Schlechte Zeiten für alle, die gerne rund um den Globus unterwegs sind. Denn während der Corona-Pandemie sind die Möglichkeiten zum Verreisen und auf eigene Faust die Welt zu entdecken stark eingeschränkt worden. Doch mit dem Frust auf der Couch ist jetzt Schluss! Gönnt euch einen leckeren Drink und was zu Knuspern – es ist wieder Nacho-Time angesagt! Heute fliegen wir einfach mal ohne Flugzeug um die Welt. Ihr glaubt das geht nicht? Und ob! Wir haben drei der schönsten Reisedokumentationen ausgesucht, die euch garantiert das Wohnzimmer vergessen lassen.
NAMIBIA – Das letzte Juwel Afrikas
Pandemie-Blues adé, wir wollen Sommer! Das dachten sich im letzten Jahr auch Leonard Lokai und Dima Makrinic und machten sich gemeinsam mit Fotograf Alexander Heinrichs auf den Weg nach Namibia, um die atemberaubende Schönheit des südafrikanischen Landes in unsere Wohnzimmer zu beamen. Gemeinsam mit Heinrichs und Local Guide Monika Rohda bereisen wir die unterschiedlichsten Ecken Namibias und lassen uns knapp 40 Minuten lang von Land und Leuten verzaubern.
Das für eine Dokumentation eher knackige Format ist trotz weniger und einfacher Charaktere kurzweilig und unterhaltsam. Obendrein bietet es viel Wissenswertes, nicht allein über Namibia und seine Einheimischen, sondern auch über den Beruf des Fotografen, gespickt mit einer Menge Anekdoten und Praxistipps. Obwohl ursprünglich studierter Pharmazeut, erfüllte sich Alexander Heinrichs einen Lebenstraum und investierte in einen Neuanfang als Fotograf. Bereits während seines Studiums war er durch Namibia gereist und hatte eine tiefe Liebe zu dem Land und seinen Menschen entwickelt, die ihn nie wieder loslassen sollte. Und nicht nur das: sie inspirierte ihn zu einem beruflichen Neustart und beflügelte von Anfang an seine Karriere als erfolgreicher Fotograf. In der Dokumentation zeigt Heinrichs uns seine liebsten Foto-Spots des Landes und steckt uns mit seiner Leidenschaft an.
Unterstützt wird dies durch emotionale Bilder und außergewöhnliche Kameraperspektiven, die visuell nichts zu wünschen übrig lassen und professionell mit Lichtverhältnissen, Schärfe und Rauschen spielen. Die großartige Kameraführung und Auswahl abwechslungsreicher und einzigartiger Einstellungen, gepaart mit einer stimmigen Spannungskurve der Dokumentation verdanken wir nicht umsonst zwei Profis: Regisseur Dima Makrinic und Kameramann Leonard Lokai lernten sich während ihres Filmstudiums kennen und haben seither viele erfolgreiche Projekte zusammen umgesetzt. Obgleich die beiden bisher überwiegend Werbefilme gemeinsam produzierten, gelingt ihnen mit „NAMIBIA – Das letzte Juwel Afrikas” eine großartige Umsetzung eines ganz anderen Genres. Egal ob Helikopter oder Geländewagen: die Bilder sind stets äußerst gut stabilisiert und verschaffen uns außergewöhnliche Blickwinkel und spannende Kamerafahrten. Dadurch kommt keine Langeweile auf und am Schluss bleibt man gefesselt von einer gewissen Sehnsucht nach dem Land zurück. Oder wie Guide Monika Rohda es ausdrückt: „Es berührt dich und es lässt dich nicht mehr los, das garantier ich!“.
