Definitiv keiner hat das Fernsehen der letzten beiden Jahrzehnte so sehr geprägt wie er: Stefan Raab. Egal ob mit TV Total, Schlag den Raab, dem Bundesvision Song Contest oder einem seiner vielen weiteren Showformate. Keine Idee war zu verrückt, um sie auf die Mattscheibe zu bringen. Nun ist Schluss – aus und vorbei. medienMITTWEIDA blickt auf eine große Karriere zurück und zeigt euch die fünf besten Momente des Entertainers.
Was ich nun Montag bis Donnerstag, 23.15 Uhr im Fernsehen schaue? Tja, keine Ahnung – das weiß ich noch nicht. Bisher musste ich auch nie darüber nachdenken, denn eines war klar: Eingeschalten wird TV Total. Eine Institution im deutschen Fernsehen – ja, es war sogar die langlebigste Late-Night Show, die es hierzulande gab. Nächste Woche ist nun Schluss. Für den einen oder anderen Promi sicher auch eine Erlösung, denn vor Raab und seinen Witzchen war keiner sicher.
Raab ist ein Alleskönner – teilweise verrückt und bemerkenswert zugleich. Was er anfasste, gelang fast immer. Auch wenn er zum Ende seiner Karriere mit immer weiter sinkenden Quoten zu kämpfen hatte, revolutionierte er die deutsche Fernsehlandschaft und legte den Grundstein für heutige Fernsehstars wie Joko & Klaas oder Jan Böhmermann.
Vom Metzger zum Fernsehstar
Der Metzgersohn begann sein Berufsleben recht unspektakulär: Er lernte in dem Betrieb seiner Eltern und studierte Rechtswissenschaft. Bis er sich 1990 selbstständig machte und Werbejingles produzierte. So ein Werbejingle brachte ihn schließlich zum Musiksender VIVA. Dort begann er seine Karriere vor der Kamera und moderierte fünf Jahre lang verschiedene Sendungen.
Raab und Musik – das passte wie die Faust aufs Auge, damals wie auch heute. Gefühlt beherrscht er jedes Instrument und singen kann er auch noch. Gepaart mit seiner komisch-witzigen Art gelangen Raab als Musiker, Songwriter und Komponist unzählige Hits und Neuentdeckungen. Unvergessen seine musikalische Hommage an Nationaltrainer Berti Vogts, mit der er 1994 die ZDF-Hitparade aufmischte. Instrumente zerstören, Schlagerkünstler verarschen und sich an den Moderator ketten – er machte die Hitparade zeitweilig zu seiner Show. Ausgebuht vom biederen ZDF-Studiopublikum bekam er deutschlandweite Aufmerksamkeit und schon bald kannte jeder den Namen Stefan Raab.
Pro7 ohne Stefan Raab: Kaum vorstellbar
Ende der 90er Jahre gründete Raab schließlich seine eigene Produktionsfirma und wechselte zu Pro7. Ein Jahr vor der Jahrtausendwende startete dann TV Total: Nun stand Raab auf seiner ersten eigenen Showbühne – mit zu großem Sacko und noch deutlich mehr Haaren auf dem Kopf erklärte er seinem Publikum, dass ab jetzt jeder nur seine Sendung sehen müsse, um kein wichtiges und vor allem witziges Ereignis im Fernsehen zu verpassen. Wer hätte zu diesem Zeitpunkt gedacht, dass TV Total in den folgenden Jahren zu solch einem Erfolg wird. In Spitzenzeiten erreichte die Sendung einen Marktanteil von bis zu 60%. TV Total war Gesprächsthema auf den Schulhöfen und Büros in ganz Deutschland. Wer wünschte sich nicht, ein eigenes sogenanntes Nippelboard mit witzigen Sprüchen und Aussagen zu besitzen. Formate wie „Raab in Gefahr“ oder Show-Elemente wie sein „Puller-Alarm“ oder die Raabigramme sind bis heute in Erinnerung. Sein Spaßpreis „Raab der Woche“ kann getrost als Vorgänger des heutigen „Goldenen Umbertos“ von Circus HalliGalli bezeichnet werden.
Mit den Jahren verlor TV Total allerdings leider am revolutionären Charakter. Raab, der die Guerilla-Comedy etablierte, hatte mit der Zeit den ganz großen Spaß an seiner Sendung verloren – so zumindest hatte man als Zuschauer das Gefühl. Das ließ auch die Quoten sinken. Aus der einstigen Revoluzzer-Show war eine Werbeveranstaltung geworden, bei der Promis ihre neuesten Bücher oder CDs vorstellen durften. Nach dem teilweise noch guten StandUp mit TV-Pannen, Versprechern und witzigen Bemerkungen zum Tagesgeschehen schalteten viele ab. Nur selten ließ Raab seine Klasse vergangener Tage aufblitzen.
Eine Idee nach der Anderen
Nichtsdestotrotz ist Raab ein Genie – vielleicht gewann er auch eben nur an Reife, verlor die jugendliche Verrücktheit und wurde zum durchdenkenden Fernsehmacher. Ein neues Showkonzept jagte das Nächste, eins verrückter als das andere und Pro7 ließ ihn sich austoben: Autoball-Weltmeisterschaft, Stockcar Crash Challenge, Turmspringen, Wok-WM, Pokernacht, Quizboxen und, und, und. Die Liste ist beeindruckend lang und der Samstagabend gehörte oft Raab.
