Tausende Deutsche sind weltweit während ihres Auslandsaufenthalts von Maßnahmen betroffen, die das Coronavirus eindämmen sollen. Von Ausgangssperren über Quarantäne bis zur verfrühten Abreise – medienMITTWEIDA hat vier Geschichten festgehalten.
Sophie, 23, Myanmar
Sophie wusste lange nicht, ob sie trotz Corona nach Myanmar reisen soll. Foto: privat
Ich habe eine Freundin in Myanmar besucht, die dort ein Auslandssemester gemacht hat. Wir beide studieren Kulturwirtschaft in Passau und ich wollte sie unbedingt in Asien besuchen. Dafür war ich neben meines Studiums arbeiten und habe lange Geld gespart.
Als die Reise am 13. März losging, wurde die Lage in Deutschland langsam kritisch und ich war hin- und hergerissen, ob ich in den Flieger steige. Als meine Freundin meinte: „ Komm her, hier ist alles in Ordnung”, habe ich den Schritt gewagt. Zwei Tage später hätte mich das Gesundheitsministerium nicht mehr in das Land gelassen und sofort in Quarantäne gesteckt. Ich war froh, dass ich Glück im Unglück hatte und wollte trotzdem meinen Urlaub genießen. Zu diesem Zeitpunkt waren auch noch keine Covid-19 Fälle in Myanmar bekannt.
Video: privat
Ich hatte dort wirklich eine tolle Zeit, als aber immer mehr Flugverbindungen gestrichen wurden und das Auswärtige Amt mir E-Mails mit Reisewarnungen schickte, machte ich mir Gedanken, wie ich zurück nach Deutschland komme. Die Deutsche Botschaft empfahl, das Land so schnell wie möglich zu verlassen, weil sie davon ausging, dass im Falle eines Ausbruchs des Virus das Gesundheitssystem in Myanmar zusammenbrechen würde. Daraufhin entschied auch meine Freundin, ihr Auslandssemester abzubrechen.
Sophie beim Besuch ihrer Freundin in Myanmar. Foto: privat
Die Airline Etihad Airways hatte meinen geplanten Rückflug bereits gestrichen und wir suchten verzweifelt nach neuen Flugverbindungen. Fast alle Flüge gingen über Bangkok. Dort durfte man aber nur mit einem Gesundheitszertifikat weiterreisen, das sicherstellt, dass man kein Covid-19 hat. Dieses Zertifikat gab es in Myanmar nicht. Verzweifelt suchten wir nach Alternativen. Singapur machte die Grenzen dicht, Flüge über die arabischen Emirate waren ausgebucht und Direktflüge wurden nicht angeboten. Wir hatten Angst, dass wir für ungewisse Zeit in Myanmar feststecken könnten. Dann erfuhren wir über eine Facebook-Gruppe, dass Qatar-Airways noch zwei Flüge organisiert. Das war unsere letzte Hoffnung, sicher nach Deutschland zurückzukommen.
Video: privat
Am nächsten Morgen gingen wir direkt ins Büro der Airline, um die Flüge zu buchen. Es war wie im Film, Menschenmassen stritten sich um die letzten Flugplätze, die Nerven lagen blank. Als uns eine Beraterin sagte, dass es noch Flugplätze gibt, waren wir erleichtert.
„Das wären 2200 Euro.”
„Für beide Tickets?”
„Nein, pro Person.”
Silvia und ich schauten uns an. „Oh mein Gott, was machen wir jetzt? Bleiben wir für unbestimmte Zeit in Myanmar, mit dem Risiko, dass hier das Chaos ausbricht oder buchen wir einen Flug, für den wir die nächsten Monate arbeiten gehen müssen, um unseren Eltern das Geld zurückzuzahlen?” Wir entschieden uns für den Flug.
Video: privat
Mittlerweile bin ich wieder sicher in Deutschland angekommen. Ich bin froh, dass wir noch einen Flug bekommen haben. Mir ist bewusst, dass Fluggesellschaften mit extremen wirtschaftlichen Einbußen zu kämpfen haben, aber ich habe das Gefühl, dass unsere Notlage ausgenutzt wurde. Mit dem Leid der Touristen wurde Geld verdient. Zusammen mit meinem Flug von Etihad-Airways habe ich knapp 3000 Euro eingebüßt. Wie es aussieht, werde ich das Geld nicht zurückbekommen.
Das Gespräch mit Sophie haben wir am 1. April geführt.
