Das Corona-Virus breitet sich auf der ganzen Welt aus, die Infektionszahlen steigen stetig und bisher kann kein Impfstoff die Entwicklung aufhalten. Was momentan unsere Realität darstellt, ist in fiktionalen Welten längst nichts Neues. Schon in der Vergangenheit haben sich viele Produzenten Geschichten ausgedacht, in denen ebenfalls der Ausbruch eines Virus im Mittelpunkt steht. Von den folgenden Serien kann man sich guten Gewissens wortwörtlich anstecken lassen.
SLØBORN﹘EINE STAFFEL﹘SEIT JULI 2020 IN DER ZDFMEDIATHEK
Eine Segeljacht treibt auf die abgelegene Nordseeinsel „Sløborn“ im deutsch-dänischen Grenzgebiet zu. An Bord befindet sich ein totes Ehepaar, welches allem Anschein nach Selbstmord begangen hat. Doch trotz erster Anzeichen nimmt bisher niemand ernst, dass damit das tödliche Virus – genannt „Taubengrippe“ – seinen Weg auf die Insel gefunden hat.
LAUTE LEBENSKONFLIKTE UND LEISE SEUCHE
Acht Episoden lang werden abwechselnd verschiedene Handlungsstränge verfolgt. Besonders auffällig ist, dass sich die teils klischeehaften Charaktere alltäglich mit Problemen und Konflikten herumschlagen.
Die Schülerin Evelin Kern (Emily Kusche) kehrt von einer Klassenfahrt zurück und erfährt, dass sie ungewollt schwanger ist. Ein Klassenkamerad wird von seinen Mitschülern gemobbt und leidet Zuhause unter dem autoritären Erziehungsstil seines Vaters. Ein bekannter, jedoch selbstverliebter und drogensüchtiger Bestsellerautor ist bankrott, hat eine Schreibblockade und flüchtet auf die Insel vor seinem Management.
In den Nachrichten wird als wiederkehrendes Element stets von der im Ausland auftretenden, hochansteckenden Krankheit berichtet. Die Aufmerksamkeit der Figuren wird jedoch, dramaturgisch geschickt verpackt, von persönlichen Angelegenheiten bestimmt. Während der Zuschauer die Epidemie kommen sieht, interessieren sich die Charaktere wenig für die Geschehnisse außerhalb der vermeintlich idyllischen, langweiligen Heimat und ignorieren die unbekannte Gefahr.
ENTSETZLICH ECHT
Ein unkontrollierbares Virus, welches Blut aus Augen und Nase tropfen lässt, ein überlastetes Gesundheitssystem, tausende Todesopfer, Maskenpflicht, Quarantäne, Versammlungsverbote sowie eine von Bundeswehrsoldaten streng bewachte Ausgangssperre – die Serie weist einige erschreckende Parallelen zu der aktuellen Situation in der Welt auf. Die aufgezeigten gesellschaftlichen Prozesse, wie steigende Existenzängste, als auch der aufkeimende Widerstand gegen behördliche Anordnungen lassen fast glauben, dass der Regisseur und Drehbuchautor Christian Alvart die Zukunft vorausgesehen hat. Doch die Ähnlichkeiten zur Corona-Krise waren nicht beabsichtigt. Tatsächlich entstand die Idee zu Sløborn bereits lange vor der Corona-Pandemie, schon vor zehn Jahren. Gedreht wurde das Katastrophen-Drama im Herbst 2019 auf Norderney und im polnischen Seebad Sopot.
Nichtsdestotrotz ist der Ausstrahlungszeitpunkt sehr gewagt. Einerseits führt man den Zuschauern die Ernsthaftigkeit der Situation vor Augen. Andererseits könnten speziell psychisch belastete Menschen den überforderten Staat mit dessen gewaltbereiten Entscheidungen und der „Pflicht“ zu Bürgerwehren auf die Wirklichkeit übertragen und so das Vertrauen in die eigene Regierung verlieren.
Obwohl die Handlung nur schleppend vorangetrieben wird, werden die Zuschauer durch die Verbindung aus herannahendem, tiefgründigem Desaster und zugespitzten Beziehungsgeflechten gefesselt. Die schauspielerischen Leistungen sind überzeugend, die Kameraaufnahmen sowie musikalische Unterlegung überraschend hochwertig. Einer zweiten Staffel kann mit gespannter Erwartung buchstäblich entgegengefiebert werden.
HELIX﹘ZWEI STAFFELN﹘SEIT 2014 UNTER ANDEREM AUF AMAZON PRIME VIDEO
Ein mysteriöses Virus bricht in einer Forschungsstation in der Arktis aus. Das Spezialteam unter Dr. Alan Farragut (Billy Campbell) wird einberufen, um die Krankheit zu untersuchen. Unter den Infizierten ist Alans Bruder, der nach kurzer Zeit aus der Quarantänestation flüchtet und damit die Verbreitung der Seuche auslöst.
FORSCHER IM EWIGEN EIS
Die Zuschauer begleiten das Forschungsteam bei ihrer Suche nach einem Heilmittel. Hierbei wird mit Klischees gespielt, wobei die Charaktere durch individuelle Wesenszüge gekennzeichnet sind. In der Gruppe treffen Alans Ex-Frau Dr. Julia „Jules“ Walker und seine junge, einfallsreiche Bewunderin Dr. Sarah Jordan aufeinander. Die Tier-Pathologin Dr. Doreen Boyle verleiht der Serie mit ihrer sarkastischen und taffen Art eine humorvolle Würze und der rätselhafte Chef der Forschungseinheit in der Arktis, Dr. Hiroshi Hatake, verbirgt wohl ein Geheimnis.
