Ist etwas kaputt, dann wird es repariert. Eine Annahme, die in der Realität nicht immer der Wahrheit entspricht. Besonders bei Smartphones ist eine Reparatur oft sehr schwierig. Warum ist das so?
Technisch gesehen lässt sich diese Frage einfach beantworten, weiß Katja Henschler. Sie ist Referatsleiterin für Energie und Digitales in der Verbraucherzentrale Sachsen. Gegenüber medienMITTWEIDA erklärt sie: „In neuen Smartphones wird das Gehäuse überwiegend nicht verschraubt, sondern verklebt. Ein Öffnen des Gehäuses und der Austausch von Teilen ist dann nicht mehr möglich.“
Laut ihr haben die Hersteller ein hohes Interesse daran, dass der Akku für Kunden nicht austauschbar ist. Dies führe zu höheren Verkaufszahlen. Außerdem sei es von Vorteil, wenn sie nicht den hohen Aufwand betreiben müssten, Ersatzteile für die unterschiedlichen Modelle über einen längeren Zeitraum vorzuhalten. Auch an der Reparatur wollen die Hersteller verdienen. Beim neuen iPhone X kann der Kunde den Akku nicht selbst entfernen – in einem Apple Reparaturzentrum kostet das 75 Euro. Auf der Unternehmenswebsite wird mitgeteilt, dass man sein Smartphone zur Reparatur nur zu einem lizensierten Händler oder in ein Apple Reparaturzentrum bringen soll, denn nur die können Originalteile verbauen. Dieses System treibt die Kosten für Kunden in die Höhe.
Den Akku zu entfernen wird immer schwerer – ein Experte zeigt, wie es geht. Video:YouTube/iDoc Europe
Die Folgen für den Verbraucher und die Umwelt seien allerdings fatal, warnt Katja Henschler: „Ein defektes Gerät kann kaum repariert und muss durch einen Neukauf ersetzt werden.” Das sei unnötig, weil es sich bei dem Akku um ein eigentlich einfach ersetzbares Teil handle. Die Folge davon ist, dass der Elektroschrott wächst. Rechnet man das Gewicht von allen weggeworfenen Smartphones zusammen, dann ergibt sich daraus laut einem UNO-Bericht eine Summe von 435.000 Tonnen pro Jahr. Viele unserer weggeworfenen Smartphones landen auf Müllkippen in Ghana, China oder Indien, wie Spiegel Online berichtet. Dort werden sie unter oft prekären Bedingungen auseinandergenommen. Die gesundheitlichen Folgen für die teilweise minderjährigen Arbeiter und die Umweltschäden sind enorm.
So gibt es, laut dem Spiegel Online–Beitrag, die Elektronikschrottdeponie Agbogbloshie, die sich im gleichnamigen Stadtteil der Millionenmetropole Accra, im westafrikanischen Ghana, befindet. In dem Beitrag wird der Umweltaktivist Mike Anane zitiert, der sagt: „Was einmal eine grüne und fruchtbare Landschaft war, ist heute ein Friedhof voller Plastik und Skelette von ausrangierten Geräten.“ Sogenannte E-Schrott-Jungs würden hunderte Kilo elektrischer Kabel verbrennen. Einzig und allein, um daraus Kupfer zu gewinnen und dieses dann für geringe Beträge zu verkaufen. Der Gründer der Stiftung Help the African Child sagt in dem Beitrag, dass die Arbeitsbedingungen miserabel seien. „Unsere Jungs haben ernste gesundheitliche Probleme. Manche von ihnen waren schon tot, als wir sie fanden, wie der 19-jährige Fuseini und der 16-jährige Ben. Andere haben Krebs.“
Die Gesetze sind zu schwammig