Simeon, 20, Peru
Simeon hofft, bald nach Deutschland zurückkehren zu können. Foto: privat
Ich warte jetzt schon seit mehr als drei Wochen darauf, endlich nach Deutschland zurückreisen zu dürfen. Ich wollte mit einigen Freunden mein altes Freiwilligenprojekt in Peru besuchen und befinde mich jetzt seit einiger Zeit im Bergurwald von Huancabamba in Quarantäne. Von Corona erfahren habe ich, als wir von einer Urwaldtour zurückkamen und uns gesagt wurde: „Ihr habt noch 24 Stunden Zeit, um das Land zu verlassen.“ Für eine Rückkehr nach Deutschland war die Zeit zu knapp, deshalb entschieden wir uns, wie geplant unser Projekt zu besuchen. Da der Flug leider gestrichen wurde, mussten wir eine zehnstündige Taxi-Tortur hinnehmen, um zu unserem sehr ländlich gelegenen Projekt zu gelangen. In dieser Nacht trat hier auch das Transportverbotsgesetz in Kraft, weshalb wir gegen 00:30 Uhr von der Polizei auf der Straße umzingelt und befragt wurden, was wir dort so spät noch zu suchen hätten. Wir wurden währenddessen gefilmt, und dachten uns dabei anfangs nichts Besonderes. Am nächsten Morgen waren wir dann etwas entrüstet, als wir unsere Gesichter in den lokalen Nachrichten wieder sahen und von Ausländern gesprochen wurde, die noch illegal unterwegs seien. Nichtsdestotrotz haben wir Huancambamba erreicht und wurden dort postwendend in eine verschärfte 14- tägige Isolation gesteckt, da wir uns auf der bisherigen Reise ja angesteckt haben könnten. Das Essen wurde vor die Tür gestellt und Unterhaltungen auf das Nötigste beschränkt. Diese permanente Enge war auf Dauer ziemlich anstrengend. Mittlerweile durften wir die Isolation verlassen und befinden uns „nur“ noch in normaler Quarantäne. Einzeln darf das Gelände also wieder für Einkäufe und medizinische Versorgung verlassen werden. Es gibt in Peru seit einigen Tagen die Regelung: Männer dürfen nur Montags, Mittwochs und Freitags auf die Straße, Frauen nur Dienstags, Donnerstags und Samstags.
Eine allzu schnelle Rückkehr nach Deutschland kann wohl ausgeschlossen werden. Die deutsche Botschaft ist zwar sehr bemüht, allerdings besteht das Hauptproblem darin, von unserem Dorf zum Flughafen nach Lima zu gelangen. Aufgrund fast täglich neuer Verschärfungen sind die Taxifahrer verunsichert und wollen kein Risiko eingehen, weshalb wir hier wohl noch eine Weile festhängen werden.
Das Gespräch mit Simeon haben wir am 03. April geführt.
Luisa, 18, Kanada
Luisa hat sich ihren großen Wunsch erfüllt und flog nach dem Abitur nach Kanada. Foto: privat
Vergangenes Jahr im September habe ich mir meinen großen Traum erfüllt und bin als Au-Pair nach Kanada geflogen. Bis Januar war ich bei meiner Gastfamilie, dann wollte ich mein Glück in Vancouver versuchen. Durch eine sehr gute Freundin, die ich auf dem Hinflug kennengelernt habe, kam ich zu einem Job in der Old Spaghetti Factory. Das Restaurant war zu dieser Zeit sehr beliebt und gut besucht. Da mein Visum für ein Jahr gültig ist, wollte ich bis mindestens Juni oder Juli bleiben. Aber durch Corona ist dann doch alles anders gekommen. Allerdings war die Situation in Kanada lange ziemlich entspannt und keiner hat das Virus so richtig ernst genommen. Erst Mitte März wurde das auch hier präsent. Unser sonst so gut besuchtes Restaurant wurde schlagartig leer. Die Hygienevorschriften wurden verschärft und viele von uns mussten frühzeitig gehen, da es keine Arbeit mehr gab. Am 17. März wurde dann entschieden, das Restaurant bis auf Weiteres zu schließen.
Ab da habe ich die Zeit mit meinen Mitbewohnern verbracht. Wir haben zusammen gefrühstückt, gemalt, gekocht oder gebastelt. Langweilig wurde uns dadurch nie. Wir haben auch noch viel draußen im Park unternommen und da habe ich bemerkt, dass noch etliche andere Leute unterwegs waren. Von Kontrollen habe ich zu dem Zeitpunkt gar nichts weiter mitbekommen. Das hat mich etwas irritiert, denn in Deutschland war man da ja bereits viel weiter. Meine Familie wollte mich ab dem 10. April besuchen kommen, sie hatten natürlich schon alles gebucht und mussten jetzt alles wieder stornieren.