Leaving the Frame
Einfach mal raus aus dem Alltagstrott und die eigene Sichtweise auf sich und die Welt umkrempeln, darum geht es in „Leaving the Frame“. Wer visuelle Ansprüche zu Gunsten von mehr Roadtrip-Feeling an der Seite charmanter Charaktere lieber etwas vernachlässigen möchte, wird in diesem Film ein unterhaltsames Stück Reisefieber finden. „Leaving the Frame“ ist weniger eine klassische Dokumentation als ein Reisetagebuch, bei dem nicht eine einzelne Destination im Vordergrund steht sondern eher das Reisen an sich, die Begegnungen mit interessanten Persönlichkeiten und ein ikonischer fahrbarer Untersatz. Ja, ihr habt richtig gehört – hier kommen auch leidenschaftliche Bastler und Automobil-Liebhaber ein Stück weit auf ihre Kosten. Um es mit den Worten der Hauptdarstellerin klischeehaft zu überspitzen: „Männer und ihre Spielzeuge“ sind in diesem Roadmovie ein Teil der emotional greifbaren Experience. Das ist jedoch nur der Anfang der Spannungskurve. Auf der Suche nach „echten Helden“ begibt sich die deutsche Schauspielerin Maria Ehrich gemeinsam mit ihrem Freund Manuel Vering auf eine „Weltreise ohne Drehbuch“ – wie sie es selbst nennen.
Erwartungsgemäß läuft also nicht alles nach Plan und man begleitet das junge Pärchen durch die emotionalen Höhen und Tiefen, sowie spontane Herausforderungen ihres Reisealltags. Ein sanfter Touch von Reality Show ist dabei natürlich unumgänglich, hat jedoch seine Berechtigung im Konzept. Die Reise geht erst nach Kenia in Ostafrika und dann auf den nordamerikanischen Kontinent. Von Mexiko aus fahren die beiden in die USA und dort von der Westküste nach Osten durch mehrere Nationalparks. Angekommen in New York folgt die letzte Etappe in Richtung Kanada ans Cape Spear, den östlichsten Punkt Nordamerikas.
In Mexiko legt sich das Paar nach intensiver fachmännischer Beratung und Untersuchung einen historischen VW-Käfer zu. Keine Klimaanlage, wenig Platz, aber das Roadtrip-Feeling ist perfekt! Generell spielen Emotionen eine sehr vordergründige Rolle, da sich der Film mehr auf das Erleben der Protagonisten und Portraits auf Augenhöhe mit den unterwegs kennengelernten „Helden“ und deren Geschichten fokussiert. Drei ganz besonders engagierte und charismatische Menschen haben Maria und Manu unterwegs getroffen und ermöglichen uns gemeinsam mit ihnen in deren Leben einzutauchen. Wir treffen Sister Mary Jane, eine quirlige, lebensfrohe Nonne aus Kenia, den als Einsiedler in der Wildnis lebenden Tierschützer Simon Thomsett und den Maler und Holocaust-Überlebenden Jurek Bitter aus New York. Alle drei haben bewegende Geschichten zu erzählen, wobei Sister Mary Jane eindeutig die charismatischste Persönlichkeit ist. Sie kümmert sich allein um eine Gruppe Waisenkinder aus Kenia und versucht mit bescheidenen finanziellen Mitteln das Beste für diese zu ermöglichen. Das berührt auch Maria und Manu so sehr, dass sie sich entschließen, per Crowdfunding Geld für die Augen-OP eines der Kinder zu sammeln.
Landschaftliche Details und professionelle Kameraführung spielen in „Leaving the Frame“ eine untergeordnete Rolle und auch die Storyline ist mehr dem Zufall überlassen, als wirklich ausgefeilt. An dieser Stelle wäre locker noch ein ganzes Stück Luft nach oben gewesen, ohne dass dabei auf persönliche Details der Protagonisten oder Emotionen hätte verzichtet werden müssen. „Leaving the Frame“ ist durch zu lang stehende und häufig ähnlich wirkende Kameraeinstellungen sowie oft auch das Fehlen einer zweiten Kamera leider recht langweilig fürs Auge und wird dadurch mitunter auch langatmig. Darüber hinaus hätte man mit Licht und Schärfe professioneller Arbeiten können, um spannendere Bilder zu erzeugen. Fazit: Dieser Film ist handwerklich nicht schlecht, aber auch nicht gerade außergewöhnlich gestrickt, jedoch allemal unterhaltsam.