Obgleich persönliche Bezüge zwischen den Figuren bestehen, thematisieren die Dialoge kaum Privates. Stattdessen werden größtenteils erklärende Äußerungen zu den wissenschaftlichen Vorgängen getätigt.
VON WISSENSCHAFT UND IRREALITÄT
Das unbekannte Virus kommt﹘besonders wirkungsvoll für die Kamera﹘in Form eines ekligen, pechschwarzen Schleims daher. Dies wird mittels gut gelungener Visual Effects aufgezeigt.
Sofort fällt jedoch auf, dass das Geschehen zu Beginn wirklichkeitsnah betrachtet wird. Für die Beschreibung des Virus werden entsprechende Fachbegriffe verwendet, was im Speziellen Fans von Genetik und Mikrobiologie freuen könnte. Im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Serien wird großer Wert auf Details gelegt, wie zum Beispiel Animationen von Zellen unter Mikroskopen auf Computerbildschirmen. So wird der wissenschaftliche Forschungsprozess transparent dargestellt. Auch die gesellschaftlichen Folgen der wachsenden Panik werden realistisch aufgezeigt. Die durchdachte, düstere und sterile Location unterstreicht diesbezüglich die klaustrophobische Atmosphäre. Allerdings wird die Geschichte schon im Laufe der ersten Staffel zunehmend fiktionaler und schweift thematisch ein wenig ab.
Der Mystery-SciFi-Thriller ist nichts für schwache Nerven, denn es wird des Öfteren Gebrauch von Horror-Elementen gemacht. Von schmierig-verfaulten Skeletten bis hin zu blutigen Szenen, die ironischerweise mit übertrieben fröhlicher Musik untermalt sind, ist alles dabei.
Es lohnt sich, mal hineinzuschauen. Trotz ein paar Mängeln beinhaltet Helix spannende Wendungen und dramatische Entwicklungen.
THE LAST SHIP﹘FÜNF STAFFELN﹘SEIT 2014 UNTER ANDEREM AUF AMAZON PRIME VIDEO
In der Nähe von Kairo ist ein neuartiges, gefährliches Virus ausgebrochen. Die Mikrobiologin Dr. Rachel Scott (Rhona Mitra) forscht im Geheimen an Bord des amerikanischen Kriegsschiffs „U.S.S Nathan James“ nach einem Heilmittel. Die unwissende Crew des Zerstörers wird dazu vier Monate lang, abgeschnitten von der Außenwelt, unter Führung von Captain Tom Chandler (Eric Dane) vorgeblich auf eine Übungsmission in die Arktis geschickt. Nach einem Angriff von russischen Kampfhubschraubern bricht Chandler die vereinbarte Funkstille und nimmt Kontakt zum Festland auf. Dann erst erfahren sie, dass eine weltweite Virus-Pandemie wütet, die Regierungen zusammengebrochen sind und rund achtzig Prozent der Weltbevölkerung ausgelöscht wurde. Die letzte Hoffnung für die Menschheit befindet sich womöglich auf dem Schiff.
GEMEINSCHAFTLICHES GEBALLERE
Dass die Zuschauer hier eine imposante Endzeitserie mit grollenden Schießereien und mächtigen Explosionen erwartet, lässt sich spätestens beim Hören des Namens Michael Bay erahnen. Der Regisseur ist nämlich für populäre Hollywood-Actionfilme wie „Transformers“ oder „The Purge“ bekannt.
Die Besatzung der „Nathan James“ spiegelt die Vielfalt der amerikanischen Gesellschaft wider. Die Charaktere bilden ein zusammenhaltendes und kameradschaftliches Team – ganz das Musterbeispiel von eindrucksvollen US-Soldaten, die auch bereit sind, sich für das Heimatland zu opfern.
HEMMUNGSLOSER PATRIOTISMUS
Typisch für Produktionen von Bay stehen amerikanische Werte in den Handlungen der Hauptfiguren an erster Stelle. Kräftige Musik komplettiert den glorifizierten Filmstil bei furchtlosen Kämpfen, heldenhaften Ansprachen und militärischen Begräbnissen. Man könnte fast denken, dass The Last Ship in Wahrheit Propaganda für die U.S. Navy sei. Dies wäre tatsächlich nicht unwahrscheinlich, da jene für viele Aufnahmen Unterstützung geleistet hat.
Äußerst auffallend wird die patriotische Einstellung bei den Feindbildern der Serie. Selbstverständlich wollen die bösen Russen, stereotypisch Wodka trinkend, den heiligen Amerikanern den Impfstoff entreißen. Gleich in Folge eins wird regelrecht der Kalte Krieg wieder heraufbeschworen. Auch Terrororganisationen und skrupellose Machthaber finden einen Platz.
Wenn man sich nicht an der amerikanischen Politisierung und dem zahlreichen Aufkommen von heftigen Gefechten stört, ist die postapokalyptische Actionserie wirklich sehenswert. Von Virusmutationen bis hin zu gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge der Pandemie nutzte man die gesamte Palette an Potenzial.
Text: Lena Maria Friedrich, Titelbild: Stefan Erhard/ZDF, presseportal.zdf.de, Videos: YouTube/KinoCheck, YouTube/Showcase Network, YouTube/polyband