Luisa und ihre Freundin am Vancouver International Airport, kurz vor ihrem Rückflug nach Deutschland. Foto: privat
Einige Freunde haben Kanada kurzfristig verlassen und auch ich habe mir zunehmend Gedanken gemacht. Einerseits wollte ich meinen Traum nicht aufgeben, andererseits hatte ich keinen Job mehr und auch kein Geld, um die Miete oder Einkäufe zu bezahlen. Ich habe mir schon gedacht, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Corona auch in Kanada endgültig ankommt. Zumal die Lage in den USA schon deutlich drastischer war. Also bin auch ich am 26. März zurück nach Deutschland geflogen. Meine Rückreise lief glücklicherweise problemlos ab. An den Flughäfen war es sehr ruhig. Im Flugzeug wiederum saß man dicht an dicht. Hier in Deutschland schaue ich regelmäßig Nachrichten, da habe ich deutlich mehr Angst als in Kanada. Denn dort kam für mich lange Zeit nicht das Gefühl auf, dass es so ernst wird. Ich hoffe, dass sich die Lage schnell bessert, denn ich möchte unbedingt wieder zurück nach Kanada.
Das Gespräch mit Luisa haben wir am 1. April geführt.
Alisa, 21, Peru
Alisa, 21, reist seit ihrem Abitur 2017 mit Unterbrechungen durch die Welt. Foto: privat
Seit meinem Abitur reise ich mit kurzen Unterbrechungen durch die Welt, gerade bin ich in Südamerika und meine Mutter hat mich hier besucht. Momentan sind wir in Arequipa, das ist die zweitgrößte Stadt von Peru. Hier befinden wir uns jetzt in Tag acht unserer Quarantäne. Wir waren am Titicacasee, als in Peru der Notstand ausgerufen wurde. Wir sind dort gerade auf unserer schwimmenden Schilfinsel angekommen, als uns ein Einheimischer erzählte, dass an diesem Tag um drei Uhr der letzte Bus nach Arequipa fährt. Wir mussten mit einem Boot zurück und haben gerade so den letzten Bus geschafft. Hätten wir den Bus nicht bekommen, wären wir in Quarantäne weit ab vom Schuss gewesen wodurch die Situation für uns wesentlich unangenehmer geworden wäre.
Soweit geht es uns aber gut, wir versuchen das Beste draus zu machen. Wir sind jetzt in Arequipa in einem Hostel in Quarantäne. Wir dürfen nur zum Markt raus, alle müssen Mundschutz tragen und wir dürfen uns auf der Straße mit niemandem unterhalten. Die Polizei und das Militär überwachen das hier sehr streng. Zu einem täglichen Ritual hat es sich entwickelt, dass wir morgens von unserer Dachterrasse die Müllabfuhr beobachten, denn das Müllabholen läuft hier ganz anders ab als in Deutschland. Es gibt hier keine Mülltonnen, die auf der Straße stehen und eingesammelt werden, sondern die Müllabfuhr fährt morgens mit lauter Musik durch die Straßen und wenn die Bewohner die Melodie hören, dann gehen sie runter und geben ihren Müll dort ab.
Video: privat
Am 1. April wollte meine Mama wieder zurückfliegen. Die Fluggesellschaft kümmert sich leider überhaupt gar nicht und kommuniziert nicht mit uns. Unser Anbieter ist AirFrance , laut deren Website ist der Flug vom 01. April immer noch pünktlich, obwohl gar keine Flieger mehr abheben dürfen. Ich habe den Eindruck, dass sie damit erreichen wollen, dass man den Flug selbst storniert, damit sie aus der Verantwortung sind und nichts zurückzahlen müssen. Mit dem Auswärtigen Amt läuft die Kommunikation aber super, meine Mama wird bald mit einem Rückholflug nach Deutschland gebracht.
Foto: Instagram-Account Auswärtiges Amt
Ich wollte meine Reise nach Kolumbien gerne fortsetzen, aber wie es jetzt weitergeht, kann ich überhaupt nicht einschätzen. Ich vermute, dass ich hier noch lange in Quarantäne festhänge.
Das Gespräch mit Alisa haben wir am 26. März geführt.
Text: Stefan Sander, Niklas Niendorf, Kim Lu Kutschbach, Moritz Schloms, Titelbild: Simeon Maisenbacher. Bilder und Videos: Privat und Auswärtiges Amt