Eine ganz besondere Nähe zu dem Creator, Bezahlschranken und Bilder, die Instagram sofort sperren würde. OnlyFans hat im Jahr 2020 einen enormen Aufschwung erlebt und kann sich mit 500.000 neuen Nutzern pro Tag neben den Medien-Giganten Instagram, Facebook und TikTok definitiv sehen lassen. Doch ist diese Plattform am Ende bloß eine Instagram-Kopie, nur nackter?
OnlyFans scheint der aufgehende Stern unter den sozialen Netzwerken zu sein. Allein im Jahr 2020 hat die Plattform rund zwei Milliarden US-Dollar Umsatz erwirtschaftet, das ist ein Zehntel des Umsatzes, welchen Instagram im Jahr 2019 generiert hat. Damit hat es OnlyFans geschafft, sich einen Namen zwischen Instagram, Facebook und TikTok zu machen. Erst Anfang Dezember letzten Jahres hat Tim Stokely, der Chef von OnlyFans, aktuelle Zahlen zur Plattform im Interview mit dem Wirtschaftsdienst Bloomberg bekannt gegeben. Während es im März noch 24 Millionen waren, verzeichne das Online-Abo-Portal nun 85 Millionen Nutzer und Nutzerinnen, berichtet der Spiegel. Die Seite erlebt also derzeit ein enormes Wachstum, nicht zuletzt weil jeden Tag rund 500.000 neue Nutzer hinzukommen, darunter auch prominente Gesichter wie Rapper Tyga oder Chris Brown.
Werde Creator oder Fan
OnlyFans ist ein Online-Abo-Portal, das Content-Produzenten die Chance gibt, ihre Inhalte zu monetarisieren und Fans eine besondere Nähe zum Creator bieten soll. Die Plattform wurde 2016 von Tim Stokely gegründet, wird aus London betrieben und inzwischen findet man dort Größen wie Rapperin Cardi B. Grundsätzlich kann man auf OnlyFans, wie bei Twitter oder Instagram auch, Beiträge öffentlich oder privat posten sowie anderen Personen folgen und deren Beiträge sehen. Der Unterschied zu anderen sozialen Plattformen ist die Möglichkeit, dass man auf dem Profil eine Bezahlschranke erstellen und mit einem monatlichen Preis versehen kann. Diesen müssen die Fans schließlich zahlen, um Inhalte sehen zu können. Die Option, Inhalte kostenlos zu veröffentlichen, besteht jedoch auch. Ein Konto erstellen kann man erst ab 18 Jahren, da der Großteil der Inhalte explizit ist. Alles, was es dazu braucht, ist eine E-Mail, ein Passwort und eine Zahlungsmethode, durch die auch die Verifikation des Alters stattfindet.
Damit man wirklich Creator werden und Geld für den eigenen Content verlangen kann, braucht es vervollständigte Profileinstellungen, wie ein Titel- und Profilbild. Danach bedarf es weiterer persönlicher Daten, wie unter anderem einem Foto vom Personalausweis. So kann OnlyFans überprüfen, ob es sich um eine echte Person handelt und den Account verifizieren. Die Überprüfung der Daten kann ein paar Tage dauern. Danach ist es möglich, ein Bankkonto zu hinterlegen und einen monatlichen Preis festzulegen. Das Minimum ist dabei 4,99 US-Dollar und der Maximalpreis liegt bei 49,99 US-Dollar. Als Content-Produzent bekommt man dann 80 Prozent der Einnahmen ausgezahlt, 20 Prozent gehen an die Betreiberfirma von OnlyFans, Fenix International Limited. Damit zahle OnlyFans im Monat circa 200 Millionen Dollar an ihre Creator aus, so Gründer Tim Stokely.
Das Erfolgsrezept
OnlyFans ist längst nicht die einzige Plattform mit einer Abo-Funktion. Es gibt einige Konkurrenten, wie beispielsweise die Fanabo-Plattform Patreon. Was also hebt OnlyFans von den anderen Abo-Plattformen ab? Tim Stokely hat gegenüber Bloomberg dafür eine einfache Erklärung: „Die Fans sehnen sich nach einem Level an Interaktion und Intimität mit dem Content-Produzent, welche sie normalerweise nicht über Instagram oder Twitter bekommen, wo Prominente meist nur die perfekte Seite von sich zeigen.“ Das Erfolgsrezept sei also die besondere Nähe zu den Idolen. Analog zum Namen der Website, sollen sich die Nutzer wie die „einzigen Fans“ des Creators fühlen und exklusive Inhalte genießen können. „OnlyFans revolutioniert die Beziehung zwischen Creator und Fans“, behauptet Stokely.
