Couchkritik

Von Schicksal, Helden und düsteren Abgründen

von | 6. Januar 2020

Der dunkle Winter steht ganz im Zeichen der Helden: Drei Serien, die der rauen Kälte trotzen.

Der Winter ist dunkel, kalt, und absolut ungemütlich – also perfekt für einen Nachmittag vor dem Fernseher. Und wer gerade jetzt im Januar auf der Suche nach etwas Auszeit vom Alltag ist, für den bietet der Serien-Winter allerhand Neuerscheinungen, die sich nicht nur mit dem Bösen, sondern auch mit den Tiefen der menschlichen Abgründe auseinandersetzen. Allesamt haben sie eins gemeinsam: Helden, die sich ihrem Schicksal stellen.

 

The Witcher – Staffel 1 – seit dem 20. Dezember auf Netflix

 In einer dunklen, nebelverhangenen Szenerie nähert sich ein ahnungsloses Reh einem See. Verhängnisvolle Stille liegt über dem düsteren Schauspiel. Und dann, wie bei einer Fantasy-Serie nicht anders zu erwarten, bricht ein monströses Geschöpf heraus. In seinen Klauen: der weißhaarige Protagonist Geralt von Riva. Seit Game of Thrones dürfte vermutlich keine Serie seit ihrer Ankündigung so gespannt erwartet worden sein wie Netflixs The Witcher. Die Geschichte des Hexers Geralt basiert auf den erstmals 1994 erschienenen Büchern des polnischen Autors Andrzej Sapkowski, die zunächst in Form von Videospielen ihren Weg auf die Bildschirme fanden. Nun, vier Jahre, nachdem das letzte Videospiel der Reihe erschienen ist, wagt sich Netflix an die Verfilmung des Fantasy-Epos.

Die Animationen in den Videospielen der Reihe setzten die Erwartungen hoch: Die Monster in der Serie können optisch definitiv mithalten. (The Witcher) Foto: Katalin Vermes/Netflix

Das Schicksal und die Wahl des kleineren Übels

Wie so oft bei Fantasy-Streifen, kommt man um den Einfluss des Schicksals auf die Geschichte nicht herum. Es gehört schlichtweg dazu wie das Salz zur Brezel. Auch Geralt von Riva bleibt davon nicht verschont. Während er die schrecklichsten Monster bekämpft, die seine Welt zu bieten hat, lebt der Hexer sein Leben von Tag zu Tag. Nicht jedoch ohne ständig von allerhand Personen an das Schicksal erinnert zu werden, und dass er diesem nicht entkommen kann. Von vielen gefürchtet, von den meisten verachtet, ist er kalt, rau und rational. „Böse ist Böse“, heißt es seinerseits. Der „weiße Wolf“ unterscheidet nicht zwischen kleinem oder großem Übel, erwartet und wünscht sich nichts vom Leben, versucht allein den richtigen Weg zu finden und ist dabei vor allem eins: einsam.

Der Trailer zu The Witcher wurde schon fünf Monate vor Start der Serie veröffentlicht. Quelle: YouTube/KinoCheck

Und genau dort findet sich das Problem in Netflixs Adaption der Serie: Auch wenn Henry Cavill Geralt von Riva optisch einwandfrei darstellt, fehlt dem Schauspieler der gewisse „Biss“. Seine Distanz und Gefühllosigkeit in der Rolle sind so groß, dass sie selbst für das Image des einsamen Helden übertrieben und somit unrealistisch wirken. Die einzig wirkliche Beziehung, die man Cavill dabei abnimmt, ist die zu seinem geliebten Pferd Plötze. Wie das Schicksal so will, kreuzen auch Yennefer von Vengerberg (Anya Chalotra) und Prinzessin Cirillia von Cintra (Freya Allan) den Weg Geralts. Beide, mit eigener tragischer Vergangenheit versehen, sind auf – wer hätte es gedacht – schicksalhafte Weise mit dem Hexer verbunden. 

Dass es zwangsläufig zu dieser Verbindung kommen muss, wird in Form von Rückblenden recht früh verraten. Problematisch dabei ist, dass die Chronologie der Handlungsstränge zunächst so undurchsichtig ist, dass Zuschauer ohne Vorwissen schnell den Faden verlieren. Alteingesessene Fans der Videopiele hingegen dürften unter anderem über die Besetzung der Triss Merigold (Anna Shaffer) mehr als enttäuscht sein. Die feuerrote, glatte Haarpracht der Magierin musste schlichten, braun gelockten Haaren weichen. Die Frage nach dem Wieso ist leicht geklärt, denn in den Büchern wird die Magierin genau so beschrieben.