Manchmal sogar bis tief in die Nacht hinein, vor allem mit seiner wohl erfolgreichsten Idee: Schlag den Raab. Eine Show, die tatsächlich wie maßgeschneidert auf den Kölner scheint. Dort kann Stefan Raab alles vereinen: Seine umfangreiche Begabung in den Disziplinen Allgemeinwissen, Sport und logischem Denken mit großem Unterhaltungswert sowie seinen Ehrgeiz samt Perfektionismus. Schlag den Raab gewann unter anderem den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis. Verkauft wurde das Format in über 15 Länder.
Vom Quatschkopf zum Polittalker
Raab ist aber auch umstritten. Sein Humor ginge auf Kosten Anderer, wird ihm oft vorgeworfen. So wurden zahlreiche Klagen gegen Raab erhoben. Ossi-Witze oder Äußerungen über Frauen, die Alice Schwarzer auf die Palme bringen würden, gehören auch noch heute zu seinem Programm. Doch so richtig übel kann man es ihm meist nicht lange nehmen.
Die Vielseitigkeit, als auch die Wandlung Raabs in der Öffentlichkeit, zeigte sich zudem in seinen Ausflügen in die Politik. Der frühere ‚Quatschkopf von Pro7‘ war auf einmal einer der Moderatoren des TV-Kanzler-Duells 2013 zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück – neben Polit-Talkern wie Anne Will und Maybrit Illner. Zuvor schon überraschte Stefan Raab mit seiner eigenen Polit-Talkshow „Absolute Mehrheit“, die sich allerdings nicht lange hielt.
Sein Wechselspiel zwischen Genie und Wahnsinn war auch in Sachen Musik zu spüren. Während bei seinen eigenen Songs („Wir kiffen“, „Wadde hadde dudde da“, „Gebt das Hanf frei“,…) meist Blödelei und Comedy im Vordergrund standen, zeigte Raab in seiner Rolle als Entdecker und Produzent seine professionelle, ernste Seite. Der nachhaltige Erfolg von Künstlern wie Max Mutzke oder Stefanie Heinzmann ist auch Raab zu verdanken. Sein Meisterstück allerdings gelang ihm wohl mit Lena Meyer-Landrut und ihrem Gewinn des Eurovision Song Contests. Doch auch abseits dieses Erfolges kann Stefan Raab getrost als „Mr. Eurovision“ betitelt werden – insgesamt sechs Mal war er am Musikwettbewerb beteiligt und landete immer unter den Top Ten. Eine beachtliche Bilanz!
Nun ist also Schluss mit Showgeschäft. Die Jahre seien Raab wie im Rausch vorgekommen. „Dann muss auch mal gut sein“, sagte der 49-jährige beim Deutschen Comedypreis 2015, als er für sein Lebenswerk geehrt wurde. Es ist wohl eine gute Entscheidung von Raab – durchdacht ist sie sowieso, davon lässt sich ausgehen. In den letzten Jahren war die Luft häufig raus, vor allem bei TV Total. Dennoch bedauerlich, denn Raab war der prägendste Fernsehmacher der letzten Jahre. Übrigens: Wer bei Stefan Raabs letzten TV-Minuten dabei sein möchte, sollte sich den 19. Dezember fett im Kalender markieren: Mit der 55. Ausgabe von Schlag den Raab wird der Entertainer sich vom Bildschirm verabschieden. Zuvor läuft am 16. Dezember das letzte Mal TV Total.
Wir sagen „Danke, Stefan Raab!“ und zeigen euch die fünf besten Momente seiner Karriere:
Platz 5: Raab in Gefahr
Egal ob im Kunstflieger, bei rhythmischer Sportgymnastik oder als verkleideter Heino. Raab setzte sich einigen skurrilen oder gefährlichen Situationen aus. Auch als Mc-Drive-Mitarbeiter trieb er manchen Unsinn:
Platz 4: Die Moderation des Kanzlerduells 2013
Laut eigener Aussage sein Karriere-Höhepunkt: „Da könnte ich mich heute noch drüber beömmeln.“ Auch wir finden: Ein Raab-Moment, der im Kopf bleiben wird.
Platz 3: Eröffnungsshow Eurovision Song Contest 2011
Erst holt Raab 2010 mit Lena Meyer-Landrut den Sieg beim Eurovision Song Contest. Und dann bietet er als Moderator im Jahr darauf eine Eröffnungsshow, die unvergessen bleibt.
Platz 2: Stefan Raab crasht die ZDF-Hitparade
Stefan Raab in Höchstform auf dem Silberrang. Zu Beginn seiner Karriere provozierte Raab, wo er nur konnte.
Platz 1: Regina Zindler und ihr Maschendrahtzaun
Wer kennt es nicht? Wer kann den Text nicht immer noch auswendig? Die wohl beste Persiflage, die Raab je gemacht hat. Definitiv Platz 1!
Die herrliche Entstehung des Songs gibt’s hier!
https://www.youtube.com/watch?v=VlA1TrP8No8
Text: Florian Kneffel. Bilder: Stefan Raab (2010) © Daniel Kruczynski unter CC BY-SA 2.0 | Lena Meyer-Landrut © Kjell Jøran Hansen unter CC BY-SA 2.0. Bearbeitung: Constance Tausch.