Abgucken erlaubt

von | 30. Oktober 2009

Dem Entsorgungsproblem von Kaugummis im öffentlichen Raum hat sich nun die Stadt Erfurt angenommen. Straßen und Fußwege werden gereinigt.

Er ist klein, kann vor Karies schützen, beeinflusst die Denkleistung auf positive Weise und soll in ein paar Jahren sogar vor Krebs schützen. Mehr als die Hälfte aller Deutschen, vor allem im Alter zwischen 16 und 34 Jahren, greift mindestens einmal pro Woche zum Kaugummi. Dabei hat sich der Umsatz seit Anfang der 90er Jahre fast verdoppelt.

Doch oft landet er nach dem Kauerlebnis nicht im Mülleimer, sondern auf der Straße. Bis zu 100 hässliche und klebende Flecken finden sich pro Quadratmeter in Deutschlands Großstädten. Besonders betroffen vom Entsorgungsproblem sind Bushaltestellen und Plätze vor Restaurants und Freizeiteinrichtungen. Die Kaugummireste stellen nicht nur einen Schönheitsmakel dar, ruinieren des Öfteren Schuhe oder kleben an Hundepfoten, sie können auch, nicht nur in Zeiten der Schweinegrippe, zum Verbreiten von Krankheiten beitragen. Da es im Durchschnitt fünf Jahre dauert, bis sich ein handelsüblicher Kaugummi zersetzt, sind die Kommunen gezwungen, andere Maßnahmen zur Säuberung ihrer Innenstädte zu ergreifen.

900 Millionen Sparpotential

Ein Streifen Kaugummi kostet zwischen fünf und acht Cent. Die Entfernung der Reste auf der Straße kann mit Spezialmaschinen bis zu drei Euro kosten und zwei Minuten dauern, hat Marcus Sonntag in seiner preisgekrönten Diplomarbeit „Kaugummi – Kommunikationskonzepte für die Straße“ an der Bergischen Universität Wuppertal im Frühjahr 2009 untersucht. Wie er gegenüber medien-mittweida.de bestätigte, würde nach an anderer Stelle erfolgter Berechnung die vollständige Kaugummientfernung die Kommunen in Deutschland jährlich 900 Millionen Euro kosten. Geld, das den meisten Städten nicht zur Verfügung steht. Marcus Sonntag entwickelte einen Ideenkatalog mit 105 Konzepten zur besseren und effektiveren Kaugummientfernung, welcher einigen Städten gute Ansatzpunkte liefern soll. Nicht selten verhängen deutsche Städte hohe Bußgelder für Kaugummi-Sünder. Doch oft ist die Situation kaum kontrollierbar. Also versuchen es einige Städte mit Projekten, die die Bürger zum Umdenken animieren und so eine grundlegende Verhaltensänderungen bewirken sollen. Denn es kann noch dauern, bis der Clean-Gum, der sich in 24 Stunden zersetzen soll, auf den Markt kommt.

Erfurt startet Projekt

In Thüringens Landeshauptstadt startete deshalb am 2. Oktober die Sauberkeitskampagne „In Erfurt leben, nicht kleben“, ins Leben gerufen von Stadtverwaltung und SWE Stadtwirtschaft GmbH. Wie Ivo Dierbach, Mitglied des Fachausschusses Kommunikation des Verbandes kommunale Entsorgungsunternehmen und Initiator der Aktion, medien.mittweida.de mitteilte, hat Erfurt sich ein Beispiel an Sauberkeitskampagnen anderer Städte wie Mainz oder Wiesbaden genommen.

Bereits vor ein paar Jahren führte man in Thüringens Landeshauptstadt eine „Rote Karte Kampagne“ durch, bei der vor allem mit Bußgeldern gedroht wurde. Die Stadt verhängt auch weiterhin Strafen bis zu 35 Euro für Kaugummi-Sünder, doch Herr Dierbach entschied sich bei der derzeitig laufenden Aktion für eine andere Art der Kommunikation: Allein 93 Radiospots, durch die Stadt laufende „Sauberkeitsengel“ und eine große Plakataktion auf Litfasssäulen, Straßenbahnen und in Geschäften möchten für eine saubere Innenstadt werben. Alltägliche Begriffe sind dabei in ungewöhnlichen Zusammenhängen verwendet und erwecken laut Initiatoren einen realistischeren und damit glaubwürdigeren Eindruck. Auch mit Kreide markierte „Fleckenteppiche“ und die daneben geschriebenen Reinigungskosten sollen den Bürgern das Problem vor Augen führen und ihr Gewissen berühren, so dass sie das unerwünschte Verhalten unterlassen.

Bis zum 17. November finden regelmäßig Aktionen in Erfurt statt. Den Abschluss der Kampagne bildet die Prämierung der Gewinner des extra für die Sauberkeits-Aktion gestarteten YouTube-Wettbewerbs. Besonders Jugendliche sollen sich dabei mit dem Problem beschäftigen und selbstgedrehte Videos einsenden. Außerdem bietet sich so die Möglichkeit, das Thema preisgünstig per Video im Internet zu verbreiten. Die Kosten der Kampagne in Höhe von 20.000 Euro übernehmen die SWE Stadtwirtschaft und die Stadtverwaltung. Die Resonanz der Bürger und der Medien ist bislang durchweg positiv, betont Mitinitiator Dierbach.

Bleibt zu hoffen, dass allmählich ein Umdenken einsetzt und der Kaugummigenuss mit ordentlicher Entsorgung zu lösen ist. Dann bleiben deutschen Großstädten hoffentlich drastische Maßnahmen wie in Singapur erspart, wo seit 1992 ein Verbot für die Herstellung, den Import und den Verkauf von Kaugummi besteht und Zuwiderhandlungen mit hohen Geld- und Haftstrafen belegt sind. Alle haben es damit in der Hand oder besser: Im Mund!

<h3>Franziska Krummel</h3>

Franziska Krummel