Biking Borders
In Zeiten der Pandemie ist wahre Action leider eher Mangelware, aber nicht mit Max und Nono als unerschrockenen Helden auf dem Sattel ihrer Drahtesel. Da geht‘s endlich mal richtig zur Sache, Adrenalin pur! Seid dabei und fiebert mit auf dem vielleicht längsten Fahrradspendenlauf der Welt, von der deutschen bis in die chinesische Hauptstadt. Die rund 15.300 Kilometer lange Strecke führt nicht gerade durch konventionelle Urlaubsländer und lockt daher mit ungewöhnlichen, aber trotzdem auch zutiefst emotionalen Einblicken in fremde Kulturen. Albanien, Turkmenistan, Kirgistan oder auch der Iran sind nur einige der zahlreichen Länder auf der Route, die von Max und Nono bei jedem Wetter, mit unermüdlicher Kondition durchkreuzt werden.
Hier gelingt das Zusammenspiel von starken Emotionen und professionellen Bildern auf sehr hohem Niveau. Die Dokumentation aus der Perspektive des Fahrradsattels ist außergewöhnlich mitreißend gestaltet. Die beiden Hauptdarsteller wissen als beruflich erfolgreiche Marketing Spezialisten allerdings auch definitiv, wie man sich interessant und unverzichtbar macht. Schließlich ist „Biking Borders“ nicht allein ein einzigartiger Dokumentarfilm über eine unvorstellbar abenteuerliche Radwanderung. Der Film ist Teil von etwas Größerem, das tatsächlich die Welt und das Leben vieler Menschen verändert hat und nicht nur für die beiden sympathischen Protagonisten zu einem unvergesslichen Erlebnis wurde.
In „Biking Borders“ ist wortwörtlich der Weg das Ziel – 15.300 Kilometer müssen erstrampelt werden, von Berlin bis nach Peking, damit in Guatemala eine Grundschule gebaut werden kann. Hört sich völlig verrückt an und ist es auch! Um 50.000 Euro für eine Fundraising Kampagne zu sammeln, lassen die beiden Helden Max und Nono nichts unversucht und hebeln abseits des alltäglichen Horizonts vor allem ihre eigenen körperlichen Grenzen und die der menschlichen Vorstellungskraft aus. Um Kindern in Guatemala in Zusammenarbeit mit der Organisation „Pencils for Promise“ Bildung und ein besseres Leben zu ermöglichen, sind sie bereit, sich maximal zu verausgaben, keine persönlichen Opfer zu scheuen und jedes noch so große Hindernis zu überwinden. Natürlich lebt dieser Film vor allem von einer absolut haarsträubenden Idee, nach dem Motto „Nichts ist unmöglich, wenn du es versuchst!“.
Doch er bietet auch unzählige Schmankerl fürs Auge, die technisch im Rahmen der Umstände der Reise auf höchstem Niveau umgesetzt wurden. Es ist wirklich erstaunlich, dass die Produzenten der Dokumentation neben ihrem abenteuerlichen Ritt über die Kontinente Europa und Asien scheinbar auch noch Zeit und Kraft aufbringen konnten, sich Gedanken über die bestmögliche Umsetzung grundlegender filmästhetischer Gestaltungsmittel zu machen. Die Aufnahmen wirken professionell und durchdacht, die Kameraeinstellungen abwechslungsreich und gelungen. Zusätzlich werden durch schnelle und treffende Schnitte sowie professionelle Grafik und Animationen, verknüpft mit dem zweifelsfreien Talent der Darsteller fürs Entertainment alle filmischen Potenziale vollkommen ausgeschöpft. „Biking Borders“ hat somit einen Hauch von Action-Film und bietet ein exzellentes Reiseerlebnis für den Zuschauer, dem ganz nebenbei auch noch die Augen für unkonventionelle Standpunkte und beispiellose Visionen geöffnet werden.
Text: Clara Stein Fotos: Alexander Heinrichs