Anarchie im Öffentlich-Rechtlichen

von | 22. Mai 2015

Per Skype, Twittergewitter, Anruf oder Facebook-Post kann sich der Zuschauer oder Hörer live in die LateLine-Show einbringen. Das heißt: Spontanität, Ungewissheit und unberechenbare Reaktionen. Die ARD zeigt sich mutig. Das Buddygespräch mit dem […]

Per Skype, Twittergewitter, Anruf oder Facebook-Post kann sich der Zuschauer oder Hörer live in die LateLine-Show einbringen. Das heißt: Spontanität, Ungewissheit und unberechenbare Reaktionen. Die ARD zeigt sich mutig. Das Buddygespräch mit dem Moderator der LateLine, Ingmar Stadelmann und der Mutti der Sendung, Anne Reißner.

Anne Reißner, Producerin: „Die LateLine ist inhaltlich bestimmt nicht die aller stärkste Sendung (…), soll sie aber auch nicht. Der Anspruch ist, eine Sendung zu schaffen, auf die die Leute Bock haben, bei der die Leute Lust haben mitzumachen und da kann nicht alles perfekt sein.“

Anne Reißner bezeichnet sich selbst als „Mutti des Teams“ und ist einer der Köpfe hinter dem Projekt einer Sendung, die für das Radio ausgelegt wurde, um dann live und in Farbe ins Fernsehen übertragen zu werden. Die Sendung Lateline ist schnell erklärt: Hörer können sich via Anruf live in die Sendung schalten, um dann mit dem Moderator über ein bestimmtes Thema zu plaudern. Je einfacher das Konzept für das Radio klingt, desto schwerer konnte ich mir die Umsetzung für das Fernsehen vorstellen. Vor dieser Aufgabe stand 2012 auch die Producerin Anne Reißner: Eine Sendung, die für das Ohr geschaffen ist, gleichzeitig den bildverwöhnten Fernsehzuschauern attraktiv machen.

Anne Reißner, Producerin: „Die Grundidee war Radio mit Bild. Im Grunde gab es aber kein festes Konzept. Wir haben einen Anfangspunkt und ein Ziel. Die zwei Stunden dazwischen sind so gut wie frei.“

Das klingt erstaunlich experimentierfreudig für die ARD. Und mutig noch dazu. Wer hat heutzutage noch Lust, Menschen beim Reden zuzugucken? Doch genau diese Freiheiten sind wichtig, laut Reißner. „Die ARD gibt uns Spielraum und nimmt uns dadurch die Angst. Wir können ungehemmt ausprobieren.“ Seit Beginn der LateLine auf dem ARD-Sender EinsPlus entwickelt sich die Show weiter. So werden jetzt auch Facebook- und Twitterkommentare eingebunden und eine beliebige WG via Skype in die Sendung geschaltet. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg – das gibt der Sache aber eine erfrischende Authentizität. Denn die Faszination einer Livesendung bleibt bestehen: Spontanität, Ungewissheit und die unberechenbare Reaktion und Aktion zwischen Publikum, Moderator, Gast und Anrufer.
Dabei scheint eins, dem deutschen Fernsehen zu fehlen: Mut. Mut zur Interaktion, Mut zur Pause. Mut, Projekten Zeit zu geben, sich zu entwickeln.
„Der Zuschauer darf nicht unterschätzt werden. Ihm (dem Zuschauer) ist bewusst, dass die Medien nicht mehr das Zauberschloss sind, was sie einmal zu sein schienen. Er muss sich entscheiden: Will er eine Show, oder Authentizität.“

Letztendlich kann ein Konzept so mutig sein, wie es will. Es braucht jemanden, der es an die Zuschauer und Zuhörer bringt. Ein Gesicht, eine Stimme, ein Jan Böhmermann. Das war ein Scherz. Ich rede hier von Ingmar Stadelmann. Seit 2013 moderiert er die Lateline. Stadelmann selbst sieht kaum eine Verbindung zum Vorgänger, außer der Moderation der selben Sendung.

Ingmar Stadelmann, Moderator: „Ohne es zu werten: Böhmermann hat es einfach anders gemacht. Er machte sein Ding und ich mache jetzt mein Ding.“

So ein Selbstvertrauen braucht es auch, wenn man sich zwei Stunden Livesendung mit verhältnismäßig viel Spielraum für abstruse Situationen stellt.

Es gibt noch Menschen, die für Rechenschaft sorgen

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Auf die Frage, wie er sich vorbereite, antwortete er mit Rudi Carells Worten: „Man kann sich nur was aus den Ärmeln zaubern, wenn man was reingesteckt hat“ und ergänzte es mit seinen eigenen „Man kann sich den Ärmel auch so voll machen, das man die Jacke nicht mehr zu kriegt.“ Das Einzige, was man nicht haben dürfe, sei Angst – auch die Angst vorm Scheitern. Als Moderator gäbe es keine Situation, in der man verlieren kann, solange die Souveränität beibehalten wird, so Stadelmann.

Insgesamt war das Interview locker und leicht. Ein „Buddygespräch“ – so wie Stadelmann es auch in der Lateline zu pflegen versucht. Es soll keine psychologische Hilfe werden, sondern ein Austausch und ein Miteinander. Das Hauptaugenmerk soll bei den Zuschauern und Zuhörern liegen. „Ich interessiere mich für das, was die Anrufer sagen, da lasse ich den einen, oder anderen Gag auch mal weg.“ Nach gut einer halben Stunde Gespräch, war ich dann gespannt, was die LateLine so zu bieten haben wird.

So war die LateLine: klicke hier, für unsere Nachberichterstattung. Auf Storify haben wir für euch den Ablauf des Abends aus der Social Web-Sicht zusammengefasst. Das könnt ihr hier nachlesen.

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Text: Clemens Albert.

<h3>Christina Clasohm</h3>

Christina Clasohm