Ein Film ohne Musik – undenkbar. Und doch wirkt sie auf den Zuschauer oft nur unbewusst. Andreas Moisa komponiert Filmmusik und erklärt im Interview mit medienMITTWEIDA unter anderem, warum musikalische Qualität ihren Preis hat ─ und warum sie in der Filmproduktion eine größere Aufmerksamkeit braucht.
Bereits in jungen Jahren entdeckte Andreas Moisa die Liebe zur Musik. Später zog es ihn dann für sein Studium „Jazz und Popularmusik im Hauptfach Gitarre“, vom Ruhrgebiet an die Hochschule für Musik und Theater nach Leipzig. Während seines Studiums beschäftigte sich der begeisterte Gitarrist mit der Symbiose aus Film und Musik. Nach vielen Jahren auf der Bühne, neben bekannten Künstlern wie Clueso oder Yvonne Catterfeld, holte ihn seine Begeisterung für die Filmmusik-Produktion schließlich ein. Seither produziert Andreas Moisa gemeinsam mit Philipp E. Kümpel erfolgreich musikalische Bewegtbild-Begleitungen für Formate wie „SOKO Leipzig“, „Terra X“ oder Produktionen bekannter Unternehmen wie Porsche und BMW. Seit 2008 ist Andreas Moisa als Autor des Musikmagazins KEYS tätig.
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Herr Moisa, Sie sind Musiker mit langjähriger Bühnenerfahrung. Wie kam der Wunsch auf, mehr hinter den Kulissen zu arbeiten?
Mich begeistern Musik und Film gleichermaßen. Da lag es für mich nahe, beide Künste in der Filmmusik zusammenzubringen. Auf der Bühne verklingt jeder gespielte Ton sofort, während im Studio lange an einem Ton gefeilt wird.
Ich habe allerdings gemerkt, dass die Arbeit im Studio ebenso wie ein Instrument geübt werden muss. Plötzlich tun sich viele Felder auf – vom Komponieren, Arrangieren und Produzieren, bis zum Mischen und Mastern. Irgendwann habe ich dann festgestellt, dass ich mit meinem neuen Instrument ─ dem Studio ─ viel mehr Zeit verbracht habe, als mit der Gitarre.
Es ist sicher schwierig, die passenden Emotionen mit Musik zu treffen. Wie schwer ist es für Sie, eine musikalische Emotion in einen noch „stummen“ Film zu bringen?
Das Spannende bei der Film-Komposition ist, dass es zuerst um die Charaktere, die Geschichte und die emotionale Wirkung beim Zuschauer geht. Wenn man sich darüber im Klaren ist, was eine Figur durchlebt, dann ergibt sich auch die emotionale Richtung der Musik. Die Wirkung lässt sich dann mit sehr unterschiedlichen musikalischen Mitteln erzielen. Das kann ein komplexes Streicharrangement oder ein einsamer Klavierton sein. Oder das bewusste Weglassen von Musik. Pausen können eine starke Wirkung haben.
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Welche Faktoren sind zu berücksichtigen, um eine gezielte Stimmung in die Musik zu bringen und somit Menschen zu bewegen?
Musik ist eine universelle Sprache, die bei Menschen auf der ganzen Welt die gleichen Emotionen wecken kann. Sie ist gleichzeitig aber auch mit unterschiedlichsten Assoziationen besetzt. Mit bestimmten Instrumenten kann man eine räumliche und zeitliche Einordnung erzeugen.
Wenn wir etwa in der „Geschichte Mitteldeutschlands“ eine Laute als Instrument einsetzen, dann befinden wir uns in der Zeit der Ritterspiele und Sängerwettstreite mit Tannhäuser und Walther von der Vogelweide. In einem modernen Kontext wie SOKO Leipzig kann ich zum Beispiel diese Laute statt einer spanischen Flamenco-Gitarre einsetzen. So breche ich etwa die starken Assoziationen der Hörer und gebe dem Klang etwas Vertrautes und zugleich Unbekanntes.
