Egal ob 3D-Animationsfilm oder ein Realfilm mit Spezialeffekten: Alle Produktionen stehen vor einem grundsätzlichen Problem: Große Produktionen bringen einen enormen Verwaltungsaufwand und hohe Produktionskosten mit sich. Abhilfe soll das Forschungsprojekt „PrävEM“ der Hochschule Mittweida schaffen.
Wurden 2012 insgesamt 46 3D-Filme in Deutschland veröffentlicht, so sind es für das laufende Jahr 2013 schon 62 Veröffentlichungen geplant. Dieses Marktpotenzial wollen auch Absolventen der Hochschule Mittweida für sich nutzen: Das Forschungsprojekt „Enterprise Content Management-basierte Produktionspipelines für 3D-Prävisualisierung und Animationsfilm“ – kurz „PrävEM“ – ist eines der wohl innovativsten Projekte der Hochschule. Es wird sogar mit einer Million Euro von dem Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert.
Erster Prototyp bereits im Einsatz
Prävisualisierung ist ein Verfahren – vor allem bei aufwändigen Filmproduktionen – um die Wirkung eines Films schon vor der Produktion zu überprüfen. Die erste Stufe ist meist ein gezeichnetes Storyboard um die Vorstellungen des Autors visuell darstellen zu können, danach wird eine meist relativ simpel animierte Version der Szene erstellt.
Kameraleute, Animatoren, 3D-Modellierer und Grafiker nutzen diese Voransicht als Grundlage für ihren Schaffungsprozess. Entspricht trotzdem die darauf folgende Produktion nicht den Wünschen des Produzenten oder wird von einem Testpublikum nicht angenommen, muss die Szene verändert und erneut gedreht werden. Das liegt vor allem daran, dass der Autor nicht rechtzeitig in den Produktionsprozess eingreifen kann – erst Recht nicht, wenn ihm die dafür nötigen Programme fehlen und der Grafiker zehn Flugstunden entfernt ist.
Um diese Kommunikationsbarriere überwinden zu können, arbeitet „PrävEM“ an einer zentralen Schnittstelle. Forschungsgegenstand ist die Entwicklung des „Enterprise Content Management Systems“, das es beispielsweise dem Autor erlaubt, die Modellierung eines Charakters oder die Animation einer Szene in Echtzeit vom heimischen PC zu verfolgen. Änderungen an einer Animation, einem Charakter oder einer Textzeile könnten direkt nachvollzogen und analysiert werden. Alle Produktionsabteilungen könnten somit problemlos crossmedial ineinandergreifen.
„Der Autor rückt damit ein ganzes Stück näher an das Produktionsteam, die Filmproduktion wird zu einem weltweit vernetzten und interaktiven Prozess“, erläutert Nachwuchsforscher Thomas Schmieder. Verschiedene Standarttechnologien werden in dem Content Management System zusammengefügt. Uns ist es wichtig etablierte Technologien zu integrieren, damit unsere Entwicklungen von Filmemachern auch angenommen werden“, versichert Softwareentwickler Felix Otto, der das System möglichst vertraut gestalten möchte.
Aufträge zurück nach Deutschland holen
Prävisualisierung, aber auch die Produktion von ganzen Animationsszenen, ist ein notwendiges, aber vor allem kostspieliges Verfahren, das heute meist mit großem Personalaufwand vorangetrieben wird. „Aufgrund der Mehrkosten werden 3D-Modellierungen und Animationsarbeiten in den asiatischen Markt verlegt. Wir wollen diese Prozesse so effizient und zukunftssicher gestalten, dass sie wieder in Europa stattfinden können“, begründet Projektleiter Professor Dr. Schubert, Professor für Informatik und Softwaretechnik an der Hochschule Mittweida, die Wichtigkeit des Projektes für die regionale Wirtschaft.
Neben dem primären Ziel des Forschungsprojektes Fachpersonal für die sächsische Wirtschaft zu schulen, könnte das System als Prototyp für eine effektive Arbeitsweise in der Wirtschaft dienen. Ein Teil der Forschungsergebnisse wird zudem in den seit 2011 angebotenen Studiengang „Medieninformatik und interaktives Entertainment“ vermittelt. Besteht tatsächlich ein wirtschaftliches Interesse an den Ergebnissen, könnte sich die Hochschule Mittweida als zentraler Forschungsstandort für die Entwicklung von 3D-Filmen etablieren.
Initiatoren sind Studenten
Unterteilt ist „PrävEM“ in insgesamt sechs Bereiche, die unterschiedliche Forschungsgebiete bedienen. Darunter zählen zum Beispiel auch verhaltenspsychologische Aspekte, die von Professor Dr. Wierzbicki betreut werden. Eine Art Publikumsforschung 2.0, die in Zukunft über das World Wide Web erfolgen könnte. Als technische Basis dienen die Ergebnisse des Forschungsprojekts „GAMECAST“ und seiner Nachfolgeprojekte.
Die studentische Forschungsgruppe hinter „GAMECAST“, die auf den Gebieten der crossmedialen Unterhaltung, der adaptiven Medienwelten und der neuartigen Animationstechniken forscht, besteht bereits seit 2009. „Du Prof., ich habe da mal ’ne Idee“, so oder so ähnlich muss es sich abgespielt haben, als Medienstudent Thomas Schmieder auf der Türschwelle seines heutigen Projektleiters Prof. Dr. Schubert stand. Bis heute ist Schmieder mit fünf ehemaligen Kommilitonen an der Hochschule tätig, um nun mit „PrävEM“ die Ergebnisse der Forschung weiterzuentwickeln. Weiterführende Informationen zu den Forschungsgebieten und den Forschungszielen finden Sie hier.
Text: Jan Böhnstedt. Bild: Steffen Kalfac, yurike11.deviantart.com, Bearbeitung: Jonas Haase.