Die Diskussion um den Klarnamenzwang ist vor allem durch den Doppelanschlag in Norwegen wieder entbrannt. „In der politischen Diskussion ist sie aber keinesfalls neu“, erklärte der netzpolitische Sprecher der Grünen Konstantin von Notz gegenüber medienMITTWEIDA. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der unlängst das Ende der Anonymität im Netz forderte, eifere David Cameron nach, der während den Unruhen in Großbritannien sogar die Sperrung von „Twitter“ und „Facebook“ in Erwägung gezogen hat.
Recht auf Pseudonym
Der IT-Fachmann Eric will nicht darauf verzichten, ein Pseudonym zu verwenden. „Das Pseudonym ist uralte Netzkultur und das hat das WWW ja von Anfang an mit geprägt“, sagt er. Wie man ein Netzwerk nutzt, hänge von den persönlichen Ansprüchen ab. Das spiegelt sich ebenso in der Debatte um die Nutzung realer Namen wieder: „Sucht man einen Job oder will gefunden werden, wird man sicher diese Klarnamenpolitik bevorzugen“, sagt er. Die Netzaktivisten und einige Politiker haben ihre Forderungen mittlerweile in einem Brief an Google formuliert. Dabei besagt schon der Paragraph 13 des Telemediengesetzes: „Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen“. So ist es auch wenig verwunderlich, dass der Bundesminster kurz nach seinem ersten Vorstoß seinen Sprecher klarstellen ließ, dass der Innenminister keineswegs plane, die Anonymität im Netz in Frage zu stellen.
Gerade weil die Bedeutung einer freien Kommunikation so hoch sei und das Missbrauchspotential massiv, ist diese Regelung für von Notz so bedeutend. So würde nicht nur die Gefahr von Missbrauchsskandalen gesenkt, es sei für bestimmte Personen und Gruppen wie zum Beispiel Selbsthilfevereine, Opferverbände, Rechtsanwälte, Journalisten, aber auch PolitikerInnen von elementarer Bedeutung, Informationen auch pseudonymisiert oder anonym austauschen zu können.
Durch Klarnamen angreifbarer
Auch Recherchen potentieller Arbeitgeber beschäftigen die Community-Nutzer. So fürchtet Josefine, der Klarnamenzwang könne einige Nachteile bei der Arbeitssuche für den unaufmerksamen Internetnutzer haben. „Ich spreche mich gegen einen Klarnamenzwang aus. Bei meiner Anmeldung bei ‚G+‘ bin ich davon ausgegangen, dass ich später noch einen Spitznamen angeben kann.“ Für sie sei es wichtig, sich im Internet anoym bewegen zu können.
Kein Geheimnis ist, dass Nutzerangaben, Surf- und Klickverahlten für gezielte Marketingmaßnahmen genutzt werden. Diesem Umstand hält Samantha aus Berlin aber für eine Möglichkeit, sich selbst zu vermarkten. „Die bewusste Vernetzung mit echten und realen Nutzern kann dem eigenen Social-Media-Marketing nur zu Gute kommen“, sagt sie überzeugt. Die 19-Jährige nutzt aktiv verschiedene Netzwerke, bei „Google+“ hat sie sich bislang aber noch nicht angemeldet.
„Vermummungsverbot im Internet“ ist Stammtischparole
„Insgesamt kann ich mich bei dieser Debatte des Eindrucks nicht erwehren, dass das Internet einmal mehr für Dinge verantwortlich gemacht wird, die weitaus komplizierter sind und eine Vielzahl von Ursachen haben“, sagt von Notz. Der schlichte Ruf nach einem „Vermummungsverbot im Internet“ sei seines Erachtens nach nur ein Beleg dafür, dass es so mancher immer noch vorziehe, populistische Stammtischparolen hinauszuposaunen, statt sich endlich fundiert mit dem Internet und seiner elementaren Bedeutung für unsere moderne Wissens- und Informationsgesellschaft zu beschäftigen.
Das Internet helfe jungen Menschen bei der Identitätsfindung, meint Vinzenz aus Sachsen. Auch er will nicht darauf verzichten, sich ein Pseudonym geben zu können. „So können die Nutzer in verschiedenen Räumen verschiedene Charakterzüge ausprobieren“, erklärt er. Klarnamenzwang verhindere das Experimentieren mit der eigenen Persönlichkeit.
„Google“ hingegen argumentiert bei seiner Regelung mit einem verbesserten Kommunikationsniveau. Googles Vizepräsident Vic Gundotra erklärte, dies sei ein Versuch einen positiven Grundton zu setzen, gab aber auch bekannt, dass es in „Google+“ doch eine Option für Pseudonyme geben soll.