Man kann mit Klischees und Hörgewohnheiten spielen. Im Film gehören melancholischer Jazz mit Saxofon und dunkle, nur von Leuchtreklamen erhellte Straßen seit „Taxi Driver“ zusammen. Damit kann der Filmkomponist bewusst arbeiten und bestimmte, vom Zuschauer „gelernte“ Emotionen auf andere Situationen übertragen. Dieser eben genannte Jazz könnte etwa bei einer Autoverfolgungsjagd nicht melancholisch, sondern humorvoll wirken.
Musik beeinflusst uns in einer unterschwelligen Art und Weise. Auch Werbestrategen haben sich diesen Einfluss zu Nutzen gemacht. Ein perfekt platzierter Sound in einer Werbung bringt manchmal mehr als bloße Bilder, da Gehörtes mehr Emotionen hervorruft. Wie sehen Sie das?
In der Werbung arbeiten Produzenten oft mit Pop-Songs. Sie bedienen sich damit geschickt an der Übertragung von Emotionen auf ein bestimmtes Produkt aus einem völlig anderen Bereich. Mit einer Steigerung der Emotionen kommt man allerdings nicht weiter. Irgendwann ist alles zu laut und zu grell und dadurch stumpft der Zuschauer ab. Wäre der Fernseher plötzlich stumm, würden die Leute sicher sofort aufschauen und einer Werbung ohne Ton mehr Aufmerksamkeit schenken. Keine Musik ist aber auch keine Lösung.
Natürlich beeinflusst die Musik gerade in der Werbung den Zuschauer massiv. Meine Aufgabe als Komponist in der Werbung besteht darin, einer Marke oder einem Produkt musikalisch gerecht zu werden. Die Musik soll zudem die Dynamik des Films und seine Geschichte unterstützen.
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Wie betrachten Sie die Qualität deutscher Filmmusik in Film und Werbung?
Ich bin mir nicht sicher, ob Filmemacher die Bedeutung der Musik für ihren Film wirklich verstehen. Zwar wird Musik stets in der Filmproduktion eingesetzt, ihr Stellenwert sollte jedoch höher sein. Oft bleibt für die Produktion einer Filmmusik nur ein kleines Budget. Dabei steht eben das im Widerspruch zu der Sorgfalt, der langen Produktionsdauer und dem finanziellen und körperlichen Einsatz bei einer Filmproduktion. Warum nimmt man also dem Film einen großen Anteil der emotionalen Wirkung von vornherein weg, indem man am Produktionsbudget der Musik spart?
Die Qualität der Musik meint letztendlich die Wirkung der Musik auf den Zuschauer und damit gleichzeitig die Wirkung des gesamten Films. Diese Qualität kostet eben Geld: Eine Musikproduktion setzt sich aus vielen Teilbereichen zusammen. Zuerst ist da der Komponist, der ein Stück schreibt. Damit man das Stück hören kann, muss die Musik produziert werden. Jemand muss die Instrumente einspielen, jemand muss diese Musiker aufnehmen. Dann muss jemand diese Aufnahmen geschmackvoll mischen und letztendlich diese Aufnahme klanglich bearbeiten, damit sie einem professionellen Anspruch genügt. Wenn der einzelne Filmkomponist diese Aufgaben ganz alleine übernimmt, dann ist das so, als würde der Regisseur gleichzeitig das Drehbuch schreiben, die Hauptrolle spielen, die Kamera bedienen und den Film schließlich auch selbst schneiden. Ich kenne wenige Fälle bei denen das so wäre, bei der Musik ist das der ganz normale Alltag.
Im Rahmen Ihrer Autoren-Tätigkeit für die Fachzeitschrift „KEYS“ schreiben Sie über Techniken der Filmmusik-Produktion. Wie schätzen Sie im Hinblick auf den technischen Fortschritt die Zukunft der Filmmusik(-Produktion) ein?
