten. Sie vermutet, dass die Unternehmen, wenn die Like-Zahl nicht mehr im Fokus steht, für ihre Evaluation des Profils mehr auf die Kommentare achten werden. „Trotzdem gibt es bei jedem Creator oder Business Profil ja die Insights, wo alles ausgewertet wird. Die Unternehmen müssen dann eben verstärkt diese anfordern, was wiederum einen Mehraufwand bedeutet”, sagt Kathleena.
Das Instagramprofil von Kathleena Naudascher Credit: kathanova_/Instagram.com
Die Frage ist, inwieweit Instagram die Testläufe der versteckten Like-Anzahl auf weitere Länder in nächster Zeit ausweiten wird. Mit dem Start der Tests in Amerika kann das Unternehmen nun aus acht Ländern Daten sammeln und auswerten. Ob das Ziel der Geschäftsführer, den Nutzern eine positivere Erfahrung auf der Plattform zu ermöglichen, mit den versteckten Likes erreicht werden kann, bleibt abzuwarten.
Text und Grafik: Anna Rehberg; Bilder: twitter.com, kathanova_/Instagram.com