Schauspieler Henry Cavill mal ganz anders: Nicht als Schönling sondern als rauer Hexer Geralt von Riva. (The Witcher) Bild: Katalin Vermes/Netflix

„Reichet Gold eurem Hexer“

Neben einigen Schwächen ist The Witcher dennoch eine Serie mit großem Binge-Watching Potential. Dafür sorgt unter anderem der Barde Rittersporn (Joey Batey), treuer Begleiter Geralts, der mit seinem Loblied: „Reichet Gold eurem Hexer“ (im englischen Original: „Toss a coin to your witcher“) wohl den größten Ohrwurm des Jahres 2019 geschaffen haben dürfte. Auch die Kampfszenen, die an Videospielsequenzen erinnern, ohne zu viel Blut fließen zu lassen, fügen sich nahtlos in die Handlung ein. Die Handlungsstränge, die pro Folge nicht durch zu viel Inhalt überladen werden, werden zudem durch den insgesamt grandiosen Soundtrack ergänzt.

Liebhaber dürften sich wie in eine epische Videospielwelt versetzt fühlen, aber auch Neulinge im Genre bekommen das echte „Fantasy-Feeling“ zu spüren. Wenn auch nicht ganz klar wird, ob die Serie nun einen ernsten oder doch eher selbstironischen Ton anschlagen möchte, wird man zu jeder Zeit bestens unterhalten. Wer die Serie schaut, sollte jedoch nicht in die Falle tappen, ein so filmisch exzellentes Konzept wie zum Beispiel in den ersten Staffeln von Game of Thrones zu erwarten. Zwangsläufig schlechter ist The Witcher dennoch keineswegs. Denn die Serie glänzt auf ihre eigene Weise: Sie ist dunkel, düster und erfrischend humorvoll. 

Batwoman – Staffel 1 – seit dem 20. Dezember auf Amazon Prime

Drei Jahre ist es her, seit Batman spurlos verschwunden ist und sich Gotham ohne dunklen Ritter dem Kampf gegen das Böse stellen muss. Von Verbrecherbanden überrannt, eilt Jacob Kane (Dougray Scott) mit seiner privaten Sicherheitsfirma dem Gotham Police Department zu Hilfe, dessen Militärmacht nun zum omnipräsenten Teil der Stadt wird. Als nicht nur Kane, sondern auch seine sogenannten „Crows“ (Agenten der Sicherheitsfirma), insbesondere Agent Sophie Moore (Meagan Tandy), ins Visier einer neuen Verbrecherbande geraten, verschlägt es Kanes Tochter Kate (Ruby Rose) zurück in die Stadt. Fünf Jahre lang hat sie trainiert, um ebenfalls eine „Crow“ zu werden, doch mit ihrem Vater und ihrer Ex-Freundin im Visier der wahnsinnigen Alice (Rachel Skarsten) und ihrer Wunderland-Gang kommt alles ganz anders: Kate muss selbst zur Rächerin werden und Batwoman ist geboren.

Gotham bekommt eine neue Heldin. Ruby Rose als DCs Batwoman. Quelle: YouTube/MovieAccessTrailers

Klischees ohne Raum für Eigeninterpretation

Kate Kane ist auf ihrem Motorrad, mit ihren kurzen Haaren, unzähligen Tattoos und dem eher maskulinen Kleidungsstil wohl ein stereotypes Bild einer homosexuellen Frau. Kates Sexualität ist bis auf die Rückblende, in der erklärt wird, dass sie deswegen aus der Militärschule flog, zu keiner Zeit Gesprächsthema. Erfrischend anders, ohne große Coming-Out Story wird dem Zuschauer somit eine moderne Heldin präsentiert. Den Machern der Serie ist es in den ersten zwei Episoden jedoch misslungen, mehr von Kate zu präsentieren, als ihr gebrochenes Herz, an das sie ständig durch die klischeehaften Begegnungen mit ihrer Ex-Freundin Sophie Moore erinnert wird. Kate versucht, dies natürlich ganz tough zu überspielen, was ihr jedoch eher missglückt. Auch das Schauspiel von Ruby Rose kann das schwache Drehbuch in diesen Szenen nicht wirklich retten.

Die Auseinandersetzung mit dem Verlust ihrer Mutter und Schwester bei einem tragischen Autounfall vor 15 Jahren und ihre charakterliche Entwicklung sind zentrale Aspekte der Serie, die dem Zuschauer permanent vor Augen geführt werden.