Das ist ein sehr interessantes Thema. Die technischen Möglichkeiten werden ständig besser und auch kostengünstiger. Neben immer neuen elektronischen Klangerzeugern (Synthesizer) werden auch die Samples, mit denen man zum Beispiel Streicher am Rechner spielbar machen kann, immer realistischer. Vielen Hörern wird es sicherlich schwerfallen, einen Unterschied zwischen einem echten und einem synthetischen Orchester zu hören. Dadurch können Produktionskosten deutlich reduziert werden.
Das klingt zunächst toll, ist allerdings ein Trugschluss. Der Unterschied wird zwar nicht unbedingt gehört, aber man kann ihn mit Sicherheit fühlen. Musik soll schließlich ein Träger der Emotionen sein. Mit einem elektronischen Orchester beraubt man die Musik aber um eben diese wichtigen Emotionen, die so nur leidenschaftliche Musiker in einer Performance einbringen können. Unter vielen Kollegen beobachte ich auch, dass wieder mehr auf echte Musik gesetzt wird, obwohl die Technik heute so gut und realistisch wie nie zuvor ist.
Ich sehe die Zukunft eher so: Es wird eine größere Mischung aus synthetischen Klängen und live gespielten Teilen geben. Auch die Musiker müssen sich jetzt neu orientieren und können ihre Fähigkeiten mit eigenen Aufnahmemöglichkeiten über das Internet anbieten.
Ursprünglich kommen Sie aus Nordrhein-Westfalen, haben aber in Leipzig studiert und später auch für sächsische Filmproduktionen wie SOKO Leipzig komponiert. Was verbinden Sie persönlich mit Ihrer Arbeit in Sachsen?
Ich sehe in Sachsen ein großes Potenzial für die Film-Branche und bin fest davon überzeugt, dass gerade Leipzig als Medienstadt zukünftig eine große Rolle spielen kann. In Hollywood wird auch nur mit Wasser gekocht. Wir haben jetzt die Chance, eine starke und selbstbewusste Filmindustrie aufzubauen. Dazu müssen sich die Filmförderer auch an kommerzielle Stoffe herantrauen. Zudem müssen wir unsere eigenen „Stars“ besser pflegen. In Amerika kennt niemand Til Schweiger. Ich denke mir, dass diese Kritik an einem der erfolgreichsten deutschen Filmproduzenten, Schauspielern und Regisseuren nicht hilfreich ist. Man muss eigenen Leuten besser vertrauen lernen.
Was versprechen Sie sich vom Medienforum Mittweida 2013?
Immer wenn ich einen Artikel schreibe oder als Referent eingeladen werde, lerne ich selbst dabei am meisten. Ich freue mich also darauf, neue Dinge zu lernen und zu erleben. Außerdem erhoffe ich mir neue interessante Kontakte. Ein starkes Netzwerk ist für den Medienstandort Sachsen das Wichtigste. Wir haben hier in der Region viele talentierte Filmschaffende, Film- und Filmmusik-Festivals und sogar eines der besten Orchester weltweit. Zusammen können wir hier in Sachsen einiges auf die Beine stellen!
Mehr von Moisa?
Am 11. Und 12. November bietet das Medienforum Mittweida die Möglichkeit neben vielen weiteren Gästen auch Andreas Moisa persönlich an zutreffen. Als begehrter Referent freut auch er sich schon darauf, neue Kontakte zu knüpfen und damit Sachsen als Medienstandort weiter zu fördern. Wer also mehr über die Filmmusik erfahren möchte oder an Vorträgen, Workshops und Diskussionen vieler anderer spannender Medienthemen teilnehmen will, sollte sich diese zwei Tage unbedingt frei halten.
Das Interview führte: Michelle Mucha. Bild: Susann Kreßner.