Die Redaktion von medienMITTWEIDA hat mit einer ehemaligen Creatorin von OnlyFans gesprochen. Anne* meldete sich Ende September 2020 auf der Plattform an und produzierte freizügige Bilder, sogenannte „soft nudes“ (Bilder in Unterwäsche). Das wären zum Beispiel Inhalte, die auf Facebook, Tiktok und Instagram aufgrund ihrer strengeren Richtlinien gesperrt werden würden. „Ich habe Spaß daran, Bilder von meinem Körper auf ästhetische Art zu machen und wenn ich damit noch etwas Geld verdienen kann, ist das ein doppeltes Plus“, erzählt sie gegenüber medienMITTWEIDA.
Mehr Selbstbestimmung denn je
OnlyFans wirbt nicht nur mit der besonderen Nähe zu den Idolen, sondern auch mit voller Kontrolle über die eigenen Inhalte. Gerade das wissen viele Creator wie Anne zu schätzen: „Egal ob Art, Regelmäßigkeit oder der Preis des Contents – Man kann machen, zeigen und nicht-zeigen, was auch immer man möchte.“ Neben Bildern und Videos nehmen viele auch direkte Anfragen für personalisierte Inhalte entgegen. Gegen eine Art Trinkgeld können diese über Privatnachrichten angefragt werden. „Die Kunden konnten ihre Wünsche äußern und wenn ich damit einverstanden war, habe ich extra für sie diese Bilder gemacht. Dort habe ich alles gezeigt bis auf meinen Intimbereich“, erläutert Anne gegenüber medienMITTWEIDA.
Creator auf OnlyFans haben nicht nur eine Menge Optionen und Kontrolle über ihre Inhalte, auch Privatsphäre werde laut Influencer Marketing Hub groß geschrieben. Die Plattform stelle sicher, dass nichts außerhalb geteilt werden kann. Versucht ein Nutzer einen Screenshot zu machen, sollen alle Inhalte automatisch zensiert werden. Wird er dabei erwischt, drohe sogar eine Verbannung von der Plattform.
Das schnelle Geld nebenbei?
So verlockend und einfach es auch klingt, als Creator auf OnlyFans Geld zu verdienen – Man sollte bedenken, dass das Aufbauen einer loyalen (und zahlenden) Community viel Arbeit bedeutet. Das Gleiche gilt auch für andere Plattformen. Um wirklich Erfolg zu erzielen und damit auch mehr Geld, muss viel Zeit in die Content Produktion gesteckt werden. Auch Creatorin Anne habe eine Menge Zeit in die Produktion der Inhalte investiert: „Oftmals habe ich mehrere Bilder am Stück produziert, damit regelmäßig Content hochgeladen werden konnte. Im Durchschnitt zwei Stunden für das reine Fotografieren plus eine Stunde für das Aussuchen und für die Bearbeitung der Bilder.“ Neben ihrem Studium habe sich OnlyFans finanziell für sie auf jeden Fall gelohnt. Doch nach kurzer Zeit kam der Druck. Anne erzählt, dass ihr dieser nach und nach zu groß wurde. „Zum einen dachte ich, dass ich immer krassere Bilder hochladen und immer mehr zeigen muss, damit es sich für meine Abonnenten lohnt. Ich dachte mein Content wäre das Geld nicht wert, wobei der Preis im Nachhinein betrachtet viel zu niedrig angesetzt war. Zudem habe ich mich immer mit anderen Creatorn verglichen und habe mich mit der Top-Statistik unter Druck gesetzt.“
Gerade jetzt in der Corona-Pandemie stiegen die Anmeldungen auf der Plattform enorm, im April allein um fast 75 Prozent, so Zeit. Tausende Amateure sahen in freizügigen Aktivitäten auf OnlyFans die Chance, ihre Miete bezahlen zu können, da viele ihrem Job nicht weiter nachgehen konnten und zu Hause festsaßen, heißt es in der Y-Kollektiv Reportage zu der Plattform. Wer aber richtig verdienen will, müsse sich ins Zeug legen: „Man muss konstant für den Account Werbung machen, sonst verliert man Abonnenten, macht weniger Umsatz und sinkt in der Statistik. Aus dieser Misere wäre ich nicht mehr rausgekommen.“, erzählt Studentin Anne. Sie beendete ihre Tätigkeit auf OnlyFans schließlich im November 2020.