Auch die Last die Kate nun zu tragen hat, da sie in die Fußstapfen ihres verschwundenen Cousins Bruce Wayne treten muss, wird dem Zuschauer nicht nur bildlich dargestellt, sondern regelrecht aufgezwungen. Denn selbstverständlich schreibt auch Kate, wie ihr männliches Äquivalent Batman, in Notizbücher und notiert ihrem Cousin so, durch ihre innere Stimme verdeutlicht, jegliche Details ihrer Geschichte. Dem Zuschauer selbst bleibt dabei nicht viel Interpretationsraum, um das Geschehene zu verarbeiten. Was geschieht, ist klar und wer es noch nicht verstanden hat, dem wird es eben nochmal erklärt. Gerade das ist es jedoch, was der Serie rund um DCs neue Superheldin am Himmel Gothams solch ein großes Binge-Watching Potential verleiht: ihre Einfachheit.

Gothams neue Fledermaus zeigt sich mit roten Details. (Batwoman) Bild: © DC Comics/Warner Bros. Ent. Inc.

Simpel, aber mit Suchtpotential

Gute Action glänzt nicht zwangsläufig durch komplexe Inhalte, sondern vielmehr durch visuell ansprechende, gut inszenierte und vor allem gut umgesetzte Kampfszenen. Davon gibt es in Batwoman mehr als genug. Ruby Rose als Kate Kane trägt hierzu ihren Teil bei, das Augenmerk liegt hier aber definitiv mehr auf ihrer Gegenspielerin Alice. Ihrer Darstellerin Skarsten gelingt es, den impulsiven Charakter Alices so gekonnt darzustellen, dass man ihren Wahn zu keiner Sekunde anzweifelt. Selbstverständlich verbirgt sich, wie so oft, auch hinter Alice eine tragische Vergangenheit, die sie zu der gemacht hat, die sie ist – mehr sei an dieser Stelle jedoch nicht verraten. Der Zuschauer wird, trotz der Flut an Informationen gerade in den ersten Episoden, dennoch nicht überfordert.

Dem klaren Handlungsstrang kann man gut folgen. Dies wiederum sorgt dafür, dass man wissen möchte, wie es weitergeht: Was genau hat Alice vor? Bekommt Kate doch noch ihr wohlverdientes Happy End und wo genau steckt eigentlich Batman? Die etwa vierzigminütigen Episoden bieten sehr viel an Inhalt, vergehen dann aber doch schneller als gedacht.

Trotz der fragwürdigen roten Perücke, die zwar aus der originalen Comic-Vorlage übernommen wurde, in der Serie jedoch eher wenig nachvollziehbar erklärt wird, glänzt Batwoman durch Humor, ausgereifte Action und süchtig machende Einfachheit. Genau das, was für einen Serien-Nachmittag notwendig ist. Es bleibt dennoch abzuwarten, ob eine zweite Staffel veröffentlicht wird. Die ersten acht Episoden sind derzeit bei Amazon Prime zu sehen, die Episoden neun bis 22 sollen dann im Frühjahr folgen.

Schauspielerin Rachel Skarsten glänzt als wahnsinnige Antagonistin Alice. (Batwoman) Bild: © DC Comics/Warner Bros. Ent. Inc.

V Wars – Staffel 1 – seit dem 5. Dezember auf Netflix

Dass der Klimawandel aktuell die größte Gefahr für die Menschheit ist, dürfte mittlerweile jedem klar sein. Dass mit dem Klimawandel jedoch auch Gefahren erneut ans Tageslicht kommen, mit denen die Menschheit gar nicht erst gerechnet hat, erklärt Dr. Luther Swann (Ian Somerhalder) in den ersten Minuten der neuen Netflix Serie V Wars. Dass er damit Recht behalten soll, wird schnell deutlich: Durch die schmelzenden Pole wird ein uraltes Virus freigesetzt, das bei den Infizierten genetische und für ihr Umfeld tödliche Folgen mit sich bringt. Denn der Virus macht aus normalen Menschen blutsaugende Vampire. Als Swanns bester Freund Michael Fayne (Adrian Holmes) zu Patient Null des Virus’ wird, gerät Swann schnell zwischen die Fronten und muss sich entscheiden: Menschlichkeit oder der Kampf ums pure Überleben.

Luther Swann und Michael Fayne sind seit Jahren beste Freunde. Auch in Quarantäne halten sie zusammen. Bild: Netflix

Der tragische Held und der moralische Konflikt

Während Somerhalder zuletzt selbst den Vampir in der gleichnamigen Serie The Vampire Diaries mimte, ist er nun als pazifistischer Arzt zu sehen, der auf tragische Weise mitten in den Konflikt um das Überleben der Menschheit gezogen wird. Somerhalder wirkt in seiner neuen Rolle ungewohnt verletzlich, aber glaubhaft. Die arrogante Rolle des Damon Salvatore (The Vampire Diaries) weicht der eines liebenden Vaters und Ehemanns, der innerhalb kürzester Zeit mehrere schwere Schicksalsschläge zu verkraften hat. 