Dass die Hersteller in Deutschland überhaupt so ungehindert die Reparatur von Smartphones erschweren können, liegt an der deutschen Gesetzeslage. Im Elektro- und Elektronikgesetz werden unter anderem Regeln für alle mit Akkumulatoren betriebenen Geräte festgeschrieben. Unter §4 wird festgelegt, dass der Akku in so einem Gerät möglichst vom Kunden oder von herstellerunabhängigem Fachpersonal entnommen werden kann. Keine besonders strikte Regelung, findet Katja Henschler. Sie moniert: „Hier fehlt uns in jedem Falle eine verpflichtende Vorgabe für die Industrie. Nach unserer Erfahrung kommt man mit solchen Soll-Vorgaben ebenso selten zum Ziel wie mit Selbstverpflichtungen.“
Tabea Rößner ist Politikerin und sitzt seit 2009 für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Sie ist Sprecherin für Netzpolitik und Verbraucherschutz und sagt: „Um dem Wegwerftrend entgegenzuwirken, müssen Geräte reparierbar gestaltet werden, so dass Akkus oder Displays ausgetauscht werden können.“
Foto: Kerstin Bänsch, PHOTOdesign
Die Bundestagsfraktion der Grünen drängt deshalb auf eine Änderung der Gesetzeslage. In dem am 10. Dezember beschlossenen Antrag „Elektroschrott reduzieren: Recht auf Reparatur”, der medienMITTWEIDA vorliegt, wollen sie das Recht auf Reparatur stärken. Einfache Reparaturen sollen dann von den Nutzern selbst durchgeführt werden können, wie die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner (Bündnis90/Die Grünen) auf Anfrage von medienMITTWEIDA mitteilt: „In unserem aktuellen Antrag fordern wir, dass §4 Absatz 1 Elektrogesetz (ElektroG) zukünftig vorschreiben soll, dass Kernkomponenten, wie Akkus, für die Nutzerinnen und Nutzer problemlos zu entnehmen und austauschbar sein müssen.” Diese neue Formulierung sei nötig, denn es reiche nicht, einen Akku nur aus einem Gerät herauszuholen. Es solle ja auch mit einem neuen Akku ausgestattet werden und hinterher wieder funktionsfähig sein. Ziel sei es, modulares Design als Grundlage für Reparierbarkeit und Wiederverwendung von Elektro- und Elektronikgeräten im Elektrogesetz zu verankern. Damit wolle man der Wegwerfkultur und der steigenden Ressourcenverschwendung entgegentreten.
Microsoft was going around telling our members that they wouldn’t sell Surface Tablets in Washington any longer if we passed the bill.
Jeff Moris
Abgeordneter der Demokratischen Partei in Washington
Alternativen auf dem Markt
In den USA kämpft das sogenannte Right-to-Repair Movement für die Rechte der Verbraucher und versucht, strengere Regeln für Hersteller durchzusetzen. In vielen Bundesstaaten gab es Versuche, mit schärferen gesetzlichen Regelungen, die Hersteller zu Verhaltensänderungen zu zwingen. Im Bundesstaat Washington scheiterte ein entsprechendes Gesetz. Später berichtete der Abgeordnete Jeff Morris, der Initiator des Gesetzes, in einem Interview mit dem YouTube-Kanal iFixit, dass Microsoft massiv Stimmung gegen das Gesetz gemacht habe. „Microsoft erklärte gegenüber den Kongressabgeordneten, dass sie keine Surface Tablets mehr in Washington verkaufen würden, falls wir das Gesetz verabschieden“
Der Abgeordnete Jeff Morris im Interview beim YouTube-Kanal von iFixit. Video: YouTube/iFixit
Obwohl sich die großen Hersteller gegen neue Gesetze sträuben, gibt es auf dem Markt bereits verbraucherfreundliche Alternativen: Das Fairphone oder das Shiftphone sind Smartphones, die einem die Reparatur leicht machen. So gaben die Analysten von iFixit dem Fairphone als erstem Smartphone überhaupt 10 von 10 Punkten auf Reparaturfähigkeit. Ein einfacher Schraubenzieher reicht, um das Gerät in seine Einzelteile zu zerlegen. Die Batterie und das Display können sogar ohne Werkzeug ausgetauscht werden.
Text: Moritz Schloms, Titelbild: Anton Baranenko, Foto: Kerstin Bänsch, PHOTOdesign