„Wir heißen auf OnlyFans jeden Creator willkommen“
Ein großer Teil der Plattform wird zweifelsfrei von anzüglichen Inhalten eingenommen. Doch das Potenzial der Plattform wurde auch von Prominenten entdeckt. So zum Beispiel von Schauspielerin Bella Thorne, die das Bezahlmodell nutzt, um exklusives und freizügiges Material für ihre Fans zu produzieren. Bloomberg berichtet, dass sie innerhalb von 24 Stunden eine Millionen Dollar generiert habe. Und auch Rapperin Cardi B zog eine Menge Aufmerksamkeit auf die Plattform, indem sie dort Hinter-den-Kulissen-Aufnahmen von ihrem Videodreh zum Song „WAP“ veröffentlichte. Entgegen der Gerüchte und Mutmaßungen betone Cardi B jedoch, dass sie weder Intimbereich, Brüste noch Hintern zeigen würde. Ihre Fans sollen viel eher private Einblicke in Cardi B’s Leben bekommen und eine stärkere Bindung zu ihr aufbauen können. Neben den vielen Berichten über freizügige Inhalte gehen Content-Produzenten anderer Genre unter, doch die gäbe es laut Stokely zur Genüge. Der Gründer von OnlyFans betone gegenüber Bloomberg: „Ich kann nur wiederholen, dass wir seit Launch der Plattform jeden Creator willkommen heißen. Die Creator Community ist so divers und es gibt so viele Content-Produzenten aller möglichen Genre, ob es Gaming, Fitness. Fashion oder Beauty ist.“ Hin und wieder stößt man tatsächlich auf nicht-explizite Profile z.B. aus dem Fitness- oder Cosplaybereich (ein japanischer Verkleidungstrend). Ein solcher Account ist der von Creatorin akakioga. Sie ist professionelle Cosplayerin und gibt exklusive Einblicke in die Entstehung ihrer Werke.
Als Nächstes plane Stokely einen eigenen Streaming-Kanal, etwa für kleine Serien oder Interviews mit den bekannten Gesichtern von OnlyFans. Ob die Plattform, die zum großen Teil für ihre Nacktheit bekannt ist, zukünftig bei noch mehr Creatorn abseits von Porno- und Sexbranche ankommt, bleibt abzuwarten.
*Name wurde von der Redaktion geändert
Kommentar des Autors
So geht Selbstbestimmung!
Kann man Feminismus und „sich online für Geld ausziehen” eigentlich miteinander vereinbaren? Seit OnlyFans einen enormen Aufschwung im Netz erlebt, kommt es immer wieder zur Diskussion, ob dadurch die Objektifizierung der Frau noch weiter gefördert werden würde. Dass man den Körper mancher Frauen für Geld kaufen kann, beeinflusst das Bild der Frau in der Gesellschaft. Das ist nichts Neues – genauso wenig wie der Fakt, dass Frauen durch einige Männer objektifiziert werden. Es wäre jedoch irrsinnig, wenn man als Frau dafür sorgen muss, dass dies nicht mehr geschieht. Wieso sollte man sich nicht zeigen, wenn man sich in dem eigenen Körper wohl und sexy fühlt? Wieso muss man sich als Frau rechtfertigen und verhüllen, weil einige Männer schwer erziehbar sind? Frauen auf OnlyFans können ganz genau kontrollieren, was sie zeigen und wie viel davon. Sie haben die volle Kontrolle über ihre Inhalte, ihren Körper und die Preise. Neben einer Art „Transaktionsgebühr“ für die Plattform bekommen die Creatorinnen die restlichen Einnahmen ausgezahlt. Sie profitieren auf vielen Ebenen vom Konzept der Online-Abo-Plattform. Damit geht es ihnen weitaus besser als manchen Pornodarstellerinnen am Set. In der Vergangenheit wurden immer wieder Ausbeutungs- und Missbrauchsvorwürfe gegenüber der Pornoindustrie laut. Einige Darstellerinnen werden unterirdisch bezahlt und zu Praktiken gezwungen, die sie vorher als No-Go angegeben hatten. Viele Dinge passieren nicht im Einvernehmen, sondern unter Zwang, was schlussendlich an Prostitution grenzt. Auf OnlyFans bestimmt die Frau jedoch selbst, was geht und was nicht. „Mehr Selbstbestimmung geht kaum“, meint auch Anne im Interview mit medienMITTWEIDA. Es ist eine Revolution für die Sexarbeit und die damit einhergehende Entstigmatisierung dieser. Prostitution und Sexarbeit müssen differenziert werden. Sexarbeit sollte von der Gesellschaft als normal betrachtet und akzeptiert werden, denn es ist eine legale Dienstleistung, die Menschen erbringen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dies machen die Frauen freiwillig und gerne. Kunde und Sexarbeiterin gehen zufrieden aus der Dienstleistung heraus, ohne dass ein Mensch zu Schaden gekommen ist. Ähnlich wie bei anderen, anerkannten Berufen. Solange die Frau kein Problem mit den Arbeits- und Produktionsbedingungen hat, es aus freien Zügen macht, sogar gutes Geld verdient und daran Spaß empfindet – was spricht dagegen, sich auszutoben? Eins ist klar: Es lebt leider keine Frau in einer sexismusfreien Gesellschaft, man arrangiert sich. Zur weiblichen Freiheit gehört eben auch die Möglichkeit, aus sexistischen Verhältnissen persönlichen Gewinn zu ziehen.