Düster und apokalyptisch. V Wars zeigt sich im modernen Gewand. Quelle: YouTube/Netflix

Schon in den ersten zwei Episoden der Serie wird deutlich, dass die Macher keinerlei Zeit mit belanglosen Inhalten verschwenden wollen. Das können sie sich auch nicht leisten, denn die erste Staffel umfasst derzeit lediglich zehn Folgen. Der Zuschauer wird also mitten ins Geschehen geworfen, ohne dabei mit zu vielen Informationen überfordert zu werden. Die Handlungsstränge sind logisch und folgen einem klaren roten Faden. Es kommt in den ersten Episoden zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf und der Zuschauer stellt sich ständig die Frage, was als nächstes passieren wird. Erfrischend ist auch das Verhalten der Regierung, denn hier wird schon recht früh klar, dass es sich um eine Epidemie handelt. In den meisten Serien und Filmen rund um menschheitsbedrohende Epidemien versucht die Regierung zunächst, diese zu vertuschen.

Ian Sommerhalder als pazifistischer Dr. Luther Swann, der zwischen die Fronten gerät. (V Wars) Bild: Peter H Stranks/Netflix

Blutig doch billig

Das V Wars deutlich düsterer und erwachsener ist als die meisten Vampirgeschichten, bei denen eher die Romantik im Vordergrund steht, wird schnell klar. Die Serie ist im wahrsten Sinne des Wortes blutrünstig. In keiner Folge fließen nicht mindestens drei Liter Blut. Schade hierbei ist jedoch, dass die Spezialeffekte der Serie hingegen eher billig wirken, beispielsweise durch die riesigen Gebisse und Zähne der Vampire und die an Gummi erinnernden Wunden der Opfer. Dadurch kommt kein wirklicher Horror in V Wars auf, zunächst vielmehr eine Art Ekel. Und, nachdem man zum gefühlt x-ten Mal dieselbe Wunde gesehen hat, eine seltsame Art Routine, mit den von Opfer zu Opfer nahezu identischen Wunden.

Wirklicher Horror wird dem Zuschauer jedoch in Form der Geschichte von Michael Fayne geboten. Dieser wird genau wie und gerade dank Swann, Opfer der Umstände und durch den Virus infiziert, gerät er nicht nur ins Visier der Polizei, sondern scheint auch allmählich seinen Verstand zu verlieren. Denn an die Morde, die er als Vampir begeht, kann er sich nicht erinnern. Darsteller Adrian Holmes drückt dabei die Verzweiflung eines Mannes, der ab einem gewissen Punkt schlichtweg nichts mehr zu verlieren hat und versucht, irgendwie mit seiner neuen Lebenssituation klar zu kommen, so gekonnt aus, dass sich Michael Fayne schnell zum Lieblingscharakter vieler Zuschauer entwickeln dürfte.

Adrian Holmes als Vampir Michael Fayne (V Wars) mit riesigen Fangzähnen. Bild: Netflix

Klar ist: Die ersten Folgen V Wars machen zwar keinen Hunger auf Blut, aber definitiv Hunger auf mehr. Den Zuschauer bewegen nicht nur die Schicksale der beiden ehemals besten Freunde Swann und Fayne sondern auch die Frage nach der Rolle der Journalistin Kaylee Vo (Jacky Lai) im Geschehen, denn auch sie scheint noch wichtig zu werden, im Kampf um die Menschheit.

Blutig, düster und doch menschlich: V Wars von Netflix geht einen neuen Weg in der Welt der Vampirgeschichten, scheitert jedoch an einigen Stellen an der Umsetzung.

Text: Ariana Bešić, Titelbild, Bilder The Witcher: Katalin Vermes/Netflix | Bilder Batwoman: © DC Comics/Warner Bros. Ent. Inc. | Bilder V Wars: Peter H. Stranks/Netflix

<h3>Ariana Bešić</h3>

Ariana Bešić

ist 21 Jahre alt, gebürtige Mannheimerin mit bosnischen Wurzeln und studiert derzeit im fünften Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. 2019 war sie Ressortleitung für den Bereich Campus, seit 2020 für das Ressort Gesellschaft. Zu ihren persönlichen Interessen zählen unter anderem die Leidenschaft für Bücher, Rock'n'Roll und die internationale Popkultur.